Zusammenfassung
In der deutschen Familienforschung finden bis Ende der 80er Jahre weder Immigrantenfamilien als Teil der Bevölkerung noch Migration als Phänomen Zugang zum wissenschaftlichen Diskurs. Obwohl in den wissenschaftlichen Arbeiten der Nachkriegszeit zum Thema „Wandel der Familie“ der sozialkritische Ansatz und ab Mitte der 80er Jahre die Kategorie Ungleichheit Anwendung fanden (vgl. Nave-Herz 1988: 7f), kam es zu keiner Berücksichtigung der Immigrantenfamilien. Weder werden sie unter dem schichtspezifischen Aspekt als ungleiche Bevölkerungsgruppe abgehandelt, noch findet Migration als eine in den Wandlungsprozessen der Gesellschaft eine Rolle spielende eigene Kategorie Beachtung.
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Referenzen
6 Z.B. Abadan-Unat 1982; Holtbrügge 1975; Nauck 1985, 1987; Wilpert/Morokvasic 1983. Siehe vollständigkeitshalber die Auflistung von Nauck (Nauck 1988: 279).
7 Die „strukturelle Rücksichtlosigkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse gegenüber Familien“ (Peuckert 1999: 281ff), ob in bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (ebd.: 282), die Wohnsituation (ebd.: 288) oder die Betreuungseinrichtungen (ebd.: 288), betreffen Immigrantenfamilien besonders.
8 Huth-Hildebrandt konstatiert in Anlehnung an Treibel die Abhängigkeit der Forschung bei ihren „Theoriebildungsprozessen“ von der Entwicklung der offiziellen Politik, bzw. die Orientierung der Forschung an der staatlichen Migrationspolitik (Huth-Hildebrandt 1999).
9 D.h. Familien aus den Anwerbeländern, (Spät)Aussiedler- und Flüchtlingsfamilien. Als die vorliegende Arbeit Ende 2000 abgeschlossen wurde, war der 6. Familienbericht noch nicht veröffentlicht worden. Deshalb wurde auf dessen Inhalte hier nicht weiter eingegangen.
Eine der wenigen Projekte war das an der Universität Osnabrück 1991–1997 durchgeführte empirische Forschungsprojekt FAFRA: Familienorientierung, Frauenbild, Bildungs- und Berufsmotivation von eingewanderten Aussiedlerinnen und Frauen aus der Türkei sowie westdeutschen Frauen in interkulturell-vergleichender Perspektive (vgl. Gümen/Herwartz-Emden/Westphal 1994, Gümen 1996, Herwartz-Emden 1996, Gümen/Westphal 1996).
1 Benin Nakipoglu zeigt anschaulich, daß es keine effektiven Maßnahmen für den reibungslosen Zugang der Kinder und Jugendlichen in den Bildungsprozeß gab. Die Vorbereitungsklassen dienten im Endeffekt zur Entlastung der Schule und der Lehrerinnen und nicht zur besseren Eingliederung der Kinder, zumal diese entgegen der erklärten Absicht des schnellen Anschlusses in die Regelklasse über Jahre hinweg in den Vorbereitungsklassen saßen (vgl. Nakipoglu 1984).
Zahlreiche Studien wurden zum Thema (psychische und psychosomatische) Gesundheit insbesondere der Frauen durchgeführt (vgl. Brucks 1994), wobei oft kulturelle Dissonanzen im Vordergrund standen. Nur wenige berücksichtigten die strukturelle Benachteiligung als möglichen Grund für gesundheitliche Beeinträchtigung (z.B. Theilen 1984; Leyer 1986 n. Brucks 1995). Auch im Themenbereich Erziehung und frühkindliche Sozialisation gibt es wenig differenzierte Studien (z.B. Akkent/Bayram u.a. 1985).
Siehe nächsten Abschnitt „Frauen aus der Türkei in der Bundesrepublik“.
Ein treffendes Beispiel ist ein Buch (Geiersbach 1982), in dem eine von massiven Problemen und katastrophalen Verwicklungen geplagte Familie ohne nennenswerte positive Momente beschrieben wird. Angeblich habe die Familie ihre eigene Lebensgeschichte erzählt. Wie der Autor sie festgehalten hat, verrät er jedoch nicht. Er, ein Soziologe, sei mit einem streng wissenschaftlichen Forschungskonzept auf die Familie zugegangen. Das Konzept habe er dann zugunsten einer Erzählung nach der Erzähltechnik von Oscar Lewis aufgegeben. Das Buch spiegelt das eigene Befremden des Autors am deutlichsten wieder.
Das heißt, die Bedeutung der Benachteiligungsstrukturen, festgelegt jeweils formell im Ausländergesetz und Arbeitsrecht und informell in der ungleichen Verteilung von Ressourcen vor allem in den Bereichen Wohnen, Arbeit und Bildung wird nicht berücksichtigt.
Siehe nächsten Abschnitt „Frauen aus der Türkei in der Bundesrepublik“.
Thematisiert und analysiert werden dieses Konstrukt und seine Inhalte selten. Arbeiten, die sich mit Männern bzw. männlichen Jugendlichen befassen, bestätigen in der Regel die genannten Klischees, so z.B. Schiffauer (1983) und Heitmeyer/Müller/Schröder (1997), obwohl ihre Standorte und Absichten vermeintlich unterschiedlich sind. Dies liegt vermutlich daran, daß beide Autoren von der Gegensätzlichkeit der Deutschen und Türken ausgehen und sich ähnlicher Kategorien, Formeln und Bilder bedienen.
Z.B. Wolbert 1984; Akkent et al. 1985; Mihciyazgan 1986; Akkent/Franger 1987; Nauck 1985, 1987, 1988; Lutz 1991; Gümen et al. 1994; Gümen/Westphal 1996
Die Studie wurde in methodologischer und inhaltlicher Hinsicht ausführlich und kritisch von Ursula Apitzsch rezipiert (Apitzsch 1990: 89–100).
„The Polish Peasant in Europe and America“ von W. I. Thomas und F. Znaniecki 1958, das Original 1918–20 (vgl. Apitzsch 1994); siehe dazu auch Kapitel II Abschnitt 2.1.
In einer polemischen Auseinandersetzung mit der Konstruktion des Gegensätzlichen zwischen deutschen und türkischen Frauen erkennt Deniz Çamlikbeli in der Darstellung der Frauen aus der Türkei als ungebildet, unterdrückt, etc. durch die deutschen Professionellen den Wunsch der letzteren, von den eigenen Widersprüchen und Ungereimtheiten abzulenken, indem sie sich über „die Türkinnen“ stellten, sich selbst fortschrittlicher und besser und quasi als „Prototyp der Selbstbestimmung“ und „die Türkin“ als „Prototyp der Unterdrückung und des Leidens“ präsentierten (vgl. Çamlikbeli 1984).
Vgl. „Hessische Mädchenstudie“ herausgegeben 1987 von der Bevollmächtigten der Hessischen Landesregierung für Frauenangelegenheiten
Um diesem Versäumnis entgegen zu wirken organisierte Ayla Neusei 1989 ein bisher einmaliges Symposium mit türkischen Wissenschaftlerinnen, die mit Kenntnis der US-amerikanischen und europäischen Frauenforschung die Lage der Frauen in der Türkei in den 80er Jahren untersucht haben.
Siehe Fußnote 10.
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Gültekin, N. (2003). Frauen und Familien im Migrationskontext: Forschungsstand. In: Bildung, Autonomie, Tradition und Migration. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09419-7_2
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-3460-1
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