Zusammenfassung
In verschiedenen europäischen Ländern hat sich die Entwicklung von Bildungs- und Ausbildungssystemen historisch sehr unterschiedlich vollzogen. Die gegenwärtig vorfindbaren Systeme sind das Ergebnis historischer Prozesse der Institutionenbildung und Ausdruck gesellschaftlicher Interessenauseinandersetzungen, kultureller Bewertungen, Normen und Ideologien.1 Eine institutionengeschichtliche Betrachtung der Berufsausbildung eröffnet den Zugang zu den Besonderheiten des gegenwärtigen Systems. Vor dem Hintergrund bisheriger Entwicklungen und Modernisierungserfahrungen werden insbesondere die gegenwärtig diskutierten Probleme der Berufsausbildung besser verständlich.
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Literatur
Verschiedene Klassifikationsmodelle versuchen die jeweiligen Besonderheiten der unter-schiedlichen Berufsbildungssysteme und ihrer institutionellen Strukturen systematisch zu fassen (vgl. z.B. Hilbert et al. 1990; Maslankowski 1986; Hegelheimer 1988; Zedler 1988; Greinert 1995; Lauterbach et al. 1995; für einen Überblick auch Steinmann 1999 ).
Sie beruht auf zwei Traditionslinien im 18. Jahrhundert: Die allgemeinen Fortbildungsschulen stellten primär Alphabetisierungs-und Sozialisationseinrichtungen im Sinne des Katechismus für die Mehrheit der Bevölkerung dar. Die gewerblichen Fortbildungsschulen dienten in erster Linie der Handwerkerfortbildung (Harney 1980, 1990 ).
Sie kann als bildungs-und sozialpolitische Maßnahme zur Bewältigung der negativen Folgen der Industrialisierung interpretiert werden (Kell 1995).
Die Lehrlinge hatten bis zur Einführung der Schulpflicht 1905 ein Lehrgeld zu zahlen, danach wurde ihnen nach Akkord ein geringer Stundenlohn gezahlt.
Handwerksmäßigkeit stand gegen Modernisierung und Fortschritt, zünftiges Denken gegen das Interesse des Menschen und Burgers (…), Korporationsgeist (als Starrsinn beklagt) gegen privat zu bestimmende Aktivitäten“. ( Stratmann 1987: 272 )
Der DATSCH entwickelte die Lehrgänge in enger Kooperation mit den Industriebetrieben (Benner 1987; Hanf 1987) und konnte 1919 den ersten Lehrgang für Maschinenschlosser offiziell verkünden. Diesem folgten dann in den 20er Jahren weitere Lehrgänge für Modelltischler, Former, Mechaniker, Werkzeugmacher, Dreher. Für verwandte Berufe wurden darüber hinaus gemeinsame Grundlehrgänge entwickelt, die als Vorstufe der Entstehung von Stufenausbildungen nach dem 2. Weltkrieg betrachtet werden können (Greinen 1992a ).
Diese Forderung der Gewerkschaften nach einer einheitlichen und umfassenden gesetzlichen Regelung der Berufsausbildung begleitet die Entwicklung der Berufsausbildung in Deutschland bis zur Verabschiedung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) 1969.
Hierzu zählt die verbindliche Rahmengliederung und die reichseinheitliche Benennung der Lernbereiche Berufsschule, Berufsfach-und Fachschule sowie das Reichsschulpflichtgesetz von 1938, das die allgemeine Berufsschulpflicht verfügte und schulrechtlich das Modell der Pflicht-Berufsschule festlegte.
Der DATSCH wurde 1935 zum beratenden pädagogischen Organ des Reichswirtschaftsministeriums; 1939 erfolgte die Umwandlung in das `Reichsinstitut für Berufsbildung in Handel und Gewerbe’ (Hilbert et al. 1990).
Die bildungspolitischen Grundsatzdiskussionen und Reformmaßnahmen bspw. zur Durchsetzung von Chancengleichheit (Picht 1964; Dahrendorf 1965) wurden durch die Arbeiten zahlreicher Ausschüsse über das Bildungs-sowie das Berufsbildungssystem unterstützt. Von zentralem Stellenwert fur das Berufsbildungssystems war das Gutachten des Deutschen Ausschuß fur das Erziehungs-und Bildungswesen (DA) von 1964, in dem erstmals der Begriff des `Dualen Systems’ zur Kennzeichnung der gleichzeitigen Ausbildung in Betrieb und Schule verwendet wurde (Kell 1995 ). Für eine ausführliche Diskussion der Bildungsreformen sowie der erwarteten und unerwarteten Konsequenzen der Bildungsexpansion siehe von Friedeburg 1989, Müller 1998.
Einzig im Baugewerbe existiert eine Umlagefinanzierung für die Berufsausbildung, die schon sehr früh im Rahmen einer branchenspezifischen Sozialpolitik durch die bestehenden Sozialkassen eingeführt wurde (Johannson/Schuler 1994; Streeck 1983).
Als historische `Vorläufer’ der ÜBS werden häufig die betrieblichen industriellen Lehrwerkstätten betrachtet, die im 19. Jahrhundert zur systematischen Vermittlung von Lemprozessen gegenüber der bis dahin üblichen ‘En-passant-Lehre’ in einigen Fabriken eingerichtet wurden. Die Zahl der Lehrwerkstätten nahm in den 20er und 30er Jahren stark zu, und diese Entwicklung wurde in der Folge von den Nationalsozialisten sehr stark forciert. Im Handwerk können die berufsständischen Ergänzungswerkstätten, die entweder den Innungsfachschulen oder den Fortbildungsschulen angegliedert waren, als deren Vorläufer betrachtet werden. Einen vergleichbaren Bildungsauftrag hatten die Lehrbauhöfe und die Lehrbaustellen des Bauhauptgewerbes, die zur Zeit der Weimarer Republik entstanden.
Für einige Ausbildungsberufe sind überbetriebliche Ausbildungsphasen in den Ausbildungsordnungen verbindlich festgelegt, so in den Stufenkonzepten der Bauberufe, z.B. Steinmetz, Beton-und Stahlbetonbauer, Stukkateur. Einige Ausbildungsordnungen für landwirtschaftliche Berufe enthalten Empfehlungen für überbetriebliche Ausbildungsphasen, z.B. Gärtner, Winzer, Landwirt.
Sie sind allerdings in der Praxis von geringer Bedeutung, da gegenwärtig ca. 97% der Lehrlinge in den durch das BBiG anerkannten Ausbildungsberufen qualifiziert werden.
Gemeinsames Ergebnisprotokoll“ von 1972 zwischen der Bundesregierung und den Kultusministerien der Länder.
Die Appelle der Unternehmensverbände verliefen nach zwei unterschiedlichen Argumentationsmustern. Auf der einen Seite wurde im Rekurs auf Solidarnormen die Verpflichtung der Wirtschaft gegenüber der Jugend betont; auf der anderen Seite wurden immer an die einzelbetrieblichen Vorteile dieses privat-verbandlich gesteuerten Systems der dualen Berufsausbildung erinnert. Nach Hilbert et al. (1990) hat dieser Mix aus Mobilisierung von Solidamormen und Aufklärung über die eigenen Interessenlagen eine beachtliche Wirkung im Hinblick auf Steuerungskapazitäten zur Bereitstellung von Ausbildungsplätzen.
Zur quantitativen Entwicklung siehe im Detail Kap. 3 sowie Kap. 7.
Eine detaillierte Analyse der Entscheidungsfindungsprozesse findet sich in Streeck et al. 1987 sowie Klein/Schlösser 1994.
Dieser Qualifikationsbegriff beinhaltet die sogenannte Kompetenzen-Trias, die Vermittlung von Fachkompetenz, Methodenkompetenz und Sozialkompentenz oder - stärker gekoppelt an den Begriff `Qualifikation’ - Schlüsselqualifikationen, extrafunktionale Qualifikationen und Handlungskompetenz (Klein/Schlösser 1994; Koch/Reuling 1994 ).
Die Hauptakzente liegen in der Anwendung von integrativen Lehr-und Lernverfahren (Integration von Theorie und Praxis, ganzheitliche Lernkonzepte, interaktive Lemsysteme, Ausbildungsmethoden, die auf Simulation beruhen etc.) sowie in der Erweiterung des Lernspielraumes und der Eigeninitiative der Ausbilder (Koch/Reuling 1994 ).
Die Kehrseite dieser Medaille scheint zu sein, daß Reformen eher schwer und langsam umzusetzen sind. So argumentiert Heidenreich (1998), daß die erfolgreiche Institutionalisierung des dualen Systems im Zuge der Industrialisierung zu Beharrungstendenzen und,Verriegelungseffekten` geführt hat, die nun Reaktionen auf neue Erfordernisse einer wissensgeprägten Gesellschaft erschweren, wie bspw. flexible Regulationsformen, eine starke Dienstleistungs-und Innovationsorientierung u.ä.
Verschiedene Reformen übertbhrten das Technische Institut zuerst in eine Gewerbeakademie und schließlich 1871 in die Technische Hochschule, die Vorgängerin der heutigen Technischen Universität in Berlin.
Die Polytechnische Hochschule in München wurde im Jahre 1868 in die Technische Hochschule überführt.
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Steinmann, S. (2000). Die historische Entwicklung der institutionellen Rahmenbedingungen im deutschen Ausbildungssystem. In: Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarktchancen in Deutschland. Forschung Soziologie , vol 110. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09418-0_2
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