Zusammenfassung
Die Idee, die zu diesem Buch geführt hat, verdankt sich den gleichen Impulsen, die zu einer Vielzahl von Veröffentlichungen, zu groß angelegten empirischen Untersuchungen und zur Einrichtung von eigenen Kommissionen durch Regierungen mehrerer Staaten (darunter auch der Bundesrepublik) geführt haben: dem Erschrecken über das Ausmaß und die Allgegenwart von Gewalt in unserer Welt. Auf Gewalt trifft man, wohin man schaut. Selbst wenn wir sie nur selten unmittelbar erfahren mögen, sind wir doch andauernd mit ihr konfrontiert: als Nachricht in Bericht und Bild, als Gegenstand von Erzählungen unserer Kinder, als Thema des politischen Streits, als Angst vor dem, was uns im Alltag zustoßen könnte, und nicht zuletzt auch als Stoff von Unterhaltung und Computerspielen. Das Erschrecken ist um so größer, weil sich doch erst vor kurzem mit einem Schlag aufgelöst hatte, was jahrzehntelang schlechthin unabänderlich schien: die Konfrontation der Blöcke, die Spirale der Hochrüstung, die diktatorische Bevormundung ganzer Völker. Eine Chance schien Gewalt angesichts solch tiefgreifender Veränderungen in Richtung Frieden allenfalls noch dort haben zu können, wo die koloniale Vergangenheit willkürliche Grenzziehungen hinterlassen hat oder wo Menschen, die sich durch Sprache, Kultur, Religion und Hautfarbe von der Mehrheit unterschieden, unterdrückt werden. Und das — so wähnte man noch vor kurzem — könne allemal nur weit, ja sehr weit weg passieren. Die Bilder aus dem früheren Jugoslawien indes führen jeden Tag vor Augen, daß die schon fast zur Gewißheit gewordene Annahme, blanke Gewaltausübung, kalkulierter Krieg und sinnlose Zerstörung erledigten sich mit der Logik fortschreitender Zivilisation, eine vorschnelle Illusion war. Diese Erkenntnis kränkt. Erst recht kränkt die Hilflosigkeit, mit der wir solchen Eruptionen von Gewalt weitgehend gegenüberstehen.
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Literatur
Die Literatur hierzu ist uferlos. Statt anderer s. nur: Heinz-Horst Art. Gewalt/Gewaltlosigkeit, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. XIII, 168–184;
Heinrich von Stietencron (Hrsg.),Angst und Gewalt. Ihre Präsenz und ihre Bewältigung in den Religionen, Düsseldorf 1979;
Richard Friedli,Frieden wagen. Ein Beitrag der Religionen zur Gewaltanalyse und zur Friedensarbeit, Freiburg/Schweiz 1981;
Wolfgang Lienemann,Gewalt und Gewaltverzicht. Studien zur abendländischen Vorgeschichte der gegenwärtigen Wahrnehmung von Gewalt, München 1982;
Hans-Werner Gensichen,Weltreligionen und Weltfriede, Göttingen 1985;
Egon Spiegel,Gewaltverzicht. Grundlagen einer biblischen Friedenstheologie, Kassel 1987;
Georg Baudler,Töten oder lieben. Gewalt und Gewaltlosigkeit in Religion und Christentum, München 1994.
So z.B. Dieter Keim, Stadtstruktur und alltägliche Gewalt. Fallstudie, Frankfurt 1981;
Christian Büttner,Gewalt vermeiden in gesellschaftlichen Konflikten. Erwachsenenbildung zur Auseinandersetzung zwischen Institutionen und „neuen Protestbewegungen“, Mainz 1989;
Jörg Schuh (Hrsg.),Gewalt im Alltag, Zürich 1990;
Thea Bauriedl,Wege aus der Gewalt. Analysen von Beziehungen, Freiburg/Basel/Wien 31993;
Bill Buford,Geil auf Gewalt. Unter Hooligans, München 1992;
Stefano Cirillo/Paula Di Blasio,Familiengewalt. Ein systemischer Ansatz, Stuttgart 1992;
Reiner Gödtel,Sexualität und Gewalt, Hamburg 1992; Beate Matthesius,Anti-Sozial-Front. Vom Fußballfan zum Hooligan, Op-laden 1992;
Peter M. Pflüger (Hrsg.),Gewalt — warum? Der Mensch: Zerstörer und Gestalter, Olten/Freiburg 1992;
Udo Rauchfleisch,Allgegenwart von Gewalt, Göttingen 1992; Simone Burgherr/ Siegfried Chambre/Shahram Iranbomy,Jugend und Gewalt. Reportagen und Hintergrundberichte, Luzern/Stuttgart 1993; Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.),Gewalt gegen Fremde. Rechtsradikale Skinheads und Mitläufer, München 1993; Hans-Georg Wehling (Red.),Aggression und Gewalt, Stuttgart/Berlin/Köln 1993; Alberto Godenzi,Gewalt im sozialen Nahraum, Basel 21994; Götz Eisenberg/Reimer Gronemeyer,Jugend und Gewalt, Reinbek 1993;
Reimer Gronemeyer,Das Blut deines Bruders. Die Zukunft der Gewalt, Düsseldorf/ Wien/New York/Moskau 1993;
Wolfgang Huber,Die tägliche Gewalt. Gegen des Ausverkauf der Menschenwürde, Freiburg/Basel/Wien 21994;
Hans-Uwe Otto/Roland Merten (Hrsg.),Rechtsradikale Gewalt im vereinigten Deutschland. Jugend im gesellschaftlichen Umbruch, Opladen 1993;
Udo Schmalzle (Hrsg.),Mit Gewalt leben. Arbeit am Aggressionsverhalten in Familie, Kindergarten und Schule, Frankfurt a.M. 1993; Manfred Amelang/Claudia Krüger (Hrsg.),Mißhandlung von Kindern. Gewalt in einem sensiblen Bereich, Darmstadt 1995;
Paul Hugger/Ulrich Stadler (Hrsg.),Gewalt. Kulturelle Formen in Geschichte und Gegenwart, Zürich 1995. Zur historischen Dimension der Gewalt im Alltag s. jetzt Thomas Lindenberger/Alf Lüdke (Hrsg.),Physische Gewalt. Studien zur Geschichte der Neuzeit, Frankfurt a.M. 1995.
Hans-Dieter Schwindt/Jürgen Baumann u.a. (Hrsg.),Ursachen, Prävention und Kontrolle von Gewalt. Analysen und Vorschläge der Unabhängigen Regierungskommission zur,Behinderung und Bekämpfung von Gewalt (Gewaltkommission), 4 Bde., Berlin 1990.
S. für die Bundesrepublik beispielsweise Helmut Willems, Fremdenfeindliche Gewalt. Einstellungen, Täter, Konflikteskalationen, Opladen 1993; ders./zus. m. Roland Eckert u.a., Fremdenfeindliche Gewalt. Eine Analyse von Täterstrukturen und Eskalationsprozessen, Bonn 1993; Ursula Birsl, Rechtsextremismus: weiblich — männlich? Eine Fallstudie zu geschlechtsspezifischen Lebensverläufen, Handlungsspielräumen und Orientierungsweisen, Opladen 1994;
Wilhelm Heitmeyer u.a.,Gewalt. Schattenseiten der Industrialisierung bei Jugendlichen aus unterschiedlichen Milieus, Weinheim/München 1995, sowie zahlreiche Jugendstudien.
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Hilpert, K. (1996). Gewalt im Alltag: Wahrnehmung und Komplexität eines Phänomens. In: Hilpert, K. (eds) Die ganz alltägliche Gewalt. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09709-9_1
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-1510-5
Online ISBN: 978-3-663-09709-9
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