Zusammenfassung
Nach einer langen Phase des Wirtschaftswunders in der Bundesrepublik Deutschland, die bewirkte, daß das Problem „Armut” weitgehend gelöst erschien, gab es in den Medien, der Wissenschaft und Öffentlichkeit zwei Schübe der Wahrnehmung neuer Armutsproblematik. Heiner Geißler (1976) war wohl der erste, der auf die neue Armut im Zusammenhang mit der einsetzenden Massenarbeitslosigkeit Mitte der 70er Jahre hinwies. „Neu” war weniger der Anlaß zur Verarmung (Arbeitslosigkeit) und deren quantitatives Ausmaß, das in anderen geschichtlichen Epochen eher höher war, sondern die Tatsache, daß von ihr auch solche sozialen Gruppen betroffen waren, die sich aufgrund ihres hohen Bildungsabschlusses „in Sicherheit” wähnten. In diesem Zusammenhang wurden etwa seit 1983 regionale Disparitäten von Arbeitslosigkeit als Süd-Nord-Gefälle breit diskutiert (vgl. Friedrichs et al., 1986).
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Literatur
Diese Position kann u.E. heute für die Bedingungen der Bundesrepublik Deutschland eingenommen werden, auch wenn die Zahl derer, die in einem der reichsten Länder der Erde auf der Straße leben, Hunger haben oder in der Kälte erfrieren, während der letzten Jahre wieder deutlich zugenommen hat.
Das schließt nicht aus, daß sich im politischen und medial-öffentlichen Diskurs die Stimmen mehren, welche die Schuld an der Arbeitslosigkeit den Arbeitslosen selbst zuschiebt („Wer will, der findet immer eine Arbeit”, resp. „Es muß hierzulande niemand betteln”).
Dieser Abschnitt ist die stark überarbeitete und erweiterte Fassung eines anderen Aufsatzes (Dangschat 1997a).
Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) hat das Ziel, den Wandel der Lebenslagen in der Bundesrepublik Deutschland festzuhalten. Dazu werden seit 1984 in jährlichen Wiederholungsbefragungen etwa 12.000 Personen (über 16 Jahre) in 5.900 Haushalten befragt (die sog. Panelsterblichkeit führte im weiteren Verlauf zu einer Verringerung der Zahl der Befragten). Seit 1990 wurde diese Befragung auch auf die neuen Bundesländer ausgedehnt, beginnend mit 4.400 Personen in 2.200 Privathaushalten. Das SOEP wird wissenschaftlich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin betreut und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) kontrolliert.
In der Quelle werden etwas abweichende Klassengrenzen verwendet (s. Abb. 2.3). Um die Vergleichbarkeit innerhalb der Tabelle zu gewährleisten wurde die Mittel-Klasse (90% bis 110%) den benachbarten Klassen zugeordnet: 8,0% der Klasse zwischen 75% und 90% und 7,5% der Klasse zwischen 110% und 125%. Die Aufteilung wurde unter der Annahme einer stärkeren Besetzung der ersten Hälfte gegenüber der zweiten vorgenommen.
Siehe Fußnote 5.
Berücksichtigt man das gesamtdeutsche Äquivalenzeinkommen, dann sinkt in Westdeutschland der Wert auf 6,5 Prozent, während er in den neuen Bundesländern auf 12,7 Prozent ansteigt (vgl. Hanesch u.a. 1994:138).
Peter Krause: Einkommensarmut im vereinigten Deutschland. Diskussionspapier 93–09: Bochum: Ruhr-Universität Bochum 1993.
Die Bremer Forschungsgruppe verwendet — ebenso wie ihr „theoretischer Fixpunkt” Ulrich Beck — den Begriff „Risiko”. Versteht man allerdings „Risiko” als eine potentielle, jedoch Steuer- und beeinflußbare Gefährdung, dann ist dieser Begriff unter den gegenwärtigen und mittelfristig zukünftigen Gefährdungslagen innerhalb des Arbeits- und des großstädtischen Wohnungsmarktes eher als euphemistisch einzustufen. Weil es heutzutage eben kein „Risiko” ist, arbeitslos oder wohnungslos zu werden, sondern Folge struktureller Krisen und/oder einer diese Krisen verschärfenden politischen Deregulierung, unterstützt dieser Sprachgebrauch ein Verschleiern der Ursachen zunehmender Armut.
Auch hier ist die Wortwahl entscheidend, denn der (schlechten) Tradition der Sozialhilfe-/ Armutsforschung folgend, werden die Anlässe [Kategorien der Sozialhilfestatistik, die zudem auf einer höchst fragwürdigen Erhebungsweise aufbaut] als „Ursachen” interpretiert. Ursachen sind hingegen — wie wir im Verlauf des Buches zeigen wollen — die Art der ökonomischen Umstrukturierung, die politische Deregulierung der Arbeits- und Wohnungsmärkte, die Orientierung der Stadtregionen an internationaler Wettbewerbsfähigkeit, eine die räumliche Ungleichheit verschärfende Stadtplanung und die entstehenden Segregati-onsmuster mit der räumlichen Konzentration sozial Benachteiligter in benachteiligenden Wohn- und Wohnumfeldsituationen.
Für die neuen Bundesländer wird in Halle mit dem Bremer Ansatz eine Parallelstudie durchgeführt (vgl. Rentzsch 1997), die jedoch die hier kritisierten methodischen Probleme reproduziert.
Im Titel der Untersuchung wird von den „13 größten Städte(n) Deutschlands” gesprochen, was nicht zutrifft. Das von der Fa. Kienbaum GmbH moderierte Verfahren umfaßte — nach Größe geordnet — die Städte Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Essen, Dortmund, Stuttgart, Düsseldorf, Bremen, Duisburg, Hannover, Leipzig und Rostock (vgl. Hartmann/Gelhaar 1996).
Dieses ist durch die Pflegeversicherung mittlerweile weitgehend verschwunden.
Die Unterteilung in drei Ressourcenbündel ist willkürlich. Obwohl eine von der sonstigen sozialen Umwelt getrennte Betrachtung des familialen Unterstützungssystems im Hinblick auf Kinder und Jugendliche sinnvoll ist, kann Walper diese Trennung oft nicht durchhalten. Zudem könnte die soziale Umwelt weiter differenziert werden (beispielsweise in schulisches Umfeld, Nachbarschaft und Peers).
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Alisch, M., Dangschat, J.S. (1998). Armut als Thema der Wissenschaft. In: Armut und soziale Integration. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09295-7_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-09295-7_2
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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