Botschaften

Zusammenfassung

Landung in Washington-Dulles mit LH 414 aus Berlin, die Stimmung ist erwartungsvoll: Der 11. September wird mein erster richtiger Arbeitstag als deutscher Botschafter in Washington. Noch weiß ich nicht, dass der Flug am 10. September für längere Zeit der letzte Nonstop-Flug der Lufthansa zwischen Berlin und Washington gewesen sein wird — wenige Tage später wird die Route, wie viele andere im internationalen Luftverkehr, erst einmal gestrichen. Am Abend das erste — ganz private — Abendessen in der Botschafterresidenz, 1992–94 von Prof. Oswald Mathias Ungers gebaut. Ein gewaltiger weißer Bau auf dem Hügel über Georgetown, eine Hommage des Architekten an sich selbst, Gegenstand vieler kontroverser Cocktail-Debatten in Washington: sehr groß, sehr modern, sehr kühl, sehr eindrucksvoll, aber nicht gerade gemütlich. Meine Lebensgefährtin und ich wissen, dass ich den Traumjob „Botschafter in Washington“ erreicht habe, dass wir aber gleichzeitig auch die Residenz wie ein gut funktionierendes Restaurant und VIP-Gästehaus professionell führen müssen. Acht fest angestellte Bedienstete, vom Koch bis zur Wäscherin, halten den Betrieb aufrecht. Ich weiß, kaum ein Tag wird vergehen ohne eine Bundestagsdelegation, die zum Frühstück kommt, ohne ein Arbeitsmittagessen mit einem amerikanischen Politiker, ein Benefiz-Dinner für eine amerikanische karitative Organisation oder ein Abendessen mit vielen Gästen anlässlich eines Ministerbesuchs aus Berlin. An keiner Botschaft dieser Welt gibt es mehr politische Besucher als in Washington, das war schon immer so, und das wird wohl auch so bleiben. Washington ist eben der Regierungssitz der einzigen Supermacht des beginnenden 21. Jahrhunderts, Washington ist wichtig, darin liegt ja auch der besondere Reiz der Aufgabe.