Zusammenfassung
Selbst in unserem Jahrhundert der Umbrüche ragt die Turbulenz der deutschamerikanischen Beziehungen, die sich zweimal von erbitterter Feindschaft zu spektakulärer Freundschaft wandelten, als höchst außergewöhnlich heraus. 1917 brachte ein Deutschland, das leichtfertig nach der Weltmacht griff, Amerika nach Europa; amerikanische Truppen führten die Wende im Weltkrieg herbei, und in demselben Jahr, als Amerika die Weltbühne betrat, stellte die bolschewistische Revolution Amerikas Anspruch auf die moralische Führungsrolle infrage. Während der folgenden Jahrzehnte haben das deutsche Machtstreben, die amerikanische Macht und die sowjetische Herausforderung die Weltpolitik beherrscht. 1941 brachte die deutsche Macht, zu noch mehr Raserei und Perfektion getrieben, Amerika erneut nach Europa, dieses Mal, um den Kontinent vom Nazi-Terror zu befreien, und dieses Mal im Bündnis mit der Sowjetunion. In den zwanziger Jahren teilweise und halbherzig, seit 1947 konsequent und entschieden, verwandelten sich die Vereinigten Staaten vom Feind Deutschlands zu dessen wichtigstem Freund, Alliierten und Beschützer —, und die Umkehrung der Rolle vom Feind zum Freund brachte einen Umschwung der Einstellung mit sich. Beide Länder sind ungewöhnlich begabt in der Emotionalisierung von auswärtigen Beziehungen; als die Vereinigten Staaten im Ersten Weltkrieg gegen Deutschland kämpften, schwelgten sie in Karikaturen des brutalen Hunnen, des bösen Junkers; im zweiten Krieg übertraf die Wirklichkeit des Nazi-Horrors die Phantasie im Westen. Doch bei Kriegsende wurden die Sowjets unser Hauptgegner, und unser Bild von den Deutschen wurde wohlwollender; zudem geriet ein besiegtes Deutschland unter Amerikas Bann — und mit dieser Umkehrung begann ein Zelebrieren von Freundschaft und Harmonie, das bis in die jüngste Vergangenheit währte.
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Anmerkungen
Sigmund Freud, Das Unbehagen in der Kultur, Wien: Internationaler Psychoanalytischer Verlag, 1930, S. 87f.
Richard Hofstadter, The American Political Tradition and the Men Who Made it, New York: A.A. Knopf 1948, S. X.
Carl Friedrich von Weizsäcker, Der bedrohte Friede. Politische Aufsätze 1945–1981, München: Carl Hanser Verlag, 1981, S. 595.
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Stern, F. (1986). Amerikanisch-deutsche Beziehungen. In: Trommler, F. (eds) Amerika und die Deutschen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09255-1_10
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