Zusammenfassung
Wohl kaum ein Begriff erfaßt das Leben und Wirken von Léon Blum (1872–1950) weniger als der, den Max Weber zur Kennzeichnung der Funktionäre der deutschen Sozialdemokratie vorgeschlagen hat. Er nannte sie „Parteibeamte“. Denn Blum übernahm erst mit 47 Jahren eine Funktion in der Sozialistischen Partei, nachdem er zuvor als Mitglied des höchsten französischen Verwaltungsgerichts, des Staatsrates, tätig gewesen war und als Chef des Kabinetts von Marcel Sembat im Ersten Weltkrieg Regierungserfahrungen erworben hatte. Engagierte er sich auch in der Zwischenkriegszeit rückhaltlos in der Parteiarbeit, leitete nicht nur die Parteizeitung „Le Populaire“, sondern schrieb dort auch täglich Leitartikel, hatte überdies den Vorsitz der Parlamentsfraktion inne, so war er doch eher der sozialistische Parlamentarier als der Mann des ohnehin nur rudimentär ausgebildeten Parteiapparats. Dem Typus des Beamten widersprechen schließlich auch seine literarisch-ästhetischen Neigungen, denen er vor 1914 halbprofessionell nachging, die aber auch danach in brillanten Formulierungen oder Artikeln zu künstlerischen Problemen noch durchblitzten. Eher als sozialistischer Intellektueller denn als Apparatschik, eher als Meister des parlamentarischen Spiels als der innerparteilichen Ochsentour, stärker auf der Bank der Opposition der Chambre des Députés denn als Parteifunktionär beeinflußte Blum den französischen Sozialismus.
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Anmerkungen
Dem Charakter eines Essays entsprechend wird im folgenden auf Einzelbelege dort verzichtet, wo sie nicht zwingend erforderlich sind. Die Darstellung ist vor allem Gilbert Ziebura und Jean Lacouture verpflichtet.
s. dazu Heinz-Gerhard Haupt, The Petite Bourgeoisie in France 1850 – 1914: In search of the juste milieu?, in: Geoffroy Crossik/Heinz-Gerhard Haupt (Hg.), Shopkeepers and master artisans in nineteenth-century Europe, London 1983.
Léon Blum, Oeuvres, Bd. 2/3, S. 134f.: Artikel: Le Populaire, 21.12.29.
s. Ziebura, S. 116–120.
Jean Paul Sartre, Réflexions sur la question juive, Paris 1954, S. 173: „. .. ce n’est pas le caractère juif qui provoque l’antisémitisme mais au contraire, . . . c’est l’antisémite qui crée le juif.“
Zur generellen Bedeutung der Dreyfus-Affáre s. Madeleine Rebérioux, La République radicale? 1898 – 1914, Paris 1973, S. 3–41.
Léon Blum, Oeuvres, Bd. 3/1, S. 23.
ders., Oeuvres, Bd. 5, S. 465.
zit. in: Léon Blum, Oeuvres, Bd. 1, S. XXIX.
Léon Blum, Du mariage, Paris 1907.
ders., Lettres sur la réforme gouvernementale, Paris 1918.
ders., A l’échelle humaine, Paris 1945.
Bericht von C.-A. Jullien, in: Léon Blum, chef de gouvernement, S. 40.
Dazu hervorragend: Ziebura, S. 332ff.
Léon Blum, Oeuvres, Bd. 1, S. 252.
zit. in Lacouture, S. 432.
zit. ebenda, S. 547.
Dies ist mit Ziebura gegen die These von James Joll anzuführen, Blum sei ein ökonomischer Laie gewesen. S. ders., Intellectuals in Politics. Three biographical Essays, London 1960, S. 3–59.
Léon Blum, Oeuvres, Bd. 3/2, S. 435.
s. dazu Richard Gombin, Les socialistes et la guerre. La SFIO et la politique étrangère française entre les deux guerres mondiales, Paris 1970, S. 197ff.
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Haupt, HG. (1985). Léon Blum. In: Christadler, M. (eds) Die geteilte Utopie Sozialisten in Frankreich und Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09714-3_21
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