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Armut: Ein (groß)städtisches Problem

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Armut und soziale Integration
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Zusammenfassung

Nachdem verdeutlicht wurde, warum Städte in Reaktion auf die (angebliche) Globalisierung zunehmend zum Ort gesellschaftlicher Modernisierungprozesse werden, die sich u.a. in gesellschaftlichen Spaltungsprozessen auswirken, soll nun empirisch gezeigt werden, daß zeitlich parallel zur Modernisierung die Verarmungsprozesse an Intensität und Reichweite zunehmen. Innerhalb einer — und wir sagen eben: als Voraussetzung für eine allgemeine Wohlstandsentwicklung („Fahrstuhleffekt”) nimmt Armut auf individueller und räumlicher Ebene zu. Armut zeigt sich darüber hinaus in den immer engeren fiskalischen Handlungsspielräumen der Kommunen. Die Folgen sind zunehmende soziale und sozialräumliche Ausgrenzungen und Destabilisie-rungen des Zusammenhalts der Gesellschaft. In diesem Kapitel soll nun die Entwicklung der Armut in ausgewählten deutschen Großstädten analysiert werden.29

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Literatur

  1. An dieser Stelle danken wir allen Statistikämtern der Städte und den Statistischen Landesämtern der Bundesländer für ihre Unterstützung, die eine Beobachtung der Prozesse über einen längeren Zeitraum erst ermöglichten.

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  2. Oben wurde dahingehend argumentiert, daß bei der Gleichsetzung der Einkommensarmen mit denen, die Sozialhilfe beziehen, diejenigen unberücksichtigt bleiben, die entweder aufgrund ihres Aufenthaltsstatus keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben oder aber ihren Anspruch nicht geltendmachen (»Dunkelziffer*). Gleichzeitig kann man bedenken, ob nicht die Zahl der Einkommensarmen um jene überschätzt wird, die sehr kurzfristige Ansprüche auf Sozialhilfe haben (beispielsweise ehemalige Studierende oder Frauen nach der Trennung/Scheidung). Weiterhin ist die Reduktion der vielfältigen sozialen Ausgrenzungen, die mit Armut einhergehen können, auf die Einkommensarmut soziologisch nicht haltbar, weil unter ökonomischen und fiskalischen Zwängen staatlich anerkannte Bedürftigkeit (= Berechtigung zur Sozialhilfe) zum Maßstab der Armut gemacht wird.

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  3. Diese nichtssagende Kategorie macht in der Regel mehr als 50% aller „Gründe” für Sozialhilfebezug aus. Da es inhaltlich benannte „Gründe” gibt, die weniger als ein Prozent ausmachen, ist diese Tatsache ein Hinweis auf die bescheidene Qualität dieser Statistiken. Die Ursache hierfür ist, daß die zuständigen Sachbearbeiter der Sozialbehörden „Biblätter” zu den Sozialhilfeakten fuhren, in denen u.a. auch die vermuteten „Gründe” für den Antrag auf Sozialhilfe eingetragen werden. Da nur eine Möglichkeit der „Ursachen” vorgesehen ist und möglicherweise weitere Gründe dafür sprechen, in keinem Feld ein Kreuz zu machen, werden die Nicht-Angaben zu „Sonstige” subsummiert. Hier wäre es dringend geboten, ein anderes Verfahren zur Ermittlung der „Gründe” für den Bezug von Sozialhilfe anzuordnen und durchzuführen.

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  4. Die Arbeitslosenquote bezieht die Zahl der arbeitslos Gemeldeten auf die Erwerbsbevölkerung, d.h. den Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter (zwischen 15 und 60), der erwerbstätig ist oder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Auch hier sind die Menschen nicht berücksichtigt, die sich in Umschulungsmaßnahmen befinden, an den Herd zurückgekehrt oder vorzeitig in den Ruhestand geschickt wurden, was wiederum zum Absenken der eigentlichen Zahlen führt (in den neuen Bundesländern rechnet man, daß die Zahl der außerhalb der Arbeitlosigkeitsstatistik „Geparkten” noch einmal etwa 50% der offiziell Gemeldeten ausmacht. Kronauer (1995) vermutet, daß aufgrund verschiedener Qualifizierungsmaßnahmen, Vorruhestandsregelungen und Verschiebungen in die „stille Reserve” die Zahlen der tatsächlichen Arbeitslosigkeit in westdeutschen Städten um etwa 50%, in ostdeutschen Städten um bis zu 100% höher liegen, als es die Statistikwerte angeben.

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  5. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten der Messung der Sozialhilfe-Entwicklung. Erstens wird nach der „Hilfe zum laufenden Lebensunterhalt” (HLU) und der „Hilfe in besonderen Lebenslagen” (HibL) unterschieden. Zweitens kann die Anstaltsbevölkerung aus der Summe aller Bewohner herausgerechnet werden. Schließlich gibt es zwei Zählweisen: „Jahressummen” (= die Anzahl der Fälle eines Jahres, für die ein Antrag akzeptiert wurde, unabhängig davon, wie oft eine Person diesen Antrag gestellt hat) und „Stichtagszahlen”, die ausweisen, wie viele Personen zum 31.12. jeden Jahres sozialhilfeberechtigt waren. Mittlerweile werden nur noch Stichtagszahlen verwendet u.a. auch, weil diese niedriger sind. Ein weiterer Schritt zur optischen Verkleinerung der Zahl der Sozialhilfeempfänger ist, Asylsuchende und Migranten mit unsicherem Aufenthaltsstatus nicht mehr in der Statistik zu berücksichtigen. Diese Verkürzung ist jedoch nicht nur „Kosmetik der Statistik”, sondern muß auch als Ausdruck einer instituitionellen Diskriminierung der Nicht-Deutschen gewertet werden. Dieser Schritt der Ausdifferenzierung ist eine Symbolik, die -wenn es um das Zahlen und die Solidargemeinschaft geht — zunehmend soziale Gruppen ausgrenzt, die nicht (mehr) dazugehören sollen. Und die bedrängte Bevölkerung macht Druck auf entsprechende populistische Praktiken in Politik und Verwaltung.

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  6. Die Sozialhilfedichte bezeichnet den relativen Anteil der Sozialhilfeempfänger an der Zahl der Bewohner einer Stadt. Sie wird verwendet, um bei einem Vergleich zwischen Städten den Größeneffekt der Städte zu eliminieren, d.h. die Berücksichtigung der Sozialhilfedichte an Stelle der Zahl der Sozialhilfeempfänger ist Voraussetzung für einen angemessenen Städtevergleich.

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  7. Um die Verschuldungsrate der Stadtstaaten mit denen der Großstädte in den Flächenländern vergleichbar zu machen, wurden bei den Städten der Flächenländer die jeweiligen anteiligen Landesschulden als Sockel hinzugerechnet, d.h. die Pro-Kopf-Verschuldungsraten dieser Städte wurden entsprechend erhöht.

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  8. Für den Vergleich wurden die Jahresmittelwerte der Arbeitslosenquoen verwendet.

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  9. Diese Tatsache ist für den Vergleich zwischen Städten im Zeitverlauf weniger erheblich (zumindest zwischen je den west- resp. den ostdeutschen Städten), weil die systematische Unterschätzung aufgrund der bundeseinheitlichen Richtlinien der Arbeitslosenstatistik zu vergleichbaren Verzerrungen fuhrt — dennoch gibt es sicherlich auch regionale Schwankungen, die beispielsweise auf traditionell hohen/niedrigen Frauenerwerbsquoten beruhen.

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  10. Hieraus, wie aus dem verbreiteten Glauben, in den neuen Bundesländern werden sich nach zwei, drei Jahren (gerechnet ab 1991) „blühende Landschaften” einstellen, kann ersehen werden, daß ein durchsetzungsfähiges Modell zur Beschreibung der Gesellschaftsstrukturen drei Bedingungen erfüllen muß: es muß gut sein, es muß gerecht sein, es muß nachvollziehbar sein — offensichtlich muß es aber nicht empirisch wahr sein. Das zeigt auch, warum die Vorstellung über die gegenwärtige westdeutsche Gesellschaft als einer Zwei-Drittel-Gesellschaft kaum mehrheitsfähig ist resp. von denen, die es nicht akzeptieren wollen, intensivst bekämpft wird (was durch den empirischen Nachweis des Anteils der „dauerhaft Armen” geschieht, vgl. Habich et al. 1991a, b, Voges/Rohwer 1991, Wagner 1991, Krause 1992, Rohwer 1992). Die Beckschen Thesen der individualisierten Gesellschaft und der Risiko-Gesellschaft (Beck 1983, 1986) spaltet die nationale Gesellschaft: Für alle, die unten stehen, stellt sich ihre soziale Position als ein „Risiko” dar (das als Gefahr von Armut und sozialer Ausgrenzung bei Arbeitslosigkeit und/oder Sozialhilfebezug bereits eingetreten ist oder vor der sie sich aufgrund des damit verbundenen sozialen Abstiegs fürchten), während jene, die von den Öffnungstendenzen (hohe Bildung, neue Dienstleistungsberufe, weitergehende Überwindung der Zuschreibung von Geschlechtsrollen) profitieren, sich ihren sozialen Aufstieg nur zu gern als eigene Leistung zurechnen (Individualisierung).

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  11. Die Rückgänge seit 1992 in Bremen und die Schwankungen in Köln laufen diesem Trend entgegen. Das kann neben einer rückläufigen Problematik verschiedene Gründe haben. Einerseits sind die Voraussetzungen zum Erhalt von Sozialhilfe und die Bewillligungspraxis generell rigider geworden. Zweitens wurden u.a. die Nicht-Deutschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus aus der Statistik genommen. Die Städte „bereinigten” ganz offensichtlich die Statistik seit Beginn der 90er Jahre in unterschiedlicher Weise. Das hat zu dem Benchmarking der ursprünglich 13, jetzt 15 Städte geführt, woraus die Zahlen für 1995 und 1996 entnommen wurden. Der Rückgang der Sozialhilfedichte in Berlin zwischen 1990 und 1991 spiegelt einen „positiven” Vereinigungseffekt wider, weil nun die Zahl der weit überwiegend Westberliner Sozialhilfeempfanger mit der Bewohnerzahl im gesamten Berlin verrechnet wurde.

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  12. In den einzelnen Bundesländern, Regierungsbezirken und Kommunen sind die Aufgaben, die mit der Sozialhilfe abgedeckt werden, unterschiedlich verteilt, was streng genommen auch die Vergleiche zwischen den kreisfreien Städten einschränkt. Stadtstaaten müssen für alle Sozialleistungen gegenüber ihren Bürgern komplett selbst aufkommen.

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  13. Dieses empirische Ergebnis ist ein deutlicher Widerspruch zu den Ergebnissen der dynamischen „Armuts”forschung, bei der (den Beckschen Thesen folgend) eine zunehmende Biographisierung und Individualisierung von „Armut” konstatiert wurde. Dem widerspricht zweierlei: Erstens hatte Bremen am 31.12.1995 (frühere verläßliche Vergleichszahlen gibt es nicht) eine relativ hohe Fluktuation der Sozialhilfe, was die Übertragbarkeit auf „die deutsche Gesellschaft” zumindest beeinträchtigt. Zweitens hat Bremen nach Duisburg die höchste Steigerungsrate der Verfestigung im Verlauf des Jahres 1996 (um 13,4 Prozentpunkte), was bedeuten müßte, daß bei einer Analyse der heutigen Sozialhilfeempfänger in Bremen die dortigen Forscher zu anderen, den Thesen Becks deutlich widersprechenden Ergebnissen kommen müßten.

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  14. Dieses Maß als Kombination aus Kosten- (Ausgabe pro Empfanger) und Mengenentwicklung (Zahl der Sozialhilfeempfänger) wurde gewählt (und nicht etwa die Kosten pro Sozialhilfeempfänger allein), um die gesamte Belastung der Kommunen über die Zeit und über alle Vergleichsstädte herstellen zu können.

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  15. Zumindet war der Leiter des Landessozialamtes, der stark für die Modernisierung der Verwaltung seines Bereiches im Sinne des „lean administration”-Modells der KGSt eintritt (vgl. Hartmann 1997), nach seinen Kategorien der Effizienz- und Effektivitätssteigerung erfolgreich.

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  16. Hier soll jedoch der häufig zu hörenden Rhetorik nicht entsprochen werden, daß der Anstieg der Sozialhilfekosten vor allem Ursache der kommunalen Verschuldung sei. Diese ist nämlich keine Ausgaben-, sondern eine Einnahmekrise, wofür einerseits ein breites Sinken der Kaufkraft privater Haushalte, aber auch Mindereinnahmen bei Steuern aufgrund gezielter Entlastungen einkommensstarker Bevölkerungsgruppen ursächlich sind.

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  17. Um die Verschuldung der Stadtstaaten mit der der Großstädte in den Flächenländern vergleichbar zu machen, wurde jenen die Pro-Kopf-Verschuldung des Landes hinzuaddiert.

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  18. Diese Begrifflichkeit wurde gewählt und auf die Bürgermeister der wirtschaftlich erfolgreichsten Großstädte bezogen, weil sich Kommunen gern als Opfer der Globalisierung betrachten, die sie selbst aufgrund ihrer eigenen Strategien forcieren und „beheimaten”.

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Alisch, M., Dangschat, J.S. (1998). Armut: Ein (groß)städtisches Problem. In: Armut und soziale Integration. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09295-7_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-09295-7_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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