Zusammenfassung
Ein grundlegendes Strukturmerkmal eines Börsenplatzes ist das Ausmaß der Handelskonzentration.1 Bei vollständiger Zentralisierung des Handels konzentriert sich das gesamte Auftragsvolumen an einer Hauptbörse. Dagegen konkurrieren bei einer dezentralen Organisation des Handels mehrere Börsen um die Aufträge der Anleger. In diesem Kapitel werden zunächt die Vor- und Nachteile einer zentralen bzw. dezentralen Handelsorganisation diskutiert. Anschließend werden die ökonomischen Ursachen erläutert, die zur Fragmentierung, Konsolidierung oder Segmentierung von Märkten föhren. Im letzten Teil des Kapitels wird am Beispiel des US-amerikanischen und britischen Aktienmarktes eine dezentrale und eine weitgehend zentrale Marktorganisation vorgestellt.
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Literatur
Neben der Handelskonzentration können die Handelsfrequenz, das Verfahren zur Preisermittlung, die Markttransparenz und der Automatisierungsgrad als weitere zentrale Strukturmerkmale eines Handelsplatzes genannt werden. Vgl. Lüdecke (1996) [86], Seite 28f.
Die Anfange des deutschen Börsenwesens reichen bis in das 16. Jahrhundert zurück. Sie entstanden aus dem allgemeinen Markt- und Messeverkehr (Augsburg und Nürnberg) oder aus Gilden und kaufmännischen Genossenschaften (z.B. Hamburg, Frankfurt am Main und Berlin). Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurden in Verbindung mit dem Gesetz über den Wertpapierhandel vom 4.12.1934 die ursprünglich Anzahl von 21 Wertpapierbörsen durch Fusion und Schließung auf neun reduziert. Hierzu gehörten bis auf Bremen alle heute betriebenen Wertpapierbörsen. Am Kriegsende wurden alle Börsen geschlossen. Zwischen 1945 und 1950 folgte die Wiederaufnahme des Handel an den Börsen in Hamburg, München, Frankfurt am Main, Hannover, Düsseldorf, Bremen und Berlin. Bis Mitte der fünfziger Jahre war der Wertpapierhandel durch eine rein förderale Struktur ohne zentrale Leitbörse gekennzeichnet. Mitte der fünfziger Jahre wurde durch die Errichtung der Deutschen Bundesbank mit Sitz in Frankfurt am Main die dortige Börse deutlich aufgewertet. Ein Gesetzentwurf von 1969 sah die Idee einer Leitbörse vor. Diese wurde aber von der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Wertpapierbörsen abgelehnt. Erst Anfang der achtziger Jahre entwickelte sich die Vormachtstellung der Frankfurter Wertpapierbörse (heute Deutsche Börse AG) durch ihre konsequente Umstrukturierung von einer nationalen zu einer international wettbewerbsfähigen Börse. Heute hat sie längst die Funktion einer Leitbörse übernommen. Vgl. Merkt [95] (1997).
Die Vor- und Nachteile zentral und dezentral organisierter Märkte werden u.a. in Cohen et. al. (1986) [17], Schmidt (1993) [114], Schmidt (1997) [117] und Stoll (1992) [134] diskutiert.
Der Wettbewerb unter Märkten führt zu einer höheren Innovationsbereitschaft (moderne Handelssysteme, schnellere Abwicklung, längere Handelszeiten, erweiterte Produktpalette etc.) und reduziert die Transaktionskosten (Preiswettbewerb unter den Anbietern von Sofortigkeitsservice).
Auf den negativen Zusammenhang zwischen Handelsaktivität und Geld-Brief-Spanne wird schon in Demsetz (1968) [21] hingewiesen. Als Ursachen können Losgrößeneffekte bei fixen Geschäftsabwicklungskosten und geringere Bestandshaltekosten genannt werden (vgl. z.B. Schwarz (1988) [118]).
Vgl. Harris (1995) [63].
Im Kontext asymmetrischer Informationen wird Marktteilnehmern mit großen Aufträgen zudem unterstellt, daß sie informiert sind. Dies folgt aus der Annahme, daß informierte Investoren ohne Berücksichtigung von strategischen Überlegungen große Handelsvolumina bevorzugen, um den Gewinn aus ihrem Informationsvorsprung zu maximieren. Somit bewirken große Transaktions volumina neben liquiditätsbedingten Preiseffekten auch zusätzliche negative Preisreaktionen aufgrund ad verser Selektion.
Da informierte Investoren daran interessiert sind, möglichst schnell den Gewinn aus ihrem Informationsvorsprung zu realisieren, werden sie i.d.R. als ungeduldige Investoren charakterisiert. Sie treten somit als Nachfrager von Liquidität auf.
Der Informationsfluß hängt in erster Linie von der Verfügbarkeit von Kursinformationssystemen und von der Publizitätspflicht einzelner Transaktionen ab. Die Automation verschiedener Teilbereiche des Handelsablaufs (Kursinformationssysteme, Order-Routing Systeme etc.) erhöhen hierbei die geografische und zeitliche Verfügbarkeit von Handelsinformationen und somit die Markttransparenz.
free riding“ bezeichnet alle Handelspraktiken bei denen Markteilnehmer die publizierten Preise anderer Marktteilnehmer nutzen, ohne für diese Informationen zu bezahlen bzw. im Gegenzug eigene Informationen offenzulegen.
Blue Chip Aktien in Xetra zu konzentrieren, zwang die Regionalbörsen zu Innovationen gegenüber der nationalen Börse. So wurden die Handelszeiten an den Regionalbörsen stark ausgeweitet und die Mindestabschlußgröße im fortlaufenden Handel reduziert.
Ausführliche Beschreibungen nationaler Aktienmärkte findet man z.B. in Schmidt (1977) [112], Schwartz (1988) [118], Schwartz (1995) [120], Steil (1996) [128] und Schmidt et. al. (1997) [117].
Zur Klassifizierung des (sekundären) Aktienhandels in den USA vgl. Schwartz (1988) [118].
Um sich im Wettbewerb mit den nationalen Börsen behaupten zu können, waren die Regionalbörsen ständig gezwungen, Innovationen im Servicebereich des Aktienhandels voranzutreiben. Als direkte Folge besitzen die Regionalbörsen eine führende Rolle bei der Entwicklung und Einführung automatischer Auftragsleit- und Ausführungssysteme. Vgl. Schmidt et. al. (1997) [117].
Alle Teilnehmer im NASDAQ-Handel werden durch die Aufsichtsbehörde NASD (National Associaton of Securities Dealers) überwacht. Sie stellt keine staatliche, sondern eine von den NASDAQ- Mitgliedern selbst eingesetzte Aufsichtsbehörde dar.
Die Anbieter von PTS sind private Unternehmen. Ihre Kundenbeziehungen werden über allgemeine Geschäftsbeziehungen und privatrechtliche Verträge und nicht über eine von der Aufsichtsbehörde genehmigte Börsenordnung geregelt. Daher können sie flexibler und schneller auf die Erfordernisse von Marktteilnehmern reagieren. Zudem ist zu berücksichtigen, daß eine Börsenleitung nicht nur die Erfordernisse der Marktteilnehmer, sondern auch die ihrer Mitgleider zu berücksichtigen hat. Dieser Konfliktsituation sind die Betreiber der PTS nicht ausgesetzt.
Daraus folgt, daß der Handel in PTS auf dem Auktions- und nicht auf dem Market Maker Prinzip beruht.
Die bekanntesten PTS sind Instinet und Instinet Crossing Networks von Reuters und POSIT (Portfolio System of Institutional Trading) von ITG (Investment Technology Group). Die beiden zuletzt genannten Systeme ermöglichen zum Beispiel auch den Handel von Aktienportfolios institutioneller Anleger zu Referenzpreisen der NYSE.
Vgl. New York Stock Exchange (1996) [96].
Als Broker-Dealer werden Börsenmitglieder bezeichnet, die sowohl als Broker wie auch als Dealer am Börsenhandel teilnehmen können. Sie stellen das Verbindungsglied zwischen Investoren und Market Makern dar. Große institutionelle Investoren können auch direkt mit den Market Makern handeln. Die Inter Dealer Broker handeln ausschließlich mit Market Makern. Ihre Aufgabe ist es, den Market Makern einen diskreten Abbau ihrer Handelsbestände zu ermöglichen. Vgl. Knabe (1996) [83].
Unternehmungen mit geringer Marktkapitalisierung werden nicht über SEAQ, sondern über SEATS, ein börseneigenes Handelssystem, das auf dem Auktionsprinzip basiert, gehandelt.
Die Quotes im SEAQ-System stehen durchschnittlich für Ordervolumen in Höhe von 500.000 $. Vgl. Wells (1995) [138].
Über 60% der Abschlüsse liegen letztendlich innerhalb der quotierten Spanne. Vgl. Wells (1995) [138].
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Kirchner, T. (1999). Zentrale und dezentrale Marktstrukturen. In: Segmentierte Aktienmärkte. Gabler Edition Wissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08940-7_3
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