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Über das schwierige Verhältnis der Soziologie zur Natur

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Part of the book series: Reihe „Soziologie und Ökologie“ ((SUÖ,volume 9))

Zusammenfassung

Eine (zukunftsfähige) Bestimmung des Verhältnisses von Gesellschaft und Natur gilt auch heute, zehn Jahre nach der internationalen Umweltkonferenz in Rio 1992, als Schlüsselthema moderner Gesellschaften. Dementsprechend sind die Sozialwissenschaften in den vergangen Jahren mehrfach angemahnt worden, über ihr Verhältnis zur ökologischen Frage nachzudenken. Nun ist es keineswegs einfach, eine Beziehung zwischen der Soziologie, als „Wissenschaft der gesellschaftlichen Zusammenhänge“, und der Ökologie, als „Wissenschaft der natürlichen Zusammenhänge“, herzustellen, da beide ihren Gegenstandsbereich von Anfang an als vollständig getrennt gedacht haben. Im vorliegenden Kapitel geht es nun um eine Sichtung jener Probleme, die eine soziologische Befassung mit der sogenannten „äußeren Natur“ mit sich bringt. Obwohl ich dazu bei den üblichen Bedenken gegenüber einer Integration der Kategorie ‚Natur‘ in die Soziologie ansetze, wird sich zeigen, dass für jedes weitere Bemühen, Gegenwartsgesellschaften und ihre Trends zu verstehen, eine Auseinandersetzung mit den jeweiligen Naturkonzepten und — verhältnissen unumgänglich ist. Schärfer noch, das soziologische Defizit in der Behandlung von Natur bzw. der ökologischen Krise muss selbst als Symptom einer gesellschaftlichen „Kosmologie“ betrachtet werden, die zunehmend problematisch wird. Allerdings, und diese These vermag die Leserin, den Leser wohl erst im Verlauf der Arbeit zu überzeugen, erfordert eine Soziologie der Natur ein reflexives Verständnis von ‚Natur‘, das dem Alltagsverständnis geradezu entgegengesetzt ist.

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Literatue

  1. Dieser Umstand wird in Kapitel 2.2.3 noch ausführlich und unter Bezug auf eine lange Forschungsgeschichte auch etwas differenzierter dargestellt.

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  2. Die Kürzel BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) und MKS (Maul-und Klauenseuche) sind gleichzeitig mit einer sich rasant ausbreitenden Sensibilität für moralische Fragen der Landwirtschaft zu Synonymen der Kritik an deren gegenwärtiger Verfasstheit geworden.

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  3. Der Ruf nach Transdisziplinarität, die über die additive oder sukzessive Multi-und Interdisziplinarität hinausgehen soll, ertönt derzeit aus allen Richtungen. Insbesondere die adäquate Behandlung der ökologischen Krise soll in dieser neuen Herangehensweise gelingen. Angesichts des „erkrankten“ Planeten und der heraufbeschworenen Apokalypse wird der Vielheit der spezialisierten „Ärzte” und ihren noch spezialisierteren Prothesen immer weniger zugetraut, dem Gesamtphänomen gerecht zu werden (vgl.a. den Förderschwerpunkt „Sozial-ökologische Forschung“ beim BMBF ab Herbst,99). Transdisziplinarität beansprucht demgegenüber, die verschiedenen Wechselwirkungen, die häufig komplexen Ursache-Wirkungs-Vernetzungen, ihre jeweiligen soziokulturellen Einbettungen und kategorialen Aprioris sowie Praxisorientierung in den Blick zu bekommen. Im Gegensatz zu Interdisziplinarität arbeitet Transdisziplinarität programmatisch mit der disziplinenübergreifenden, gemeinsamen Festlegung von Fragestellung und Problembeschreibung, der gemeinsamen Entwicklung der benötigten Untersuchungskategorien und Parameter und schließlich der gemeinsamen Bearbeitung, während der jede Teilrationalität und Disziplinenlogik kritisch in Frage gestellt werden soll. Man erhofft sich, so die jeweiligen disziplinären Vorannahmen und Beschränkungen überwinden zu können und nicht-intendierte Nebenfolgen überhaupt zu bemerken. Dabei geht Transdisziplinarität nicht zwischen den Disziplinen hin und her oder schwebt auf einer abstrakteren Meta-Ebene, sondern mit ihr ist in den Worten des Philosophen Jürgen Mittelstraß „Forschung gemeint, die sich selbst aus ihren disziplinären Grenzen löst, die ihre Probleme disziplinenunabhängig definiert und disziplinenunabhängig löst” (1992: 90). Mit Transdisziplinarität ist aber auch kein generalistischer Einheitsblick gemeint, auch keine Form des „Wissenschaftsesperanto“, dem jeder tiefere Blick in konkrete Zusammenhänge unmöglich wäre. Vielmehr geht es darum, sich Kenntnisse in den Sprachen einiger anderer Fächer anzueignen und den Dialog zu wagen. Der Philosoph Walther Zimmerli fordert: „Die fachlich-disziplinäre Spezialistenqualität muß (…) exzellent sein, damit die disziplinenübergreifende Qualität gut sein kann.” ( 1990: 21 ).

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  4. Viele gute Überlegungen für interdisziplinäres Arbeiten und problemorientierte Auseinandersetzungen mit dessen Fallstricken, die sonst selten sind, finden sich in dem Sammelband „Umweltforschung quergedacht“ (Daschkeit/ Schröder 1998).

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  5. Auch Thomas Jahn und Peter Wehling erinnem dementsprechend daran, „dass die sozialen Tatsachen Durkheims nicht so sehr eine empirisch vorfindliche Klasse von Gegenständen bilden, als vielmehr einen durch methodologische Postulate erst konstruierten Ausschnitt aus der gesellschaftlichen Erscheinungswelt darstellen“ (Jahn/ Wehling 1998: 76).

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  6. Dennoch ist ironischerweise anzumerken, dass sich bereits bei Durkheim natürliche bzw. biologische Erklärungsfaktoren durch die Hintertür wieder einschleichen, denn die Formen der Differenzierung werden u.a. auf Bevölkerungswachstum und -dichte zurückgeführt (vgl. Durkheim 1992).

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  7. So zeigt er bspw. in seinen rechtssoziologischen Untersuchungen, wie rationalistische Aufklärer im 17. und 18. Jahrhundert auf den Naturbegriff der Renaissance rekurrierten, um über ein daran konstruiertes Naturrecht Legitimation für revolutionär geschaffene Ordnungen geltend machen zu können, um also einen Rechtsschöpfungsanspruch im Gegensatz zu bestehenden Satzungen zu begründen (Weber 1980: 498ff.).

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  8. Vgl. bspw. Comte’s Maxime „Voir pour prévoir pour pouvoir“.

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  9. Serge Moscovici kritisiert diese unreflektiert in die Gesellschaftstheorie eingehende Haltung folgendermaßen: „Symptomatisch dafür (dass,heutige Kriege um die Annektierung der äußeren Welt geführt werden’] ist die Tatsache, daß Wert, Angemessenheit und Effizienz der Gesellschaftssysteme nicht an der verwirklichten Gleichheit und Gerechtigkeit gemessen werden, sondern an der Fähigkeit, Einfluß auf die Naturerscheinungen und auf die Entwicklung von Wissenschaft und Technik zu nehmen“ (Moscovici 1968: 17, Ergänzung C.K.). In Kapitel 3.2 werden wir von Bruno Latour erfahren, dass dieses „Naturverständnis” als Kern der „Selbsttäuschung der Modernen“ zu interpretieren ist, mit der sie sich als Erben des westlichen Abendlands über alle anderen Kulturen erheben. Während nämlich „die Modernen” in ihrem Selbstverständnis dank der „exakten“ Wissenschaften die Natur in ihren „objektiven” Gesetzen erkennen und manipulieren können, bleiben die Vor-modernen und nicht-westlichen Kulturen in ihren Handlungsmöglichkeiten „beschränkt“, da sie die Natur immer nur mit den „Wolken” ihrer kulturellen, „primitiven“ Repräsentationen vernebeln (vgl.a. Latour 1995: 130ff.).

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  10. Tatsächlich gelang es mit diesem Vorstoß, der Umweltsoziologie als Subdisziplin Türen zu öffnen und in gewissem Umfang soziologisches Bewusstsein für ökologische Probleme zu schaffen. Die erwartete Umorientierung bzw. Resonanz der Soziologie insgesamt blieb jedoch aus (vgl.a. Butte) 1987 ).

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  11. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass es in der Geschichte der Soziologie auch vor der öffentlichen Thematisierung der sogenannten „ökologischen Krise“ immer wieder Anstrengungen gab, das Natur-Gesellschafts-Verhältnis unter der einen oder anderen Fragestellung theoretisch zu berücksichtigen. Neben den häufig diskutierten Frühschriften von Karl Marx (vgl. dazu Schmidt 1993, Dickens 1992, Grundmann 1989, Benton 1989) rekonstruieren Grundmann und Stehr (1997) einen solchen Versuch bei Werner Sombart. Auch Peter Weh-ling (1989) und Matthias Groß (2001) arbeiten einige frühe Ansätze auf. Für die allgemeine soziologische Theorieentwicklung blieben diese frühen, meist naturalistischen Formulierungen des Natur-Gesellschafts-Verhältnisses jedoch unbedeutend.

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  12. Dieter Rucht (1996) gibt zu bedenken, dass die Sorge vieler Soziologen, die Ende der 60erJahre gemachte, negative Erfahrung einer polarisierenden Politisierung der Disziplin durch die Umweltthematik zu wiederholen, auch zu einer gewissen Distanz gegenüber diesen Bewegungen geführt haben mag.

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  13. Inzwischen herrscht Konsens, dass Wissenschaft ihre Forschungsgegenstände immer bereits im Lichte einer Theorie bzw. eines theoretisch inspirierten Bedeutungssystems sieht bzw. konstruiert. „Nackte“ oder „neutrale” Fakten vor jeder theoretischen Beschreibung sind nicht zugänglich (vgl. Popper 1992, Bd.II: 305f., Abel 1996: 283, Rorty 1981).

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  14. Interessanterweise liegt hier eine der Parallelen zwischen der Theorie der Reflexiven Modernisierung und der „Dialektik der Aufklärung“. Wo Beck von „Zweitnatur” oder neuer „Natur-Abhängigkeit“ als Domestizierungsparadox spricht (vgl. van der Loo/ van Reijen 1992), sehen Horkheimer und Adorno zunehmende Naturbeherrschung und zugleich zunehmende Naturverfallenheit dialektisch entstehen.

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  15. Vgl. Giddens’ eingängige Formel der „manufactured uncertainties“, der „hergestellten Ungewissheit” (Giddens 1996 ).

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Kropp, C. (2002). Über das schwierige Verhältnis der Soziologie zur Natur. In: „Natur“. Reihe „Soziologie und Ökologie“, vol 9. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-09181-3_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-09181-3_2

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-3694-0

  • Online ISBN: 978-3-663-09181-3

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