Zusammenfassung
Ansätze zu einer sozialwissenschaftlichen Theoriebildung im Hinblick auf das Verhältnis von Politik, Gesellschaft und Militär lassen sich bis in die Anfänge der modernen Soziologie im 19. Jahrhundert nachweisen. Die sozialwissenschaftliche Beschäftigung mit der militärischen Gewalt unterschied sich dabei erheblich von allen früheren Versuchen zur Etablierung einer eigenen »Militärwissenschaft«, die sich primär als eine »Technik des Krieges« bzw. als Lehre und Forschung hinsichtlich der effizienten Vorbereitung von Streitkräften auf den Krieg verstand. Von ihrer Grundkonzeption her kann deshalb auch von einem kritischen Ansatz der modernen Soziologie zum Militär (als einer staatlichen wie gesellschaftlichen Institution) wie zum Krieg (als einem Feld staatlicher Politik wie gesellschaftlichen Handelns) gesprochen werden. Das Hauptaugenmerk der modernen Sozialwissenschaften galt deshalb seit den Anfängen dem »Verhältnis von Gesellschaft und Militär«, wobei zumeist das Militär als ein in die Gesellschaft eingebundenes Element (bzw. Teilsystem zum Gesellschaftssystem) verstanden wird, das historisch-gesellschaftlich spezifische Organisationsformen annimmt und bestimmte soziale Funktionen wahrnimmt.
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Referenzen
Vgl. BÖCKENFÖRDE Ernst-Wolfgang, Vorwort zu: STEIN Lorenz V., Die Lehre vom Heerwesen. Als Theil der Staatswissenschaft, Neudruck der Ausgabe von 1872, Osnabrück 1967, IX.
Vgl. HOWARD Michael, Der Krieg in der europäischen Geschichte, München 1981, 137.
BRODIE Bernard, War and Politics, London 1973.
Weiters siehe auch zur Entwicklung bis zum 19. Jahrhundert: PARKER Geoffrey, The Military Revolution. Military Innovation and the Rise of the West (1500–1800), Cambridge 1988.
BLACK Jeremy, A Military Revolution? Military Change and European Society (1550–1800), Basingstoke 1991.
Vgl. ELIAS Norbert, Über den Prozeß der Zivilisation, Bd.2, Frankfurt/M. 1980, 205f.: “Für alle naturalwirtschaftlichen Kriegsgesellschaften — und nicht nur für sie — ist das Schwert ein sehr naheliegendes, ein unentbehrliches Mittel zum Erwerb von Produktionsmitteln und die Gewaltandrohung ein unentbehrliches Mittel der Produktion”.
Vgl. SILBERNER Edmund, The Problem of War in Nineteenth Century Economic Thought, Princeton 1946.
Weiters siehe: FREVERT Ute (Hg), Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1997.
Allgemein vgl. TIVEY Leonard (Ed.), The Nation State. The Formation of Modern Politics, Oxford 1981.
Vgl. WACHTLER G. (Hg.), Militär, 161 Wachtier hier weiter: “Die Industrialisierung war also der historisch-gesellschaftliche Wandlungsprozeß, der die Institution Militär gründlich veränderte. Bewaffnete Streitkräfte als Instrumente staatlicher Machtpolitik wurden im Geflecht der heterogenen Interessenstrukturen der entstandenen bürgerlichen Nationalstaaten ihrer Aneignungsfunktionen entledigt und auf Verteidigungsaufgaben eingeschränkt. Gleichzeitig übernahmen sie jedoch neue Funktionen, indem sie in symbolischer Abgrenzungsarbeit die Identität der neuen Staaten mit herzustellen hatten und für Identifikationsmöglichkeiten der Gesellschaftsmitglieder mit ‘ihrem’ Staat als einem ansonsten schwer erfahrbaren Abstraktum zu sorgen hatten”. 41
Über die Entstehung der allgemeinen Wehrpflicht siehe: FOERSTER Roland G. (Hg.), Die Wehrpflicht. Entstehung, Erscheinungsformen und politisch-militärische Wirkung, München 1994.
Vgl. COOK Paul, Darwinism, War and History. The debate over the biology of war from the ‘Origin of Species’ to the First World War, Cambridge 1994 (hier insbesondere das Kapitel 2, das sich mit der Debatte zur Zeit von Spencer und Huxley beschäftigt).
COMTE August, Die Soziologie, hrsg. v. F. Blaschke, Leipzig 1933. Auszüge abgedruckt in: WACHTLER G. (Hg.), Militär, 28–37. COMTE August, Soziologie, 3 Bde., 2. Aufl., Jena 1923, vor allem Bd. 3, 326ff. Weiters siehe: COMTE August, Early Political Writings, hrsg. v. HS. Jones, Cambridge 1998.
COMTE A., Soziologie, Kapitel 8, zitiert nach WACHTLER G. (Hg.), Militär, 30.
COMTE A., Soziologie, Kapitel 14.
COMTE A., Soziologie, Kapitel 14, zitiert nach WACHTLER G. (Hg.), Militär, 36f.
Vgl. CAZENEUVE Jean, Società industrielle et società militaire selon Spencer, in: Revue francaise de sociologie 2 (1961).
ARON Raymond, La società industrielle et la guerre, Paris 1958, 5–17.
MURRAY Robert H., Studies in the English Social and Political Thinkers of the Nineteenth Century, Vol. II: Herbert Spencer to Ramsay MacDonald, Cambridge 1929.
SPENCER Herbert, Essays: Scientific, Political, and Speculative, London 1863.
Weiters siehe: ANDRESKI Stanislav (Ed.), Herbert Spencer. Structure, Function and Evolution, London 1972.
SPENCER Herbert, The Works of Herbert Spencer, 21 Bde., Osnabrück 1966 (Neuauflage der Herausgabe der Jahre 1880–1904).
SPENCER Herbert, Die Principien der Sociologie, Bd. Il, Stuttgart 1887; Auszüge abgedruckt bei: WACHTLER G. (Hg.), Militär, 39–51.
Vgl. SPENCER H., Sociologie, Kapitel X.
Spencer hiezu weiter: “Am einen Extrem finden wir jene kriegerischen Stämme, die, hauptsächlich von der Jagd lebend, sich derselben Einrichtungen, welche den Feinden gegenüber wirksam sind, auch zu der Erlangung ihrer Nahrung bedienen und bei denen das Unterhaltssystem eigentlich nur durch ihre Frauen vertreten ist, die bei ihnen die Sklaven-Gasse bilden; während am andern Extrem ein bis heute allerdings nur erst theilweise entwickelter Typus steht, in welchem die Organisation des Ackerbaues, der Fabrikation und des Handels den wichtigsten Theil der ganzen Gesellschaft bilden und in Ermangelung äusserer Feinde die Einrichtungen zum Angriff und zur Abwehr entweder ganz unbedeutend sind oder völlig fehlen. Obwohl nun fast alle die Gesellschaften, die wir zu untersuchen haben, Übergangsformen darstellen, so können wir doch deutlich die auszeichnenden Züge dieser beiden entgegengesetzten Typen unterscheiden, die sich doch immer durch ein Vorherrschen entweder des äusseren oder des inneren Systems erkennbar machen”, SPENCER H., Sociologie, Kapitel X, zitiert nach dem Textauszug bei WACHTLER G. (Hg.), Militär, 40.
SPENCER H., Sociologie, Kapitel X, zitiert nach dem Textauszug bei WACHTLER G. (Hg.), Militär, 47.
SPENCER H., Sociologie, Kapitel X, zitiert nach dem Textauszug bei WACHTLER G. (Hg.), Militär, 48 (Schreibweise der heute üblichen angepaßt).
TOCQUEVILLE Alexis de, Über die Demokratie in Amerika (dtv-Ausgabe) München 1976, 758.
Allgemein zu Tocqueville siehe: FREUND Dorrit, Alexis de Tocqueville und die politische Kultur der Demokratie, Stuttgart 1974.
MAYER Jacob P., Alexis de Tocqueville. Analytiker der Massenzeitalters, 3. Aufl., New York 1979.
JARDIN André, Alexis de Tocqueville (1805–1859), Paris 1984.
DIEZ DEL CORRAL Luis, El pensamiento polìtico de Tocqueville. Formacion intelectual y ambiente histórico, Madrid 1989.
TOCQUEVILLE A., Demokratie, 758.
TOCQUEVILLE A., Demokratie, 759.
TOCQUEVILLE A., Demokratie, 759.
TOCQUEVILLE A., Demokratie, 762.
WEBER M., Wirtschaft und Gesellschaft, 681.
Vgl. DIGGINS John Patrick; Max Weber. Politics and the spirit of tragedy, New York 1996.
WEBER M., Wirtschaft und Gesellschaft, 681.
Das soziologisch Entscheidende ist in diesem Zusammenhang für Max Weber; “1. daß dabei alles, und zwar gerade auch diese ‘Imponderabilien’ und irrationalen, emotionalen Momente rational ‘kalkuliert’ werden, [...] Und 2. daß die ‘Hingabe’, mag sie auch im konkreten Fall eines hinreißenden Führers noch so stark ‘persönlich’ gefärbt sein, doch ihrer Abgezwecktheit und ihrem normalen Inhalt nach ‘sachlichen’ Charakters ist, Hingabe an die gemeinsame ‘Sache’, an einen rational erstrebten ‘Erfolg’, und nicht an eine Person als solche, bedeutet.” Siehe: WEBER M., Wirtschaft und Gesellschaft, 682.
WEBER M., Wirtschaft und Gesellschaft, 683 und 686.
WEBER M., Wirtschaft und Gesellschaft, 686. Allgemein dazu siehe auch: BREUER Stefan, Die Evolution der Disziplin. Zum Verhältnis von Rationalität und Herrschaft in Max Webers Theorie der vorrationalen Welt, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, vol. 30(1978).
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Kernic, F. (2001). Militär und Gesellschaft — Theorieansätze der Frühen Soziologie. In: Sozialwissenschaften und Militär. DUV Sozialwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08955-1_2
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