Das Paradox des Neuen Regionalismus in Europa Zwischen demokratischer Erneuerung und rechtspopulistischem Protest

Zusammenfassung

Seit über drei Jahrzehnten haben regionalistische Bewegungen unter recht unterschiedlichen politischen Vorzeichen die identitären Geltungs- und politischen Legitimationsansprüche europäischer Nationalstaaten in Frage gestellt. Die dominante, am wieder erstarkenden Regionalismus der siebziger Jahre geschulte Interpretation deutet sie als Ausdruck einer Rebellion gegen einen Nationalstaat, der mit einem geschichtlich wechselnden Grad an Repression den ihm einverleibten Völkern und Territorien wirtschaftliche, politische und kulturelle Selbstbestimmung versagt. Diese den wissenschaftlichen Diskurs noch immer prägende Wahrnehmung baut auf den — von Stein Rokkan und Derek Urwin (Rokkan/Urwin 1982, 1983) prominent vertretenen — Gedanken auf, dass der Regionalismus einen Cleavage verkörpert, der in Form des Centre-Periphery-Konüikts moderne Gesellschaften auf grundlegende Weise prägt. Als dessen wesentliche Triebkräfte werden die strukturelle Abhängigkeit von einem übermächtigen nationalen Zentrum und die Marginalisierung oder Kooptation regionaler Eliten ausgemacht.¹ Regionalismus wird hier im Kern als ein Aufbegehren gegen eine wirtschaftliche, politische und kulturelle Fremdbestimmung verstanden, gegen die der Gedanke eines ethnisch oder kulturell begründeten Gemeinschaftsglaubens mobilisiert wird.