Zusammenfassung
Auf den ersten Seiten seines Buches Colonial Desire (1995, S. 1f) beschreibt R.J.C. Young eine Stelle im Greenwich Park in London, am südlichen Themse-Ufer und bezeichnenderweise gegenüber der Isle of Dogs gelegen, dem Ort des früheren East India Dock, der Startrampe des Kolonialismus. Hinter dem Old Royal Observatory findet der/die geschichtsbewusste Spaziergänger(in) ein in den Boden gelassenes Messingband, den Null-Meridian, durch den Greenwich 1884 zu einer Art zweitem — wenn auch ungleich profanerem — Delphi wurde, zum Nabel der imperialistisch geordneten Welt des Empire auf dem Höhepunkt seiner Macht. Young beschreibt dann, wie durch das Setzen der Füße hüben und drüben dieser imperialen Intarsie jedermann zu einem Wesen wird, das per definitionem sowohl dem Orient als auch dem Okzident angehört, „mixed with otherness“ wie Young — augenzwinkernd dem Jargon folgend — das nennt, und damit implizit den transzendentalen Primat des Westens bestätigt: Zentrum und Peripherie, „the West and the rest“. An dieser Stelle und mit dieser körperlichen Ausrichtung also strafen die Füße den Kopf Lügen: die gleiche Verteilung der physischen Körperpräsenz in West und Ost konterkariert die Kopfgeburt des Zentrumsanspruchs Londons sowohl im kartographischen wie im Weltzeitsystem; der Null-Meridian widerlegt und bestätigt zugleich die, wie R. Kipling, ein ideologischer „Konstrukteur“ von britischem Rassismus und Ethnozentrismus, in seinem kulturimperialistischen Schlüsselroman Kim (1901) sie nannte, „monstrous hybridity of East and West“.
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Literatur
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Riedel, W. (2002). Hybride Identitäten. In: Bukow, WD., Yildiz, E. (eds) Der Umgang mit der Stadtgesellschaft. Interkulturelle Studien, vol 11. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09639-9_13
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