Zusammenfassung
In unseren bisherigen Veröffentlichungen zum Thema »Publizisten nach 1945« (Möding/von Plato 1988, 1989a, 1989b; Möding 1990) haben wir den Nationalsozialismus (NS) als Vor-Geschichte der Nachkriegszeit und (der ersten) Bundesrepublik eher kurz thematisiert, so wichtig der NS uns als Basis seiner Folgezeiten auch ist. Auch um Wiederholungen zu vermeiden, möchte ich hier deshalb etwas ausführlicher auf die NS-Erfahrung von drei Personen eingehen, von denen eine (Jg. 1903) rassisch und einer (Jg. 1910) politisch verfolgt wurde, während der andere (Jg. 1921), ein junger NS-Begeisterter war. Alle waren publizistisch tätig. Ellen Vorwerk begann ihre Tätigkeit 1927 als eine der ersten Rundfunkmacherinnen in der Weimarer Zeit; Herbert Losekant machte zu Beginn der 1930er Jahre seine ersten Schreiberfahrungen bei einer kommunistisch orientierten Arbeitersportzeitschrift. Beide gehören zu den in unserer Befragtengruppe nicht eben zahlreichen rassisch beziehungsweise politisch Verfolgten, die in der NS-Zeit ihren Beruf nicht ausüben durften. Symptomatisch für die Gruppe der von uns befragten Publizisten ist demgegenüber: Die meisten, die wir befragten, jedenfalls die im »mittleren Glied«, gehörten zur »schweigenden Mehrheit«, die sich mit dem NS zu arrangieren wußte. Die Biographien von Ellen Vorwerk und Herbert Losekant sind ausgewählt worden, weil sie den Gegenpol zur dritten Biographie bilden. Anton Kraft war in der Hitler-Jugend (HJ) Bannführer und verdiente seine journalistischen Sporen als Jugendlicher gegen Ende der 1930er Jahre in einer HJ-Zeitung. Die Konfrontation der drei Lebensläufe soll die Frage beantworten helfen: Wie konnten Verfolgte und Gegner mit den Befürwortern des NS nach 1945 koexistieren, denn es ging ja recht schnell ohne größere Reibereien und Konflikte recht friedlich zu, und eventuell sogar zusammenarbeiten? (Eine Frage, die hier und heute vielleicht wieder aktuell ist, so sehr eine Gleichsetzung von NS und DDR, wie sie die Totalitarismus-Theorie-Debatte vornimmt, auch unstimmig ist.)
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Literatur
Möding, N., Plato, A. v. (1988): Journalisten in Nordrhein-Westfalen nach 1945. Skizzen aus einem lebensgeschichtlichen Forschungsprojekt. BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History, 2: 73–81.
Möding, N., Plato, A. v. (1989a): »Nachkriegspublizistik. Vorgeschichte und Lehren«. In: Alheit, Peter, und Erika M. Hoerning (Hg.), Biographisches Wissen, Beiträge zu einer Theorie lebensgeschichtlicher Erfahrung. Frankfurt am M.; New York: Campus, 38–69.
Möding, N., Plato, A. v. (1989b): Die Stunde Null der Medien? Kontinuität und Bruch in der Medienentwicklung nach 1945. Unsere Medien - unsere Republik, 1: 6 /7.
Möding, N. (1990): Nachkriegspublizisten und »68er-Bewegung«. »Als die ganze Redaktion aus Leuten bestand, die unbedingt die Welt verändern wollten, und ich gezwungen war, das zu verhindern«. Unsere Medien - unsere Republik, 5: 12 /13
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Möding, N. (1995). Menschliches, allzu Menschliches. Vom Zusammenleben von NS-Verfolgten und Ex-NS-Begeisterten in den Medien nach 1945. In: Fischer-Rosenthal, W., Alheit, P. (eds) Biographien in Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09434-0_11
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