Zusammenfassung
Für das Opfer eines Verbrechens — insbesondere eines Gewaltverbrechens — ist das Leid mit der Tat meist noch nicht beendet. Zur unmittelbaren Schädigung (primäre Viktimisierung) treten häufig noch sekundäre Viktimisierungen hinzu, d. h. vielfältige Unannehmlichkeiten, Belastungen und Degradierungen seitens der formellen Kontrollinstanzen (Polizei, Justiz), aber auch durch die soziale Umwelt. Solche Vorgänge sind häufig ausschlaggebend für eine Verschärfung der Opfersituation im Sinne einer tertiären Viktimisierung. Dabei handelt es sich um die Verinnerlichung der von außen, durch Täter, Nahraum, Öffentlichkeit und Kontrollinstanzen, herangetragenen Opferdefinition. Der Opferstatus wird zu einem wesentlichen Teil der Persönlichkeit der Geschädigten zuungunsten anderer Qualitäten und Rollenbezüge, womit die Erlebnis-, Verhaltens- und Entwicklungsmöglichkeiten der Betroffenen stark eingeschränkt werden (vgl. Kiefl/Lamnek 1986: 272 ff.). Dies wird insbesondere dann eintreten, wenn dem Opfer Entschädigung und Wiedergutmachung versagt bleiben und die Bestrafung des Täters seiner Meinung nach in keinem angemessenen Verhältnis zum angerichteten Schaden steht (vgl. Hestermann 1997: 135; Reemtsma 2001: 216). Damit sieht sich die geschädigte Person überwiegend oder ausschließlich als Objekt privater und institutioneller Willkür, was ihre Wiedereingliederung erschweren oder verhindern kann.
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Literatur
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Kiefl, W. (2003). Die unbequemen Opfer. In: Fuchs, M., Luedtke, J. (eds) Devianz. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09666-5_4
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