Zusammenfassung
Die Haltung des Universalismus zum Staat ist ambivalent. Das wird klarer, wenn wir in diesem Zusammenhang, statt von „Universalismus“ zu sprechen, sein Synonym „rationales Naturrecht“ benutzen; unter diesem Begriff ist die Auseinandersetzung der universalistischen mit der Staatsidee etabliert, und die Ambivalenz wird deutlich: man findet über die Haltung des rationalen Naturrechts zum Staat gegensätzliche Aussagen, die gleichwohl beide richtig sind. Auf der einen Seite wird hervorgehoben, daß das rationale Naturrecht Staatsmacht beschränkt und Bürgerrechte gegen den Staat etabliert; auf der anderen Seite wird deutlich, daß es den Staat fordert und dessen moderne Abhebung von der Gesellschaft erst ein Ergebnis dieser Forderung ist. Beide Auffassungen können jedoch miteinander in Übereinstimmung gebracht werden; nicht nur unorthodox, sondern auch unrichtig ist es aber, wenn die Systemtheorie heute behauptet, daß die Naturrechtsidee sich nicht mit der vollendeten Ausdifferenzierung des Staates vertrage.
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Literatur
Martin Kriele, Zur Universalität der Menschenrechte, S. 61.
Friedrich Jodl, Geschichte der Ethik als philosophischer Wissenschaft, Bd. I, S. 97.
Ferdinand Tönnies, Einführung in die Soziologie, S. 214; dieser Aspekt wird auch betont bei Dolf Sternberger, Verfassungspatriotismus 1990, S. 26.
Thomas Hobbes, Leviathan, S. 113; covenant = Garantie.
Niklas Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 56. Luhmann nimmt mit dieser Bemerkung den Standpunkt der Polarität zwischen Staat und Gesellschaft ein, wie ihn Lorenz v. Stein zu seinem Höhepunkt gebracht hat, während er sonst den Staat nur als ein System unter vielen ansieht. Vgl. auch Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart, S. 215.
De iure Naturae et Gentium, 1672, Buch VII, Kap. VI, § B.
Georg Simmel, Über sociale Differenzierung, S. 62.
Georg Simmel, a.a.O. S. 62; Henry Maine, Ancient Law, S. 148ff.
Max Weber, Die protestanische Ethik, S. 65.
Otto v. Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, S. 830; vgl. dazu Sibylle Tönnies, Der Dimorphismus der Wahrheit, S. 238f.
Hans Kropa, Otto v. Gierke und die Probleme der Rechtsphilosophie, S. 63f.
Ricarda Huch, Romantischer Sozialismus; vgl. dazu Sibylle Tönnies, Die konkrete Gemeinschaft. Sprachgeschichtlich ist merkwürdig, daß „romanisch“ und „romantisch” in polare Entgegensetzung kommen, während doch ursprünglich „romantisch“ „romanisch” bedeutet.
Im 8. Kapitel I1.2. und im 11. Kapitel 1.2.
Lorenz v. Stein, Verwaltungslehre und Verwaltungsrecht, S. 18; gut dazu die von Modeströmungen unabhängige Untersuchung von Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Bedeutung der Unterscheidung von Staat und Gesellschaft im demokratischen Sozialstaat der Gegenwart.
Niklas Luhmann, Grundrechte als Institution, S. 27.
A.a.O. S. 15f.; Hervorhebung von mir.
Otfried Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, S. 47f.
Niklas Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 89.
Thomas Hobbes, Leviathan, A Review and Conclusion.
Der Wortlaut der französischen Menschenrechtserklärung (Hervorhebung von mir) läßt an der Zweckorientierung keinen Zweifel: „Nachdem die Repräsentanten des Volkes, konstituiert als Nationalversammlung, erwogen haben, daß die Unkenntnis, das Vergessen oder die Mißachtung der Rechte der Menschen die alleinigen Ursachen des öffentlichen Unglücks und der Verderbtheit der Regierungen sind, so haben sie beschlossen, in einer feierlichen Erklärung die natürlichen, unveräußerlichen und geheiligten Menschenrechte darzulegen, damit diese Erklärung allen Gliedern des gesellschaftlichen Verbandes ständig gegenwärtig sei und sie ohne Unterlaß an ihre Rechte und Pflichten erinnern möge; damit die Handlungen der gesetzgebenden und die der ausübenden Macht, wenn sie in jedem Augenblick mit dem Endzweck aller politischen Satzungen verglichen werden können, mehr geachtet werden und, damit die Ansprüche der Bürger des Staates, welche künftig auf einfache und unwidersprechliche Grundsätze gegründet sein sollen, sich immer auf die Wahrung der Verfassung und das allgemeine Wohl richten mögen.“ Dazu steht in krassem Widerspruch, wenn Luhmann ausgerechnet die Französische Revolution als Zeitpunkt auffaßt, seitdem eine Zweckorientierung obsolet ist; vgl. unten im 6. Kapitel II.1.
Niklas Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, S. 95; vgl. oben im 1. Kapitel II.1.
Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung, S. 592ff.
Ulrich K. Preuß, Zu einem neuen Verfassungsverständnis, S. 20; Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung, S. 517, artikuliert vorsichtig das Bedürfnis nach einem von „korporatistischen Arrangements“ unabhängigen Staat.
Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung, S. 634.
F. J. Neumann, Volk und Nation, zit. bei Ferdinand Tönnies, Individuum und Welt in der Neuzeit, S. 59.
Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung, S. 634.
Allerdings hatte die Idee der Nation in der französischen Revolution einen gewissen Klassencharakter: Abbé Sieyès vertrat die Auffassung, daß der Dritte Stand die Nation ist, da sie allein den produktiven Teil der Gesellschaft bilde; „mittels der Nation prägte die Bourgeoisie dem ganzen Volk ihr Wertsystem auf“, vgl. Franz Neumann, Behemoth, S. 135; Otto Dann, Nation und Nationalismus in Deutschland, S. 43. Ähnlich Ferdinand Tönnies, Einführung in die Soziologie, S. 90: „Es kann also eine Kollision zwischen dem volkstümlichen und dem nationalen Bewußtsein geben, insofern als jenes das der unteren, also ärmeren, dieses der oberen und reicheren Elemente ist.” Auch heute zeigt die Oberschicht Neigung, sich einen Nationalismus zu leisten, der von den ethnischen Anteilen bereinigt ist, die für die Unterschichten Bedeutung haben.
Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 180.
Heinrich Triepel, Die Zukunft des Völkerrechts, hat deshalb von einer halb staaten- bildenden, halb staatenvernichtenden Kraft des Nationalitätsprinzips gesprochen.
Thomas Mann, Rede über Lessing, S. 7.
Dieter Oberndörfer, Die offene Republik als Staatsform der Zukunft, S. 171.
Walter Reese-Schäfer, Universalismus, negativer Nationalismus und die neue Einheit der Deutschen, S. 52.
Im 10. Kapitel I.3.
Vgl. Claus Offe, Über zivile Tugenden, S. 148.
Friedrich Engels, Herrn E. Dührings Umwälzung der Wissenschaft, S. 233ff.
U.K. Preuß, Zu einem neuen Verfassungsverständnis, S. 9.
Vgl. Sibylle Tönnies, Die Linke und das Gewaltmonopol.
Ferdinand Tönnies, Einführung in die Soziologie, S. 118.
Ferdinand Tönnies, a.a.O., S. 119.
z.B. Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung, S. 659; Micha Brumlik, Nation und Weltinnenpolitik, S. 24ff.
Ferdinand Tönnies, Einführung in die Soziologie, S. 216.; vgl. Micha Brumlik, a.a.O. S. 28.
Erich Fechner, Die Bedeutung der Gesellschaftwissenschaft für die Grundfrage des Rechts, S. 273.
So beendet Jürgen Habermas sein Buch „Faktizität und Geltung“, Frankfurt a.M. 1992, mit dieser Perspektive. Zu den damit zusammenhängenden moralischen Problemen vgl. Sibylle Tönnies, Auch ich. Goethe, S. 110.
Walter Reese-Schäfer, Universalismus, negativer Universalismus und die neue Einheit der Deutschen, S. 43.
Niklas Luhmann, Die Weltgesellschaft, S. 11.
Niklas Luhmann, a.a.O., S. 28.
Im 6. Kapitel I1.2.
Jürgen Habermas, Faktizität und Geltung, S. 659.
Niklas Luhmann, Die Weltgesellschaft, S. 10.
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Tönnies, S. (1995). Staat und Nation. In: Der westliche Universalismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09645-0_5
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