Zusammenfassung
Der Regierungswechsel von der sozial-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Helmut Schmidt zur christ-liberalen Koalition unter Bundeskanzler Helmut Kohl im Jahr 1982 folgte dem Anspruch, eine „geistig moralische Wende“ herbeizuführen. Aus dem Blickwinkel der Wirtschaftspolitik blieben zwar die Zielsetzungen unverändert an dem Gesetz für Stabilität und Wachstum aus dem Jahr 1967 orientiert. Wachstum, Geldwertstabilität, Vollbeschäftigung und außenwirtschaftliches Gleichgewicht waren in der sozial-wie der christ-liberalen Koalition die zentralen Anforderungen an die Gestaltung der ökonomischen Entwicklung. Gleichwohl bestand ein wesentlicher Unterschied darin, daß die neue Bundesregierung sich mit den wirtschaftspolitischen Instrumenten konsequenter an den marktorientierten Konzeptionen der wirtschaftspolitischen Beratungsinstanzen vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung über die wissenschaftlichen Beiräte der Ministerien bis zur Mehrzahl der großen Forschungsinstitute und wirtschaftspolitischen Institutionen wie der Bundesbank orientieren wollte. Während die sozial-liberalen Regierungen stärker auf die politische Steuerung der wirtschaftlichen Entwicklung setzten — von der Globalsteuerung über die regionale und sektorale Strukturpolitik —, setzte die christliberale Koalition damit stärker auf die Kräfte der Märkte. Inwieweit konnten die Konzepte beider Regierungen konsequent durchgehalten werden? Während die politischen Ambitionen der Regierungen Brandt und Schmidt insbesondere von den Ölkrisen eingeholt und das Vertrauen in die politische Steuerbarkeit der Ökonomie erheblich erschüttert wurden, ist das Verhältnis von Politik und Ökonomie der eher am Markt orientierten Regierung Kohl an wesentlichen Eckpunkten der Entwicklung der achtziger und neunziger Jahre zu bilanzieren. Im Ergebnis läßt sich festhalten, daß die Regierung Kohl in hohem Maße dadurch geprägt wurde, daß zwar Entscheidungen stark politisch motiviert waren, bei der Umsetzung aber dem freien Spiel des Marktes vertraut wurde. Die Setzung von Interventionen erfolgte auch in der Ära Kohl durch die Politik — die Anpassungsleistungen wurden aber, teils unter Inkaufnahme erheblicher Turbulenzen, den ökonomischen Akteuren überlassen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Adam, H., 1995, Wirtschaftspolitik und Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland, Leske+Budrich, Opladen
Berger, H., Knauth, P. Liberalisierung und Regulierung der Postmärkte. Ansatzpunkte für eine Neugestaltung der staatlichen Postpolitik, München, Wien, 1996
Bosch, G., 1997, Thesen zum Referat bei der IMB-Weltkonferenz über Arbeitszeit in Tokyo, 10/97
Bourdieu, P., 1996, Warnung vor dem Modell Tietmeyer. In: Die Zeit Nr. 45/1996
Bundesbank, 1997, Die Entwicklung der Staatsverschuldung seit der deutschen Vereinigung. In: Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, März, S. 17–32
Czada, R., 1998, Vereinigungskrise und Standortdebatte. In: Leviathan, März 1998, S. 2559
DIW, 1998, Die Lage der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft im Frühjahr 1998, Bund-Verlag, Düsseldorf, 20–21/1998, S. 325ff
Dohse, D., 1998, Die EWU-Beschäftigungsmotor oder Beschäftigungsrisiko? In: Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, Jg. 47/1998 Heft 1, S. 109–120
Gotta, F., 1997, In der Falle. In: Die Welt vom 19. März 1997
Handelsblatt, 1995, Die Dimensionen des Umwälzungsprozesses in Ostdeutschland wurden vielfach unterschätzt. Chancen zum Abbau von Verkrustungen, Nr. 191 vom 4. Oktober 1995, S. 12b
Heilemann, U., Rappen, H., 1997, Sieben Jahre deutsche Einheit: Rückblick und Perspektiven in fiskalischer Sicht. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 40–41 /97, S. 38–46
Heise, A., 1998, Begutachtung des Wirtschaftsstandorts Deutschland aus einer anderen Sicht. In: WSI-Mitteilungen, Berlin 6/1998, S. 393ff
Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, 1998, Zahlen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland Ausgabe 1998, Deutscher Instituts-Verlag GmbH, Köln
Jens, U.,1986, Die weltwirtschaftliche Herausforderung, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden
Kaufmann, F.-X., 1997, Herausforderungen des Sozialstaates, Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M.
Nolte, D., Ziegler, A., 1993, De-Industrialisierung in den ostdeutschen Bundesländern-Die Auswirkungen einer falschen Wirtschaftspolitik. In: WSI-Materialien Nr. 34, thomas verlags gmbH, Düsseldorf, Mai 1993
Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag, 1983, Bulletin Nr. 43 vom 5. Mai 1983, Presse und Informationsamt der Bundesregierung, Bonn Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag, 1987, Bulletin Nr. 27 vom 19. März 1987, a.a.O.
Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag, 1991, Bulletin Nr. 11 vom 31. Januar 1991, a.a.O.
Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag, 1991, Bulletin Nr. 108 vom 24. November 1994, a.a.O.
Schäfer, C., 1997, Verteilungspolitik: Chronik eines angekündigten politischen Selbstmords-Zur Verteilungsentwicklung in 1996/97 und den Vorjahren. In: WSIMitteilungen, 50. Jahrgang, 10 /1997, S. 669–689
Scherf, H., 1986, Enttäuschte Hoffnungen-vergebene Chancen. Die Wirtschaftspolitik der Sozialliberalen Koalition 1969–1982, Vandenhoeck and Ruprecht, Göttingen
Schmidhuber, P.M., 1997, Die Europäische Wirtschafts-und Währungsunion-ein deutsches Projekt? Vortrag von Peter M. Schmidhuber, Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank, anläßlich des Forum Europa „Die WWU als Herausforderung für Europa“ des Instituts für Europäische Politik, in Otzenhausen, am 31. Januar 1997, abgedruckt in: Deutsche Bundesbank/Auszüge aus Presseartikeln, Frankfurt, Nr. 7/3. Februar 1997, S. S. 2–4
Schönfelder, W., Thiel, E.,1994, Ein Markt-Eine Währung. Die Verhandlungen zur Europäischen Wirtschafts-und Währungsunion, Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden
Sitte, R., 1998, Der sogenannte teure Sozialstaat. Zur Entwicklung der Sozialleistungen und ihrer wettbewerbspolitischen Bedeutung. In: Gegenwartskunde, 1 /1998, S. 15–29
Statistisches Bundesamt, 1996, Statistisches Jahrbuch 1996 für die Bundesrepublik Deutschland, Metzler-Poeschel, Stuttgart
Vertrag über die Europäische Währungsunion, 1993, abgedruckt in: Krägenau/Wetter, Europäische Wirtschafts und Währungsunion — Vom Werner-Plan zum Vertrag von Maastricht, Einführung und Dokumentation, Baden-Baden, Dok. 2
Wegner, M., 1996, Die deutsche Einigung — oder das Ausbleiben des Wunders. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 40 /96, S. 13–23
Weigel, T., 1992, Unverrückbare Konvergenzkriterien sind Voraussetzung für die Europäische Währungsunion. Erklärung des Bundesministers der Finanzen, Dr. Theo Weigel. Pressemitteilung des Bundesministerium der Finanzen, Bonn, vom 11. Juni 1992, abgedruckt in: Deutsche Bundesbank/Auszüge aus Presseartikeln, Frankfurt, Nr. 41/11. Juni 1992, S. 13f
Wessels, W., 1994, Die Wirtschafts-und Währungsunion — Krönung der politischen Union? In: Caesar, R., Scharrer, H.-E. (eds.), Maastricht: Königsweg oder Irrweg zur Währungsunion?, Europa Union Verlag, Bonn, S. 107–124
Zank, W., 1998, Sozial und siegreich. Wohlfahrtsstaat und Globalisierung schließen sich keineswegs aus. In: Die Zeit, Nr. 30/1998 vom 16. Juli 1998, S. 22
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1998 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
v. Bandemer, S., Haberle, J. (1998). Wirtschaftspolitik im Zeichen des Primats der Politik oder der Ökonomie?. In: Wewer, G. (eds) Bilanz der Ära Kohl. Gegenwartskunde - Sonderheft, vol 10. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09407-4_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-09407-4_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-663-09408-1
Online ISBN: 978-3-663-09407-4
eBook Packages: Springer Book Archive