Zusammenfassung
Die Einebnung sozialer Ungleichheiten in der Uniformität einer mittelständischen Arbeits-, Konsum- oder Erlebnisgesellschaft und die Generalisierung von Lebensrisiken in einer Risikogesellschaft von ubiquitär Betroffenen gehören heute — mit wenigen Ausnahmen (vgl. Bertram u.a. 1993) — zu den wenig in Frage gestellten Selbstverständlichkeiten sozialwissenschaftlicher Gegenwartsbeschreibung. Demgegenüber erinnert die alltagssprachliche Kontrastierung von Stadt und Land zu Recht nicht nur an nach wie vor vorhandene sozialräumliche Disparitäten, die aus unterschiedlichen Arbeits- und Lebensbedingungen resultieren sowie an historische Disparitäten, die sich in nach wie vor unterschiedlichen Milieus und Traditionen ausdrücken. Sie erinnert auch und vor allem an nach wie vor existierende, jeweils spezifische Formen der Lebensführung. In der Alltagserfahrung ist mehr oder weniger präsent, daß die Menschen auf dem Lande anders und unter anderen Bedingungen leben als in der Stadt, selbst wenn dafür nicht ausschließlich die bäuerliche Bevölkerung als Kontrastmodell dient. Stadt, das ist der Inbegriff von Hektik und Unübersichtlichkeit, von Anonymität und Modernität, Land hingegen eine diffuse Mischung aus Überschaubarkeit, Gemeinschaftlichkeit und Gelassenheit sowie aus genuiner Traditionalität und neotraditionalistischer Romantik: Noch immer scheinen auf dem Lande die Uhren anders zu gehen.
„Wir sind ganz gleichmäßige Leute — wir nehmen es so, wie es kommt.“ (S 6)
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Literatur
Eine vergleichbare Gruppe von weiblichen Arbeitskräften zu befragen, was aus systematischen Gründen nahe gelegen hätte, war deshalb nicht möglich, weil nach den entsprechenden gesetzlichen Regelungen zum Zeitpunkt der Erhebungen Frauen, jedenfalls im Bereich der gewerblichen Produktion, nicht in Nachtschicht eingesetzt werden durften.
Hieran ließe sich die Frage knüpfen, ob dieser Verteilungslogik nicht das Prinzip des Äquivalententauschs als eines fundamentalen Mediums der Vergesellschaftung zugrundeliegt.
Abgesehen davon hätten sich vermutlich Personen in einer offensichtlich kritischen Phase des Arrangements nicht für ein Interview zur Verfügung gestellt, allenfalls nach deren glücklichem oder unglücklichem Abschluß wie im Fall einiger Verkäuferinnen.
Dies widerspricht im übrigen dem Stereotyp vom Konsumismus der Arbeiter in seiner Kontrastierung zum deferred gratification pattern bei Angestellten.
Zur Klärung dieser Frage soll ein geplanter Vergleich mit einem analogen Muster alltäglicher Lebensführung von Arbeiterinnen und Arbeitern in Ostdeutschland beitragen (vgl. Kudera 1995c).
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Kudera, W. (1995). Lebenskunst auf niederbayerisch: Schichtarbeiter in einem ländlichen Industriebetrieb. In: Alltägliche Lebensführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09246-9_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-09246-9_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-1461-0
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