Zusammenfassung
Die Überzeugung, Gott sei ein Mechaniker und die Welt eine von ihm entworfene und gebaute Maschine, ist die Basis bzw. die theologische Interpretation des Maschinenparadigmas, wie es sich historisch relativ eindeutig im 17. Jahrhundert verorten lässt. Auch wenn die Frühe Neuzeit uns diesbezüglich fremd scheint, und wir diese Interpretation nicht mehr nachvollziehen, so ist das Maschinale uns doch nach wie vor sehr nahe. Aspekte wie Orientierung der kausalen Verhältnisse an der räumlichen Ordnung spezifizierbarer Teile oder unidirektionale Wirkungsketten vor dem Hintergrund einer absoluten Zeit sind uns gegenwärtig, auch wenn es nicht mehr gelingt auf solchen Grundlagen konkretisiert durch das Maschinenparadigmas ein einheitliches Weltbild zusammenzufügen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Referenzen
Vgl. Mittelstraß 1995.
Durch den Rückgriff auf denselben Verstehenshintergrund entwickelt sich auch die Identität zwischen Verstehbarkeit und (technischer) Machbarkeit.
Die wiederscheinende höhere Ordnung war traditionell die Gottes; aber strukturell äquivalent kann es auch die Ordnung der Produktionsverhältnisse, der ‘Sprache’ etc. sein.
Dux 1988, S. 87.
Die subjektive und die soziale Seite dieser Entwicklung sind nicht voneinanderzutrennen, aber es ist auch keine auf die andere reduzierbar.
„Die Angewiesenheit des Menschen auf die Entwicklung einer erst kulturell geschaffenen Welt ist extrem. Der Mensch bringt bei seiner Geburt keine instinktive Ausstattung mit, die die Aktionsformen im Verkehr mit der Umwelt sicherstellten und die vitalen Bedürfnisse befriedigten; er bringt auch keine handlungsrelevant organisierte Umwelt mit. Beide, die Aktionsformen künftiger Lebensführung und die Organisation der Außenwelt müssen erst von ihm aus einer kulturellen Null-Lage entwickelt werden.“ Dux 1994, S. 177.
Vgl. Lock 1980.
Man kann heute davon ausgehen, dass es auf der Ebene der Wahrnehmungsprozesse und einer Reihe damit eng verknüpfter Aktivitätsmuster schon bei Säuglingen Kompetenzen vorliegen, die weit über das hinausgehen, was Piaget unterstellt hatte. Zu unserem Konzept der Strukturentwicklung steht dies aber nicht im Widerspruch, insofern auch diese Kompetenzen nur als weitere (z.T. wichtige Lücken füllende) Bedingungen in den menschlichen Weltaneignungsprozess eingehen. Vgl. z.B. Meltzoff 1993 oder Spelke/Van de Valle 1993.
Für eine Übersicht vgl. Wenzel 2000, S. 19ff.
Vgl. Dux 2000, S. 262ff.
Der späte Piaget unterscheidet Attribution und Applikation von Strukturen und führt diese Unterscheidung weitgehend parallel mit der von Kausalität (kategorial) und Regelhaftigkeit (operational); Piaget/Garcia 1989, S. 131ff.
Das wesentliche Entwicklungsmoment höherer Strukturen besteht gerade darin, dass Disä-quilibrationen nicht nur zwischen den Gegenständen und den sie betreffenden Schemata, sondern auch zwischen verschiedenen Komplexen von Schemata und zwischen solchen und dem Gesamtsystem zustande kommen, vgl. Dux 2000, S. 21 Off.
Zum strukturalen Vergleich spezifischer Kausalerklärungen in Ontogenese, in der aristotelischen und impetustheoretischen Physik, sowie im Kulturvergleich (strukturaler Vergleich! d.h. die inhaltliche Differenziertheit bleibt hiervon unberührt) vgl. Kälble 1997.
Vgl. Dijksterhuis 1956, S. 399f.
In einem analogen Sinne ist auch der für die allgemeine Mechanisierung wichtige „scaffolding effect“ zu verstehen. Die Erfindung neuartig strukturierter Artefakte erfordert größere Mühe als das Erlernen der jeweiligen Struktur mit Hilfe des schon vorfindbaren Artefakts; vgl. Lock 1996, S. 389ff. 14 Piaget vermutete dies allerdings noch: „Ich glaube, eine Erklärung läuft immer darauf hinaus, den Objekten Handlungen oder Operationen zuzuschreiben, die den unseren, denen des Subjektes, ähnlich sind. ... Die Kausalität bestünde demnach darin, daß wir unsere Operationen auf Dinge übertragen, die so als gegenseitig aufeinander einwirkende Operationen begriffen werden.“ Bringuier/Piaget 1996, S. 100.
Letztlich ist die Leibnizsche Frage: ‘warum es eher Etwas als Nichts gibt’, prozesslogisch nicht zu beantworten, weil der Prozess, Existenz immer schon voraussetzend, den radikalen Bruch zwischen dem Nichts und dem Sein nicht kennt.
Im Maschinenparadigma ist die Teil/Ganzes-Problematik noch nicht gelöst; die Teile summieren sich einfach zum Ganzen, und dessen Struktur bleibt auf den vorausgehenden Plan bezogen. „Im Paradigma vom Ganzen und seinen Teilen muß man irgendwo unerklärbare Eigenschaften unterbringen — sei es als Eigenschaften des Ganzen (das mehr ist als die Summe seiner Teile), sei es als Eigenschaften einer hierarchischen Spitze, die das Ganze repräsentiert. In der Theorie selbstreferentieller Systeme wird dagegen alles, was zum System gehört, (einschließlich etwaiger Spitzen, Grenzen, Mehrwerte usw.) in die Selbstherstellung einbezogen und damit für den Beobachter entmystifiziert.“ Luhmann 1984, S. 27.
Vgl. Glanville 1988b. Technisch findet sich dieses rückgekoppelte Steuerungsprinzip in Maschinen, z.B. in Form von Wasserstandsreglern, schon in der Antike realisiert; das Prinzip rückte aber erst mit dem Fliehkraftregler der Dampfmaschine ins allgemeine Bewusstsein.
Der Erste, der das Konzept negativer Rückkoppelung theoretisch fruchtbar gemacht hat, war Adam Smith, der u.a. Kosten, Preis, Angebot und Nachfrage in eine Rückkoppelungs-schleife zusammengebunden hat. Die tendenzielle Unanschaulichkeit dieser Zusammenhänge drückt sich dabei noch in der Wahl des Begriffes: ‘die unsichtbare Hand’, aus; vgl. Mayr 1987, S. 197.
Dies bedeutet auch, dass das Reproduktionsprinzip der Struktur nicht reine Identität sein kann, sondern Offenheit immer mit generiert wird; vgl. zu diesem ‘azentrischen’ Strukturbegriff Wenzel 2000.
Varela 1975, S. 20.
Vgl. z.B. Foerster 1993, S. 244ff. Zur Frage, was ein Objekt unter diesen Bedingungen sein könnte, vgl. auch Glanville 1988a.
Der Vorgang der Übertragung materialer Strukturen ist dem ähnlich, den die Theorie ‘mentaler Modelle’ zu beschreiben versucht. Der zentrale Gedanke dieses theoretischen Ansatzes besteht darin, dass ‘mentale Modelle’ oder ‘konzeptuelle Metaphern’ einen Objektbereich nicht nur veranschaulichen, sondern unter anderem auch die Konstruktion der Kausalstruktur mitbestimmen; vgl. Lakoff/Johnson 1980. Jakob gibt einen Überblick über die Theorie mentaler Modelle unter besonderer Berücksichtigung der Maschine als ein solches; Jakob 1991. 23 Vgl. Cameron 1991.
Vgl. Luhmann 1992, S. 602ff. Dies betrifft selbstverständlich auch das Schrifttum zur Mechanik; vgl. Drake/Drabkin, S. 10ff.
Man könnte zu dieser Liste mittelalterlicher Neuerungen daher noch Geld als (ökonomische und administrative) Technologie’ hinzufügen; vgl. Kaye S. 171ff.
Seit dem 15. Jahrhundert verlieren durch die Organisation der Infanterie zu einem taktischen Körper die nun unterlegenen feudalen Ritterheere ihre Bedeutung; vgl. Hintze, S. 65ff. „... in seiner entscheidenden Wachstumsphase ist der moderne Staat ein Kriegsstaat, der seine Verwaltung und Besteuerung ausweitet, um Krieg führen zu können.“ Reinhard 1992, S. 239.
Für die Anwendbarkeit des Maschinenparadigmas auf Staaten war das Modell der Armeen, bestehend aus disziplinierbaren Kriegsknechten, wie sie sich durch die Methoden der Nassauischen Heeresformen seit dem Ende des 16. Jahrhunderts herstellen ließen, von zentraler Bedeutung.
Zum Übergreifen des Gesetzesbegriffs aus dem staatlichen in den naturwissenschaftlichen Bereich, vgl. Zilsel, S. 96.
Vgl. Chaunu 1989.
Biographisch zeigt sich diese Konfliktlage sehr deutlich z.B. bei Kepler, Descartes oder Hobbes.
Ohne diesen Vorlauf hätte die Erfindung der Dampfmaschine keine allzu große Bedeutung gehabt — genaugenommen handelte es sich bei ihr um eine sehr spezifische technische Entwicklung, deren Ziel es war, den hohen Bedarf an Arbeitsleistung für die Wasserhaltung in immer tieferen Bergwerken zu decken.
Vgl. Shepard/Metzler 1971.
Dies erklärt die umwälzende Bedeutung der von Tycho beobachteten Novae.
Vgl. Mittelstrass 1995.
Dadurch wird bei Kopernikus die Erde zu einem Stern unter anderen — auch dies eine Form der Aufhebung der radikalen Trennung der Weltbereiche. Das Konzept eines unendlichen Raumes beruht u.a. auf der Vorstellung (unbegrenzter) linearer Fortbewegung, die aus dem irdischen Bereich in den himmlischen übernommen wurden. Zwar fungieren bei Kopernikus Sonne und Erde noch als Mittelpunkte von zyklischen Räumen innerhalb einer begrenzten Fixsternsphäre; dennoch ist hier der Grundstock für die Öffnung des linearen grenzten Fixsternsphäre; dennoch ist hier der Grundstock für die Öffnung des linearen Raumes gelegt, denn der kopernikanische Kosmos ist schon bis zur ‘Unermesslichkeit’ aufgebläht; vgl. Koyré 1969, S. 40.
Hall 1965, S. 52f.
Blumenberg 1965, S. 18.
Vgl. Franklin 1976, S. 67ff.
„In der Tat ist auch die Entdeckung des Trägheitsprinzips ... im Grunde nichts anderes als die Einführung der Relativität der Bewegung in das Phänomen der geradlinigen gleichförmigen Translation.“ Rombach 1965 Bd 1, S. 309.
Vgl. Westfall 1972, S. 187.
Newtons absoluter Raum ist bekanntermaßen sehr absolut: „Der absolute Raum, seiner Natur nach ohne Beziehung zu irgend etwas Äußerem, bleibt immer gleichartig und unbeweglich.“ Newton 1687, S. 28.
Rights and permissions
Copyright information
© 2003 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Remmele, B. (2003). Die Entstehung des Maschinenparadigmas. In: Die Entstehung des Maschinenparadigmas. Reihe Theorie des sozialen und kulturellen Wandels, vol 3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09692-4_1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-09692-4_1
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-3779-4
Online ISBN: 978-3-663-09692-4
eBook Packages: Springer Book Archive