Zusammenfassung
Um Veränderungsprozesse in Gang zu setzen, sind gesicherte Erkenntnisse über soziale Wirklichkeit notwendig; anderenfalls besteht die Gefahr, dass Programme und Maßnahmen ins Leere laufen bzw. ineffektiv bleiben, weil sie die Interessenlagen und Bedürfnisse der betroffenen Menschen verfehlen.
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Die Diskussion, inwieweit das Erwerbssystem noch immer als Fundament für gesellschaftliche Teilhabe, materiellen Wohlstand, die Verwirklichung privater Lebenspläne und Interessen sowie für eine sinnstiftende Lebensperspektive und soziale Anerkennung gesehen werden kann (vgl. Preiß 1996: 12), kann an dieser Stelle nicht geführt werden. Vgl. dazu z.B. Lemmermöhle 1999.
Wie Stellung im Beruf, Prestige, Einkommen.
Es lassen sich zwei Dimensionen geschlechtsspezifischer Segregation unterscheiden: Die horizontale Segregation beschreibt die Unterscheidung in Männer- und Frauenberufe bzw. Männer- und Frauentätigkeiten, mit vertikaler Segregation wird die unterschiedliche hierarchische Positionierung von Männern und Frauen bezeichnet. Die analytische Trennung beider Dimensionen weist auf ein zentrales Problem hin: Horizontale Segregation und vertikale Segregation gehen Hand in Hand: Mit der Unterscheidung von männer- und frauentypischen Berufen und Tätigkeiten zeigt sich eine Hierarchisierung dieser Berufsbereiche.
Nach wie vor ist der Frauenanteil an den Auszubildenden in „Männerberufen“ gering.
Schließungsprozesse finden sich auch innerhalb der Berufe selbst (z.B. Böge 1995; Cyba 1995; Deters 1995; Wetterer 1992, 1995).
Rauch/Schober (1996) zeigen anhand einer Expertenbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) 1993, dass rund die Hälfte der befragten betrieblichen Expertinnen keine geschlechtsspezifische Präferenz bei der Einstellung haben. Allerdings lässt sich diese Einschätzung (die nach Rauch/Schober auch Ausdruck sozialer Erwünschtheit sein kann) spezifizieren: In „Männerberufen“ würden mehr als 2/3 männliche Bewerber bevorzugt (1996: 26f.).
Natürlich ist hinsichtlich dieser Aussage zu differenzieren. Betrachtet man jedoch empirische Ergebnisse wie beispielsweise die Untersuchungen von Rauch/Schober (1996), zeigt sich, dass die Betriebe durchaus geschlechtsspezifische Präferenzen an die Bewerberinnen für Ausbildungsberufe und Fachkräfte haben (siehe vorhergehende Fußnote).
Dies kann z.B. auch die ethnische Zugehörigkeit, das Alter oder die Konfession sein.
Osterloh/Oberholzer (1994) unterscheiden in ihrer Darstellung zwei Folgen statistischer Diskriminierung: Im Fall der Lohndiskriminierung erhalten Frauen für gleich produktive Arbeit einen geringeren Lohn als Männer, im Fall der Beschäftigungsdiskriminierung werden Frauen für bestimmte Berufe überhaupt nicht eingestellt.
Berufe also, die weniger körperliche Fähigkeiten benötigen, scheinbar geringere technische oder mathematische Kompetenzen erfordern usw.
Heintz u.a. (1997) beschreibt anschaulich am Beispiel des scheinbar neutralen Tätigkeitsbereichs „Sachbearbeitung“, dass Männer nach der Ausbildung qualifizierte Sachbearbeitertätigkeiten erhalten, Frauen dagegen eher im Sekretariat eingesetzt werden, das keine Aufstiegswege eröffnet.
Das Konzept des weiblichen Arbeitsvermögens wurde maßgeblich von Beck-Gerasheim und Ostner entwickelt und zunehmend kritisch betrachtet (z.B. Knapp 1988). Innerhalb der neueren Forschung ist das Konzept des weibliche Arbeitsvermögens nicht mehr von Relevanz.
Oder auch nach ethnischer oder Religionszugehörigkeit usw.
Ein offener Arbeitsmarkt, in dem jeder gegen jeden (oder jede gegen jede) konkurriert, ist nach Kreckel (1983) eine Fiktion. Der primäre Arbeitsmarkt ist in eine Vielzahl gegeneinander abgegrenzter und abgeschlossener berufsfachlicher Teilarbeitsmärkte zergliedert, deren Zugang genau über inhaltlich festgelegte Qualifikationsvoraussetzungen möglich ist.
Kritisch kommentieren die Autorinnen, dass dieser theoretische Ansatz die Veränderungen, die sich im Rahmen der Entwicklung der Dienstleistungsarbeit ergeben haben, nur unzureichend aufgreift (Kühnlein/Paul-Kohlhoff 1996: 116).
Dieser Aspekt hat natürlich keine formale Bewandtnis, das Grundgesetz Art. 16 sieht die freie Berufswahl vor. Die Ausbildungsberufe sind Männern wie Frauen zugänglich.
Ein entwicklungspsychologisches Konzept hat Gottfredson (1981, zitiert nach Holling u.a. 2000) entwickelt: „Gottfredson... stellt dem Begriff Selbstkonzept das Berufskonzept gegenüber und formuliert die These, dass die Berufswahl nach dem Prinzip maximaler Übereinstimmung von Berufs- und Selbstkonzept erfolgt. Ihrer Ansicht nach bilden sich im Rahmen der fortschreitenden Entwicklung zunächst eine Ge-schlechtstypisierung, dann eine Beurteilung der Berufe nach Prestige und später nach eigenen Fähigkeiten und Interessen heraus. Demnach führen Geschlecht und soziale Statusaspekte schon relativ frühzeitig zu einem Ausschluss zahlreicher Berufe für die spätere Berufswahl. Erst zu einem späteren Zeitpunkt finden Fähigkeiten und Interessen bei der Festlegung auf Berufe Berücksichtigung“ (Holling u.a. 2000: 7). Dieser Ansatz hat jedoch offensichtlich keinen Eingang in die bundesrepublikanische Forschung gefunden.
Hier ist allerdings auf die eingangs dargestellten Differenzierungen in den Lebensplänen und Lebensthemen von Mädchen und jungen Frauen zu verweisen. Empirisch ist nicht belegt, wieviele Mädchen und junge Frauen tatsächlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf anstreben und dieses bereits im Jugendalter antizipieren.
Wenn etwa die BLK feststellt, dass bereits im Elementarbereich Weichen für das spätere Ausbildungs- und Berufswahlverhalten gestellt werden, dieser Bereich jedoch nicht in die Empfehlungen aufgenommen worden sei (BLK 2000: 18), dann liegt in dieser Forschungslage vermutlich einer der Gründe.
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Nissen, U., Keddi, B., Pfeil, P. (2003). Theoretische Ansätze zur Erklärung geschlechtsspezifischer Berufsfindungsprozesse. In: Berufsfindungsprozesse von Mädchen und jungen Frauen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09371-8_7
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