Zusammenfassung
Mitte der siebziger Jahre begannen sich ökonomische, soziale und politische „Umweltbedingungen“ zu verändern, die in den ersten drei Jahrzehnten der Nachkriegsprosperität die Grundlage erfolgreichen sozialdemokratischen Regierungshandelns gebildet hatten. Dies löste nur wenig später eine lange Welle sozialwissenschaftlicher Prosperität aus. Die aus ihr hervorgegangenen Analysen diagnostizierten aus der Veränderung der sozioökonomischen Handlungskontexte „die“ Krise der Sozialdemokratie, prophezeiten ihren unaufhaltsamen Niedergang oder sagten schlicht ihr Ende voraus1.
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Anmerkungen
Vgl. u. a. Christine Buci-Glucksmann und Göran Therborn, Der sozialdemokratische Staat, Hamburg 1982; Ralf Dahrendorf, Life Chances: Approaches to Social and Political Theory, London 1980; ders., Fragmente eines neuen Liberalismus, Stuttgart 1987; ders., Tertium Non Datur: A Comment on the Andrew Shonfield Lectures, in: Government and Opposition, 24 (1989), S. 131–141; Claus Offe, Contradictions of the Welfare State, Cambridge 1984; Adam Przeworski, Capitalism and Social Democracy, Cambridge 1985; Adam Przeworski und John Sprague, Paper Stones. A History of Electoral Socialism, Chicago 1986; William E. Paterson und Alistair H. Thomas (Hrsg.), The Future of Social Democracy: Problems and Prospects of Social Democratic Parties in Western Europe, Oxford 1986; Ralph Miliband, Marcel Liebman und Leo Panitch, Socialist Register 1985/86, London 1986; Donald Share, Socialists as Neoliberals, in: Socialist Review, 18/1 (1988), S. 38–67; Paolo Flores d’Arcais, Die europäische Sozialdemokratie — eine Kraft der Vergangenheit, in: Frankfurter Rundschau 13. 06. 1992.
Klaus Armingeon, Sozialdemokratie am Ende? Die Entwicklung der Macht sozialdemokratischer Parteien im internationalen Vergleich 1945–1988, in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft,18 (1989), S. 321–345.
Wolfgang Merkel, Niedergang der Sozialdemokratie? Sozialdemokratische und sozialistische Regierungspolitik im westeuropäischen Vergleich, in: Leviathan, 18 (1990), S. 106133.; ders., After the Golden Age: Is Social Democracy Doomed to Decline? in: Christiane Lemke und Gary Marks (Hrsg.), The Crisis of Socialism in Europe, Durham 1992, S. 136170; ders., Ende der Sozialdemokratie? Machtressourcen und Regierungspolitik im westeuropäischen Vergleich, Frankfurt 1993; ders. (Hrsg.), Entre la modernidad y el postmaterialismo. La socialdemocracia europea a finales del siglo XX, Madrid 1994.
Perry Anderson, Introduction, in: Perry Anderson und Patrick Camiller (Hrsg.), Mapping the West Euopean Left, London 1994, S. 5ff.; Heinz Bude, Die Wiederkehr der Sozialdemokratie, in: Merkur, 48 (1994), S. 516–523; Christian Fenner, Das Ende der Sozialdemokratie — beschleunigt durch die Einigung „1989“? in: Comparative Politics, 27 (1994), S. 62fí; Herbert Kitschelt, The Transformation of European Social Democracy, Cambridge 1994.
Merkel, Ende der Sozialdemokratie a.a.O., S. 53f.
Diese „eigentlichen“ Ziele wurden je nach ideologischer Verortung in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts (Marxisten, Anarchisten) oder zu Beginn des 20.Jahrhunderts (Leninisten) festgelegt, eingefroren und für sakrosankt erklärt.
Vgl. Przeworski a.a.O., S. 3.
Ungeachtet ihrer eigenen Bezeichnung werden hier die Mitgliedsparteien der II. Internationale als „sozialdemokratisch“ bezeichnet. Auch für die Periode nach 1914/18 gebrauche ich sozialdemokratisch und sozialistisch bei der Kennzeichnung der Parteien synonym.
Vgl. Anton Pelinka, Sozialdemokratie in Europa, Wien 1980.
Vgl. Herbert Tingsten, The Swedish Social Democrats: Their Ideological Development, Totowa 1973.
Friedrich Engels, Einleitung zu Karl Marx „Klassenkämpfe in Frankreich 1848 bis 1850“, in: Marx-Engels-Werke (MEW), Bd. 22, S. 509–527.
Natürlich spielte hierfür auch die vergleichsweise deutlich geringere Industrialisierung und Kapitalisierung der südeuropäischen Volkswirtschaften eine wichtige Rolle.
Vgl. Przeworski und Sprague a.a.O..
Vgl. Przeworski a.a.O., S. 18f..
ebenda, S. 12.
Pelinka a.a.O., S. 30.
ebenda.
Diese notwendigen Kompromisse zwischen „Regierangs-und Oppositionssozialisten“ zur Vermeidung von Parteispaltungen, Faktionierungen und Semiloyalitäten innerhalb der Parteiorganisation decken sich nicht mit jenen trade-offs zwischen elektoralen „working class strategies” und „supra class strategies“, mit denen sich nach Przeworski alle stimmenmaximierenden Parteiführungen der Sozialdemokratie von Anfang an konfrontiert sahen.
Die Nationalisierungs-bzw. Sozialisierungsforderung hatte mit Ausnahme Schwedens zwar höchste programmatische Priorität in den sozialdemokratischen Parteien der Zwischenkriegszeit, doch mit Ausnahme geringfügiger Verstaatlichungen in Finnland sowie der französischen Rüstungsindustrien unter der Volksfront Leon Slums in Frankreich vermochten die sozialdemokratischen Regierungen in der Zwischenkriegszeit keine nennenswerten Nationalisierungen durchzusetzen. Vgl. Merkel, Ende der Sozialdemokratie,a.a.O., S. 123ff.
Vgl. Przeworski a.a.O., S. 35.
Vgl. Francois Bedarida, Der Sozialismus in Großbritannien von 1918 — 1945, in: Jacques Droz (Hrsg.), Geschichte des Sozialismus Bd. XI, Berlin 1977, S. 41.
Vgl. Bernd Hennigsen, Der Wohlfahrtsstaat Schweden, Baden-Baden 1986, S. 154ff.; Jukka Pekkarinen, Keynesianism and the Scandinavian Models of Economic Policy, in: Peter Hall (Hrsg.), The Political Power of Economic Ideas: Keynesianism Across Nations, Princeton 1989, S. 311; Przeworski a.a.O., S. 36.
So sind die wirtschaftspolitischen Rezepte antizyklischer Staatstätigkeit keineswegs eine exklusiv-originäre Schöpfung von Keynes allein. Die Stockholmer Schule hat schon vor 1936 wesentliche Beiträge zu einer antizyklischen Wirtschaftspolitik geliefert. Sie muß gewissermaßen als „Miterfinder“ des Keynesianismus angesehen werden (Vgl. Bo Gustafsson, A Perennial of Doctrinal History: Keynes and the `Stockholm School”, in: Economy and History,16 (1973), S. 114–128). Ernst Wigfors, der bedeutenste Theoretiker der schwedischen Sozialdemokratie in diesem Jahrhundert, schrieb einleuchtend, daß „in den zwanziger Jahren die Luft gleichsam voll von staatsinterventionistischen Ideen war“ (zit. in Henningsen a.a.O., S. 157; vgl. auch Timothy Tilton, The Political Theory of Swedish Social Democrats,Oxford 1990, S. 39ff.).
Vgl. Gösta Esping-Andersen, Politics Against Markets, Princeton 1985; ders. und Walter Korpi, From Poor Relief to Institutional Welfare States: The Development of Scandinavian Policy, in: Robert Erikson, Erik J. Hansen, Stein Ringen und Hannu Uusitalo (Hrsg.), The Scandinavian Model. Welfare States and Welfare Research, New York 1987, S. 39–74.
Vgl. Merkel, Ende der Sozialdemokratie,a.a.O., S. 86ff.
Vgl. Anthony Crosland, The Future of Socialism, New York 1957.
Vgl. Gösta Esping-Andersen, The Three Worlds of Welfare Capitalism, Princeton 1990.
Vgl. Manfred G. Schmidt, Sozialpolitik. Historische Entwicklung und internationaler Vergleich, Opladen 1988.
Vgl. Przeworski a.a.O., S. 209.
Vgl. Rudolf Meidner und Anna I ledborg, Modell Schweden, Frankfurt 1984.
Vgl. Manfred G. Schmidt, Wohlfahrtsstaatliche Politik unter bürgerlichen und sozialdemokratischen Regierungen,Frankfurt 1982; Schmidt, Sozialpolitik,a.a.O.; Esping-Andersen, Politics against Markets,a.a.O.; Göran Therborn, Arbeitslosigkeit. Strategien und Politikansätze in den OECD-Ländern,Hamburg 1985; Fritz W. Scharpf, Sozialdemokratische Krisenpolitik in Europa,Frankfurt 1987; Hans Keman, The Development Toward Surplus Welfare: Social Democratic Politics and Policies in Advanced Capitalist Democracies (1965–1984),Leiden 1988; Merkel, Ende der Sozialdemokratie,a.a.O..
Vgl. Claus Offe, Fessel und Bremse: Moralische und institutionelle Aspekte „intelligenter Selbstbeschränkung“, in: Axel Honneth, Thomas McCarthy, Claus Offe und Albrecht Wellmer (Hrsg.), Zwischenbetrachtungen im Prozeß der Aufklärung, Frankfurt 1988, S. 771.
Vgl. Wolfgang Merkel, Machtressourcen, Handlungsrestriktionen und Strategiewahl. Die Logik sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik, in: Politische Vierteljahresschrift,34 (1993), S. 21.
Allerdings weisen Qualität, Umfang und Struktur dieser Sozialversicherungssysteme, je nachdem, ob sic weitgehend nach dem konservativ-bismarckianischen Sozialversicherungs-oder dem sozialdemokratisch-universalistischen Prinzip aufgebaut waren, deutliche Unterschiede auf (vgl. Schmidt, Sozialpolitik,a.a.O.; Esping-Andersen, Three Worlds,a.a.O.).
Die von Dahrendorf gewählte Bezeichnung des 20. Jahrhunderts als „sozialdemokratisch“ ist freilich irreführend. Das 20. Jahrhundert war viel stärker von den autoritären und totalitären Ideologien und I lerrschaftssystemen des Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus als gerade vom Gedankengut und der Politikgestaltung der Sozialdemokratie geprägt.
Vgl. Kitschelt a.a.O., S. 298.
Vgl. Fritz W. Scharpf, Die Handlungsfähigkeit des Staates am Ende des 20. Jahrhunderts, in: Politische Vierteljahresschrift, 35 (1994), S. 62I-634.
Vgl. Bude a.a.O., S. 522.
Vgl. Egon Matzner, Policies, Institutions, and Employment Performance, in: Egon Matzner und Wolfgang Streeck (Hrsg.), Beyond Keynesianism. The Socioeconomics of Production and Full Employment, Aldershot 1991, S. 240.
Vgl. Matzner und Streeck a.a.O., S. 9, 13.
Vgl. Hansjörg Herr, External Constraints on Fiscal Policies: An International Comparison, in: Matzner und Streeck, a.a.O., S. 161–182.
Vgl. Matzner und Streeck a.a.O., S. 9.
Vgl. Wolfgang Streeck, On the Institutional Conditions of Diversified Quality Productions, in: Matzner und Streeck a.a.O., S. 49.
Kitschelt a.a.O., S. 286.
Vgl. Anderson a.a.O., S. 13.
Vgl. Wolfgang Merkel, Pourgoi le socialisme n’éxiste-t-il pas en Europe du Sud? in: Mario Télo (Hrsg.), De la Nation à l’Europe. Paradoxes et Dilemmes de la Social-Democratie,Brüssel 1993, S. 238ff.
Für Frankreich und in noch stärkerem Maße Für Italien dagegen geht es nicht zu sehr um den Ausbau als um den Umbau des Sozialstaates. Während der französische Sozialstaat seinen bürokratischen Etatismus und seine überholte Prämierung der gesellschaftlichen Institution „Familie“ korrigieren muß, gilt es in Italien, den zum partikulären Selbstbedienungsladen degenerierten „stato assistenziale” auf universalistische Ziele und Strategien zu verpflichten.
Vgl. Fenner a.a.O., S. 70.
Vgl. Claus Offe, Der Tunnel am Ende des Lichts. Erkundungen der politischen Transformation im Neuen Osten, Frankfurt 1994, S. 119.
Vgl. Wolfgang Merkel, Restriktionen und Chancen demokratischer Konsolidierung in postkommunistischen Gesellschaften. Ostmitteleuropa im Vergleich, in: Berliner Journal für Soziologie,4 (1994), S. 479ff.
Vgl. Klaus von Beyme, Systemwechsel in Osteuropa, Frankfurt 1994, S. 283; Heinz Timmermann, Die KP-Nachfolgeparteien in Osteuropa: Aufschwung durch Anpassung an nationale Bedingungen und Aspirationen, in: Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien,31/1994, S. 20.
Vgl. Timmermann a.a.O., S. 3.
Vgl. John T. Ishiyama, Communist Parties in Transition, in: Comparative Politics,28 (1995), S. 155.
Vgl. Samuel Huntington, The Third Wave,Oklahoma 1991, S. 122ff.
Die Nachfolgeparteien des Bundes der Kommunisten Ex-Jugoslawiens sind hier ausgeklammert.
Vgl. Gerd Schienstock und Franz Traxler, Von der stalinistischen zur marktvermittelten Konvergenz? Zur Transformation der Struktur und Politik der Gewerkschaften in Osteuropa, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie,45 (1993), S. 484–506.
Vgl. Timmermann a.a.O., S. 5.
Vgl. Albert O. Hirschman, Engagement und Enttäuschung,Frankfurt 1984, S. 15. Hirschman selbst bezieht seine Beobachtung auf die endogenen Triebkräfte eines massenhaft auftretenden Präferenzwandels bei den einzelnen Bürgern.
Mit meiner Differenzierung der Zukunft der Sozialdemokratie in „Nord“, „Süd” und „Ost“ habe ich zu zeigen versucht, daß diese nicht nur von endogenen,sondern vor allem auch exogenen Faktoren getriebenen Pendelschläge keinem Rhythmus der Gleichzeitigkeit folgen, sondern ungleichzeitige Rhythmen aufweisen. Darüber hinaus ist natürlich auch der Radius der Pendelschläge von Region zu Region und von Land zu Land sehr unterschiedlich.
Vgl. Hirschman a.a.O., S. 148.
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Merkel, W. (1996). Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Sozialdemokratie. In: Borchert, J., Golsch, L., Jun, U., Lösche, P. (eds) Das sozialdemokratische Modell. Reihe Europa- und Nordamerika-Studien, vol 2. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09555-2_4
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