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Die internationale Zivilgesellschaft

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Book cover Der Diskurs der Zivilgesellschaft

Part of the book series: Bürgerschaftliches Engagement und Nonprofit-Sektor ((BENPS,volume 4))

Zusammenfassung

Neben die inneren Herausforderungen nationalstaatlich organisierter Demokratie sind längst — mit vielfältigen, bislang ausgeblendeten Bezügen zur bisherigen Diskussion — tiefreichende Herausforderungen von außen getreten, die den juristisch definierten Zusammenhang einer sachlich nach innen und außen souveränen Staatsgewalt mit einem räumlich als Staatsgebiet eindeutig abgrenzbaren Territorium und einem sozial auf die Gesamtheit der Angehörigen bezogenen Staatsvolk (Habermas 1996a), den wir mit dem Begriff des Nationalstaats verbinden, in Frage stellen1. Im schillernden Begriff der Globalisierung (Beck 1997, Beck 1998a und Beck 1997b) tritt die nicht mehr zu übersehende Tatsache in Erscheinung, daß politische Territorialität wie wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen zunehmend nicht mehr deckungsgleich sind: „Globalisation can thus be defined as the intensification of worldwide social relations which links distant localities in such a way that local happenings are shaped by events occurring many miles away and vice versa“ (Giddens 1990: 64). In den viel zitierten Debatten über den „Standort“ scheint die Diskrepanz zwischen der Dynamik transnationaler Wirtschaftsund Finanzwelten und der Regression der Steuerungspotentiale nationalstaatlicher Politik auf (Habermas 1998: 805), die in neoliberaler Perspektive einen durchaus gewollten Effekt politischer Strategie darstellt (Beck 1997: 195ff.).

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Referenzen

  1. Ronnie Lipschutz spricht von einem „leakin away of sovereignty from the state both upwards, to supranational institutions, and downwards, to subnational ones“ (1992: 399).

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  2. Im folgenden nach der geläufigen englischen Terminologie abgekürzt als NGO; in einigen Zitaten findet sich auch das auf den deutschen Wortlaut bezogene Kürzel „NRO“.

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  3. In einem späteren Text relativiert Guéhenno seine These vom Ende der Demokratie und hebt hervor, für die Zukunft der Demokratie komme es darauf an, in „einer Welt, die immer weniger durch Beschränkungen der Geographie und der Geschichte bestimmt ist, nach Werten zu suchen, die das Fundament einer menschlichen Gemeinschaft abgeben können“ (Guéhenno 1996: 412). Allerdings ist diese Gemeinschaft dann bereits nicht mehr eine räumlich beschränkte, wie Guéhenno mit Blick auf die Europäische Union und die Weltgesellschaft feststellt.

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  4. So wird Außenpolitik heute von zahlreichen Autoren als integrierter Teil „weltinnenpolitischer“ Fragestellungen und Risikolagen verstanden (Beck 1986: 54ff.).

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  5. Für einen Überblick zu den sich für die Analyse der Rechtsentwicklung im Globali-sierungsprozeß stellenden Fragen siehe Röhl 1996. Es sollte bei der Negativskizze von Brunkhorst nicht übersehen werden, daß die Nationalstaaten, wenn auch in einem schwierigen, kontroversen und ergebnisoffenen Prozeß, den Auf- und Ausbau internationalen Rechts und rechtsprechender Instanzen als Voraussetzung der Beilegung transnationaler Konflikte mit friedlichen Mitteln vorantreiben, wie sich etwa an den Diskussionen über die Einrichtung eines internationalen Strafgerichtshofes zeigen ließe (siehe auch Crocker 1998). In diesem Prozeß müssen auch die Einflüsse gesellschaftlicher Kräfte als „Rechtsquelle“ im Zusammenspiel mit dem offiziellen Recht gesehen werden (Röhl 1996: 50). Zu den Fragestellungen und Hintergründen der neueren Entwicklungen des Völkerstrafrechts in Folge der Nürnberger Prozesse siehe die Beiträge in Hankel/Stuby 1995. 6 Der Begriff der Weltgesellschaft kontrastiert freilich bemerkenswert zu der engen Be-zogenheit von Staat und Gesellschaft, die unseren modernen Gesellschaftsbegriff zu dem einer „Nationalstaatsgesellschaft“ gemacht hat. Nicht nur stellt sich dann die Frage, ob für die Systemtheorie „mit dem Bedeutungsverlust des Nationalstaats auch sein Wunschbild einer funktional differenziert beherrschten Gesellschaft an Bedeutung und Wirklichkeit verliert“ (Beck 1997: 181), sondern es ist auch der Einwand gemacht worden, für die Analyse globaler Prozesse sei der Begriff der Weltgesellschaft insgesamt nicht geeignet: „The new global framework cannot be concieved as merely that of the nationstate writ large ... A central implication of the concept of globalization is that we must now embark on the project of understanding social life without the comforting term ‚society‘“ (Featherstone/Lash 1995: 2). Klaus F. Röhl weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß auch eine systemtheoretische Begriffsbildung von der Globalisierungsdynamik nicht unberührt bleiben kann: „Die Weltgesellschaft ist die einzige Gesellschaft ohne soziale Umwelt. Das hat Folgen, die auf den ersten Blick widersprüchlich wirken. Auf der einen Seite beginnen Konzepte mit universellem Anspruch wie die Idee der rule of law oder der Menschenrechte die globale Gesellschaft zu strukturieren. Auf der anderen Seite provoziert die Abwesenheit einer äußeren Umwelt die Weltgesellschaft, durch Differenzierung in neue Subsysteme ihre eigene, innere Umwelt hervorzubringen, als Ersatz oder neben der existierenden Substruktur aus Nationen“ (Röhl 1996: 19).

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  6. Zur Diskussion über die Weltgesellschaft siehe auch die Beiträge in Beck 1998b.

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  7. „Governance“ zielt auf die Praktiken öffentlicher und privater Institutionen, mittels derer eine kontinuierliche Regelung gemeinsamer Angelegenheiten und kollektive Ziele von Individuen verfolgt, ihre Interessenkonflikte ausgeglichen und kooperatives Handeln initiiert werden; „global governance“ zielt auf den entsprechenden Einbezug nicht-gouvernehmentaler Institutionen und Organisationen, eine Demokratisierung vorhandener globaler Netzwerke und die Schaffung neuer globaler Institutionen (De-mirovic 1997c: 242).

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  8. In der kosmopolitischen Konzeption werden Grundsätze demokratischen Rechts, die Einrichtung transnationaler, regional gebündelter Parlamente und Gerichte und ein Machtzuwachs der internationalen Institutionen und Organisationen, die als Knotenpunkte und Koordinatoren transnationaler Abhängigkeiten fungieren, mit dem Ausbau individueller bürgerschaftlicher Beteiligungsrechte jenseits des Nationalstaates und mit einem die Beteiligung absichernden Bürgergeld verbunden (Beck 1997: 162f.).

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  9. Stärker als der Begriff der „internationalen Zivilgesellschaft“ zielt der Begriff der „globalen Zivilgesellschaft“ auf universalistische Orientierungen und globale Visionen, wie sie etwa im Umfeld von sozialen Bewegungen und NGOs in der Umwelt-und Menschenrechtspolitik vertreten werden. Institutioneller Bezugspunkt sind hier in der Regel die Vereinten Nationen. Demgegenüber ist der hier verwendete Begriff der „internationalen Zivilgesellschaft“ zurückhaltender. Er akzentuiert die Möglichkeiten der Demokratisierung trans-, supra- und internationaler EntScheidungsprozesse im Ausgang von miteinander im internationalen System verbundenen nationalen Zivilgesellschaften und ist zurückhaltender in der Bewertung einer schon erreichten genuin globalen Sphäre (Pasha/Blaney 1998: 429f.).

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  10. Michael Herzka weist nachdrücklich auf die Bedeutung der Menschenrechtsbewegung als zivilgesellschaftlicher Kraft für die Ausbildung eines universalistischen Wertehorizonts der Weltgesellschaft und damit auf deren Rolle in Prozessen der Vergemeinschaftung hin (Herzka 1995).

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  11. Hinsichtlich der Verschränkungen und Wechselwirkungen von politischen und moralisch-öffentlichen Prozessen besteht für weitere Diskussionen innerhalb der Zivilgesellschaftsdebatte sicherlich Vertiefungsbedarf. Näher beleuchtet werden müßte das Verhältnis einer aus dem Globalisierungsprozeß hervorgehenden „kosmopolitische(n) Zwangssolidarisierung“ (Habermas 1998a) zu den Anforderungen einer weltweiten moralischen Gemeinschaft. Die in Anlehnung an diskurstheoretischen Annahmen stark gemachte Begriffsstrategie einer deutlicheren Unterscheidung von politischer, ethnischer und moralischer Gemeinschaft, die Universalismus und Partikularismus zu vereinbaren sucht (Baynes 1996: 340), wird im Zuge der Globalisierung durch eine denknotwendige Kongruenz der politischen mit der moralischen Gemeinschaft verkompliziert. Um den skeptischen Einwänden gegenüber einer solchen kosmopolitischen Orientierung zu begegnen, setzen universalistisch argumentierende Autoren verstärkt auf Zwischenschritte eines in Weltregionen verortbaren Prozesses politischer wie moralischer Integration. Zu der Diskussion vermittelnder Zwischenschritte einer europäischen Zivilgesellschaft auch in Reaktion auf diese Problematik siehe Kapitel 5.3.

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  12. Bohmann verweist in diesem Zusammenhang auf mehrere Beispiele — etwa das Ideal des konfuzianischen Gelehrten im spätimperialen China, die Rolle religiöser gegenüber politischen Autoritäten im Islam oder auch die im Anpassungsprozeß des islamischen Rechts an die Besonderheiten der indonesischen Kultur hervortretenden Spielräume öffentlicher Kritik.

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  13. Daß als ein Zwischenschritt auch der gegenteilige Effekt auftritt, betont dagegen Axel Honneth: „(D)er massive Anstieg von Bürgerkriegen und gewaltsamen Spannungen in vielen Regionen der Welt ist... die Folge der Wertkonflikte und Interessengegensätze, die heute mit dem rapiden Machtzuwachs der zivilen Gesellschaft zum erstenmal überhaupt in Erscheinung treten“. Dieser Vorgang, so betont Honneth, kann durchaus mit der Perspektive eines durch weltweite Demokratisierungsprozesse beförderten Lernprozesses „in der Autonomie des Menschen“ in Einklang gebracht werden (Honneth 1996: 284f.). Daß sich Kulturen im Prozeß ihres Reflexivwerdens ändern, ist die andere Seite dieser Entwicklung. Sie verstärkt jenseits einer Konvergenzthese der Kulturen das Interesse an der um das Stichwort der „posttraditionalen Gemeinschaft“ kreisenden Diskussion (Honneth 1994: 19 und 28).

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  14. Hier rückt in Verbindung mit nicht-argumentativen, appellativen und rituellen Kommunikationsprozessen die ästhetisch-expressive Dimension sozialen Handelns erneut in den Vordergrund, die uns bei der Erörterung zivilgesellschaftlicher Identitätspolitik unter dem Stichwort der Politik der Lebensstile ja bereits begegnet ist (Kapitel 4.3.). Die Massenmedien müssen, dies ist eine erste sich aufdrängende (in der Jugendkulturforschung ja schon lange grundlegende) Schlußfolgerung, als eigenständige und ein-flußreiche Faktoren einer Identitätspolitik betrachtet werden, die, indem sie die Grenzen von Lebensstilen ebenso wie die von räumlich abgegrenzten Territorien transzen-dieren, Rückwirkungen auf Vergemeinschaftungsprozesse haben. Für die Diskussion internationaler Zivilgesellschaft ist die Relevanz der von Baringhorst thematisierten Zusammenhänge in Verbindung mit den Konzepten von Weltgemeinschaft und Weltöffentlichkeit offensichtlich. Für die Autorin ist „die massenmediale Durchdringung des politischen Raumes... die zentrale Ursache der fortschreitenden Intimisierung und Moralisierung politischer Kommunikation“ (ebd.: 300).

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  15. Christian Lahusen, der internationale Kampagnen von Greenpeace und Amnesty International analysiert hat, hebt hervor, daß diese „die Relevanz lokaler und regionaler Themen durch einen Diskurs über die universelle Gültigkeit von Gleichheit, Gerechtigkeit und Wohlfahrt etablieren. Themen werden miteinander verwoben und dieser global-lokale Brückenschlag wird durch universelle Moralstandards etabliert, um deren Gültigkeit es Bewegungsakteuren geht“ (Lahusen 1996b: 43).

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  16. Siehe Kapitel 4.4.2.

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  17. Birgit Sauer plädiert daher für eine Politologie der Gefühle; Roland Roth erinnert daran, daß eine rationalistisch und kognitivistisch verengte Bewegungsforschung die Rolle von emotionaler Zuspitzung, intensiven Gefühlen, neuen Bindungsenergien und Aufmerksamkeiten allzu schnell ausblendet: „Soziale Bewegungen enthalten immer auch Elemente einer emotionalen Befreiungspraxis, wobei die Entfaltung von Solidaritäten unter sich zuvor gleichgültig gegenüberstehenden Menschen wohl die wichtigste Produktivkraft darstellt“ (Roth 1999a: 15, Zitat nach Manuskript). Zu der Debatte insgesamt vgl. die Beiträge in Klein/Nullmeier 1999.

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  18. Miriam Meckel kommt in ihrer Analyse „Kommunikative Identität und Weltöffentlichkeit“ zu einer optimistischen Einschätzung der Veränderungspotentiale der internationalen Medienöffentlichkeit: „Medienkommunikation stellt ... eine ‚Schnittstelle‘ zwischen ‚Weltgesellschaft‘ und ‚Weltgemeinschaft‘ her, die allerdings nur sporadisch aktiviert werden kann. In solchen Augenblicken konstruieren die Medien Momente ‚kommunikativer Identität‘, aktivieren Weltöffentlichkeit als einen ereignisbezogenen globalen ‚Verständigungsprozeß der Gesellschaft über sich selbst‘, der Konsequenzen für die Strukturen der faktischen Weltgesellschaft zeitigt und damit systemübergreifende Auswirkungen mit sich bringt. ... Medien können im und durch den Globalisierungsprozess Weltöffentlichkeit generieren, indem sie Augenblicke ‚kommunikativer Identität‘ konstruieren, die Handlungsrelevanz haben und damit auch längerfristig zu Veränderungen führen, zum Beispiel im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie“ (Meckel 1998: 372).

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  19. Allerdings wird im globalen Kontext die Rolle von politischen Eliten, Medienöffentlichkeit und wissenschaftlichen Expertengruppen neben der von NGOs, sozialen Bewegungen und Interessengruppen hervorgehoben (vgl. Richter 1997: 194). Die generellen Unklarheiten, welche Akteure der Zivilgesellschaft im nationalen Rahmen zuzurechnen sind, setzen sich in der Diskussion über die internationale Zivilgesellschaft fort.

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  20. Diesen Einwand gegen einen akteursbezogenen Reduktionismus in der Zivilgesellschaftsdebatte einerseits, unscharfe Sammelbegriffe zivilgesellschaftlicher Akteure andererseits greife ich in Teil 2 der Darstellung unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten erneut auf. 22 Ich greife hier vor allem auf die Diskussionen der Themenhefts “Soziale Bewegungen und Nicht-Regierungsorganisationen“ des Forschungsjournals Neue Soziale Bewegungen (1996, Heft 2) zurück. Passagenweise deckt sich der Text mit der Darstellung in Ronde/ Klein 1996.

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  21. Eine solche Einteilung ist freilich nicht Gegenstand meiner weiteren Überlegungen.

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  22. Mit Blick auf advokatorische NGOs im Bereich der Menschenrechtspolitik stellt Hans Peter Schmitz fest: „Der direkte Einfluß von NRO ist jeweils bei der Agendasetzung am größten, während sie als Organisationen weitgehend bei Prozessen der Entscheidungsfindung und Implementation ausgeschlossen bleiben“ (Schmitz 1997: 29; so auch Nölke 1997b: 88).

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  23. Neuere Studien zu NGOs (Nölke 1997a und 1997b) arbeiten etwa mit dem von Thomas Risse-Kappen entwickelten „domestic structure“-Modell (Risse-Kappen 1995: 14ff.), das Staat, Zivilgesellschaft und die Politiknetzwerke unterscheidet, die den intermediären Raum ausfüllen. In diesem Rahmen werden dann Fragen politischer Chancenstruktur oder auch der kulturellen wie interessenbezogenen Polarisierung innerhalb der Zivilgesellschaft sowie die Struktur intermediärer Politiknetzwerke erörtert. Diese Faktoren bieten die Grundlage der Erklärung des Einflusses von NGOs auf politische Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse. Das Vorgehen deckt sich weitgehend mit dem analytischen Instrumentarium der Bewegungsforschung.

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  24. Kettner führt die Entwicklung internationaler NROs auf drei vorhergehende Phasen zurück: Waren es im ausgehenden 19. Jahrhundert die Gewerkschaften, die Unzufriedenheiten bezüglich des Mangels an demokratischer Partizipation artikulierten, übernahmen diese Funktion im 20. Jahrhundert zunächst die Bürgerbewegungen “alten Stils“, seit den 70er Jahren die neuen sozialen Bewegungen und heute in internationalem Maßstab Nicht-Regierungsorganisationen (Kettner 1995).

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  25. Marianne Beisheim und Michael Zürn, deren Begriffsverwendung ich mich hier anschließe, bevorzugen gegenüber dem von Dieter Rucht an dieser Stelle verwandten Begriff der multinationalen Bewegungsorganisation den in den Diskussionen der internationalen Politik eingeführten Begriff der „transnationalen Nicht-Regierungsorganisationen“. Aus ihrer Sicht kommt es vor allem darauf an, daß die Akteure sich öffentlichen Themen zuwenden und diese in einem transnationalen Rahmen bearbeiten, nicht aber darauf, daß diese NGOs in mehreren nationalstaatlichen Arenen vertreten sind (Beis-heim/Zürn 1999). Doch auch diese Autoren sehen den Bezug zu sozialen Bewegungen und räumen die Bedeutung der Protestmobilisierung auch im nationalstaatlichen Rahmen für die „transnationalen Nicht-Regierungsorganisationen“ ein.

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  26. John S. Dryzek hebt aus der Perspektive einer deliberativen Demokratietheorie die Bedeutung der Netzwerke von NGOs für eine demokratische Kontrolle des internationalen Systems hervor. „Here, the role played by international civil society is crucial; I have argued that the network form in particular plays a key part in establishing deliberative democratic control over the terms of political discourse and so the operation of governance in the international system“ (Dryzek 1999: 48). Angesichts der Bedeutung der ökonomischen Globalisierung gilt für ihn allerdings: „The prospects for democracy are positive to the extent that discoursive processes involving transnational civil society can make themselves felt in reflexive reconstruction of the international political economy“ (ebd.: 49).

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  27. Ein anderer Unterscheidungsversuch zwischen NGOs und sozialen Bewegungen findet sich bei Demirovic (1997c: 272).

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  28. Gerade die NGOs gehören — was aufgrund der technischen Adäquanz des Mediums mit transnationalen Bedürfnissen dieses Nutzerkreises zusammenhängt — zu den Nutzern des Internets. Für sie trifft Claus Leggewies Kritik, „daß die seit den 60er Jahren gewachsene Bewegungsszene sich den neuen Medien gegenüber eher indifferent verhält“ (1997: 21), sicherlich nicht zu. Vor unkritischer Interneteuphorie ist jedoch ebenso zu warnen (Buchstein 1996) wie vor dem Verzicht medienpolitischer Einfluß-nahme auf die Ausgestaltung wie Sicherung des partizipatorisch-deliberativen Potentials der neuen Medien (Leggewie 1997). Insgesamt kommt in auf Deliberation zielenden Konzeptionen der Zivilgesellschaft einer demokratischen Medienpolitik auch im nationalen Rahmen — wegen ihrer Folgen für Zusammenhänge globaler massenmedialer Öffentlichkeit — eine große Bedeutung zu (Keane 1991).

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  29. Aus einer politökonomischen Perspektive weist Nölke unter Bezug auf Arbeiten von Elsenhans darauf hin, daß nicht-marktförmig organisierte Gesellschaften der Dritten Welt — mit einem großen Einfluß des Staates und administrativ abgeschöpfter Renten — die Entwicklung einer unabhängigen Zivilgesellschaft nicht zulassen, zugleich aber hier unter günstigen Bedingungen ein größerer Einfluß transnationaler NGOs möglich ist (Nölke 1997a: 16f.). Es gilt also durchaus sehr unterschiedlich denkbare Relationen von NGOs und Zivilgesellschaft zu berücksichtigen.

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  30. Die Netzwerkbildung innerhalb der NGOs ist eine unaufhaltsame und politisch wohl auch notwendige Entwicklung. Die genannten Netzwerkverbünde von NGOs waren gemeinsam beteiligt an den deutschen Vorbereitungen für das „Millenium-Forum“ der Zivilgesellschaft, das die Vereinten Nationen vom 22.–26. Mai 2000 in New York unter Beteiligung von mehr als 1300 NGO-Vertretern aus 106 Staaten durchführten. Sie übergaben Ende April dem Generalsekretär Kofi Annan einen Katalog mit „22 zentralen Forderungen“. Die New Yorker Tagung endete mit einer Anregung zur Schaffung eines ständigen „Globalen Forums der Zivilgesellschaft“.

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  31. Die Diskussion über die Institutionalisierung sozialer Bewegungen (Roth 1994) hat künftig eine Arbeitsteilung zwischen transnationalen und nationalen Bewegungsorganisationen und das Zusammenspiel von Lobby- und Mobilisierungssegmenten des Bewegungssektors stärker zu berücksichtigen. Thematisierungsleistungen und Lobbyarbeit unter den Bedingungen weitgehender arbeitsteiliger Ausdifferenzierung von transnationalen, nationalen und regionalen Bewegungsorganisationen müßten als Formen des stellvertretenden Handelns in ihren Auswirkungen für Mobilisierungsprozesse innerhalb eines institutionalisierten Bewegungssektors eingehender untersucht werden. Nicht nur ließe sich der Institutionalisierungsprozeß sozialer Bewegungen dann aus einer kulturalistisch orientierten zivilgesellschaftlichen Sicht (Melucci u.a.) als eine Abfolge von Phasen der Latenz und des manifesten politischen Protestes unterscheiden, wobei in den Latenzphasen eine Politik der Lebensstile in Führung geht (Ritter 1997), sondern es wären auch die Effekte einer responsiven oder abgekoppelten Form der Stellvertreterpolitik im Bewegungssektor auf die Mobilisierungsdynamik von Bewegungsnetzwerken eingehender zu beleuchten.

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  32. Doch auch die politische Elite ist Wandlungsprozessen unterworfen. Dies zeigt sich insbesondere mit Blick auf die Europäische Union: „Die Kontexte haben sich aufgelöst: tentorial begrenzte und ausgegrenzte politische Einheiten sind zumindest im Europa der EU durchbrochen und vielfältig gegliedert. Nicht mehr steht dem Block der Herrschenden ein Block der Beherrschten gegenüber, vielmehr kann man von differenzierten Elitennetzwerken, von Kritikern als Elitenkartelle oder als »politische Klasse‘ apostrophiert, sprechen, und in den ‚Block‘ der Beherrschten schiebt sich eine Zivilgesellschaft. Die Veränderungen im internationalen Kontext haben zu einem Mehrebenensystem geführt, es ist zur Durchdringung gesellschaftlicher und staatlicher Bereiche gekommen; die Eliten bilden kein arcanum imperii im Sinne hermetisch abgeschlossener Blöcke; statt einer homogenen Schicht von sich abkapselnden Eliten sind Eliten unterschiedlicher Herkunft und Orientierung hinzugekommen, ein Netzwerk mit polyarchischeStrukturen hat sich gebildet. In einem solchen Rahmenbezug stellen sich die Fragen der politischen Legitimation vollkommen neu“ (Pfetsch 1999: 516).

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  33. Die Diskussionen über die Fortentwicklung einer demokratischen Europäischen Union haben mit der programmatischen Rede von Außenminister Fischer (2000) einen neuen Schub bekommen. Doch es besteht kein Grund für eine zivilgesellschaftliche Euphorie: „Die Agenda steht seit langem fest: Dezentralisierung und Demokratisierung mit dem Ziel der Entstehung einer europäischen, nationalstaatlich und regional differenzierten Zivilgesellschaft. Dabei muß das im Vetrag von Maastricht festgeschriebene, im Vertrag von Amsterdam bestätigte Prinzip der Subsidiarität in den Mittelpunkt institutioneller Bemühungen rücken und nicht subtile Reformen hinter den verschlossenen Türen von Regierungskonferenzen. Ein bisschen Nachdruck könnte nicht schaden. Warum sucht man jene Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), die inzwischen auf globaler Ebene (Seattle, Washington) ihre Stimme erheben, um auf Fehlentwicklungen hinzuweisen, in Europa vergeblich“ (Ziebura 2000) ? Emanuel Richters Konzeption eines „republikanischen Europa“ spürt in ähnlicher Fragerichtung die Ansatzpunkte und Entfaltungsmöglichkeiten einer europäischen Zivilgesellschaft im Rahmen der Europäischen Union auf. Das republikanische Europa löst sich von der bislang dominierenden einseitigen Selbstverpflichtung zur marktwirtschaftlichen Effizienz. Es birgt in seiner Konsequenz eine drastische Verlangsamung der Integrationsdynamik, gewinnt demgegenüber aber „Entfaltung von ‚Einheit‘ im Sinne der vereinheitlichten diskursiven Verständigung über die Notwendigkeiten der Politikgestaltung ... Republikanische ‚Einheit‘ ergibt sich auf der Basis eines einheitlichen Zugangs zu den Erfordernissen der Politikgestaltung, nämlich nach den Maßstäben der zivilgesellschaftlichen Selbstorganisationsfähigkeit, der egalitär erweiterten Ermöglichung von Interaktion in politischen Diskursen, und der demokratischen Ermunterung zur Partizipation. Damit ist zwar kein unmittelbar greifbares Organisationsmodell entwickelt, aber es wird eine normativ komplexe Handlungsorientierung veranschaulicht, die zu einem Reformmodell für die Institutionen und Steuerungsprozesse in der Europäischen Union konkretisiert werden kann“ (Richter 1999: 223). Deutlich wird in seinem Konzept das Spannungsverhältnis republikanischer Gesichtspunkte von „Fortschritt“ und entsprechend strukturierter demokratischer Diskurse zu den Anforderungen marktwirtschaftlicher Integration und steuerungspolitischer Effizienz. Dieses Spannungsfeld sucht die Konzeption von Rainer Schmalz-Bruns, auf die ich mich in meiner Darstellung stütze, stärker zu berücksichtigen. Beide Ansätze betonen freilich die Notwendigkeit einer institutionenpolitischen Förderung des zivilgesellschaftlichen Reproduktionszusammenhangs.

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  34. Schmalz-Bruns bezieht in diese Kritik auch starke Fassungen des kommunitaristi-schen Gemeinschaftsverständnisses ein, die nicht — wie etwa Michael Walzer — eine starke interne Differenzierung und Tiefenstaffelung im Sinne einer zivilgesellschaftlichen „Asso-ziation von Assoziationen“ vorsehen.

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  35. Im europäischen Rahmen zielt die „nachholende Vergemeinschaftung“ auf die Umrisse einer postnationalen Bürgeridentität. Gerard Delanty hat für die derzeitige Diskussion über europäische Identität und einen postnationalen Bürgerbegriff darauf hingewiesen, daß ein solcher Begriff weder als bloße Ausweitung eines Konzeptes nationaler Bürgerschaft verstanden werden, noch auf einer Vorstellung der kulturellen Eigenheiten Europas beruhen sollte. Vielmehr müßte er sich auf eine Ausweitung institutionell vermittelter Partizipation stützen. „I would like to suggest that the most important dimension to this will not consist in strengthening the ties between individual citizens and the institutions of the European Union, such as the European Parliament. Of greater importance will be the institutionalization of links between the regional authorities of the member states and the Union, on the one hand, and on the other the opening of the Union to social movements“ (Delanty 1997: 299). Die von ihm ins Auge gefaßte Bezugsgröße ist eine Form postnationaler Vergemeinschaftung, die sich auf responsive Institutionen und demokratische Beteiligung stützt. Diesen Gedanken expliziert Schmalz-Bruns in seinen Überlegungen.

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  36. Geht man wie Schmalz-Bruns von der „wechselseitigen Verschränkung von Prozessen der Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung“ (Schmalz-Bruns 1997: 77) aus, dann können die Prozesse einer an Rechtsgleichheit, individueller Autonomie und kultureller Freiheit orientierten politischen Vergemeinschaftung und einer prozedura-lisierten demokratischen Selbstbestimmung als eine Relation gegenseitiger Stabilisierung und Vertiefung begriffen werden. Bei einer institutionenpolitisch abzusichernden Öffnung des demokratischen EntScheidungsprozesses für Formen „der horizontalen Selbstkoordination gesellschaftlicher Akteure in Verhandlungssystemen, Netzwerken o.a.“ wird die Ausbildung einer reflexiven „Präferenzenkompetenz“ der Bürger in zivilgesellschaftlichen Assoziationsverhältnissen zur Zielgröße einer an Fragen der Legitimitätssteigerung orientierten Politik. Für eine solche Politik schließen sich politische Vergemeinschaftung und kognitive Lernprozesse nicht aus. Von hier aus ist dann auch eine Ausweitung und Stabilisierung politischer Vergemeinschaftung in Europa durch eine Öffnung demokratischer Verfahren für Akteure einer europäischen Zivilgesellschaft vorstellbar. Das Zivilitätsverständnis deliberativer Demokratie unterscheidet sich von einer bloßen Laissez-Faire-Toleranz ebenso wie von einer ethischen Engführung politischer Gemeinschaft (ebd.: 75).

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  37. Ansätze der Zusammenarbeit europäischer Institutionen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren zeichnen sich bereits ab. Dies gilt, eine wenig überraschende Tatsache, insbesondere für die Europäische Kommission, die damit ihren Spielraum gegenüber den nationalen Regierungen erweitern möchte. Am Beispiel der europäischen Kampagne gegen den Rassismus, so Hans-Jörg Trenz, wird dies deutlich: „Institutionelle Akteure wie die Kommission steigen als Initiatoren der Kampagne selbst ins Feld und bedienen sich der Bewegungskultur und den von ihr präferierten spontanen Aktionsformen, um eine autonome, die nationalen Arenen übergreifende Infrastruktur für die Mobilisierung zivilgesellschaftlichen Protestes im europäischen Rahmen aufzubauen. ... Je fester bislang nicht kooperierende Akteure in die institutionellen Arenen des europäischen Regierungssystems eingebunden werden, desto eher sind sie auch motiviert, transnationale Netzwerke auszubilden“ (Trenz 1999: 81 und 83).

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  38. Hier darf nicht übersehen werden, daß dieser Bedeutungszuwachs für Interessenvertreter der Privatwirtschaft in weitaus stärkerem Maße gilt als etwa für Bewegungsorganisationen. Dies ist das Ergebnis einer Analyse, die Dieter Rucht für die Arbeit von Umweltverbänden in Brüssel durchgeführt hat (Rucht 1993).

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Klein, A. (2001). Die internationale Zivilgesellschaft. In: Der Diskurs der Zivilgesellschaft. Bürgerschaftliches Engagement und Nonprofit-Sektor, vol 4. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09597-2_5

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