Zusammenfassung
Da sich die vorliegende Arbeit mit der Berichtererstattung über Philosophie im Zeitverlauf befasst, und hierbei der mögliche Wandel in der Berichterstattung eine Rolle spielt, muss gefragt werden, wie man der Kritik an der Nachrichtenforschung und den Studien zur Verarbeitung komplexer Themen in den Medien begegnen kann. Eine Betrachtung der Philosophieberichterstattung soll einerseits losgelöst vom einzelnen Ereignis und seinen Inhaltskriterien geschehen und andererseits komplexe Strukturen empirisch zugänglich machen. Weiterhin sollen sowohl konstante wie auch wechselnde Phasen der Berichterstattung analysiert werden können. Das Framing-Konzept scheint hier ein vielversprechender Ansatz zu sein. Denn, so meine erste Definition: Frames sind Thematisierungsmuster, die (hier) auf der Ebene von Medieninhalten identifiziert werden sollen. Sie dienen der Selektion und Strukturierung von Bedeutung. Sie können dauerhaft oder kurzfristig angelegt sein.
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Referenzen
Im Folgenden werde die Begriffe „frame“, „Rahmen“ und „Deutungsmuster“ weitestgehend synonym verwendet (vgl. auch Franz, 2000, S. 100).
Von dem Framing Ansatz kann ohnehin nicht gesprochen werden: „Framing research includes studies with diverse assumptions and methods — too diverse, in fact, to lump together under the same label.“ (Takeshita, 1997, S. 23).
Für eine genauere Betrachtung empirischer Umsetzungen für Medien-Frames vgl. Kap. 4.3. Der in dieser Studie verwendete Begriff von Medien-Frames wird in Kap. 4.4 der Arbeit aus der Forschungssynopse abgeleitet.
Bereits hier deutet sich an, dass die Operationalisierung und Messung von Frames in empirischen Material auf unterschiedlichen Ebenen stattzufinden hat. So ist die pure Selektion von Themen als Framesetzung auf niedrigerer Ebene zu verstehen und die diskursive Behandlung eines Themas durch Bezugnahme, Bewertung und Lösungsvorschläge als Framing auf höherer Ebene.
Der Begriff des Textes wird in einem weiteren Sinne verstanden. Filme, Bilder oder Gespräche können auch Texte sein.
Kommunikatoren müssen natürlich nicht notwendig Journalisten sein. Es kann sich z. B. auch um Verbände oder Bürgerinitiativen handeln (McAdam, 1994).
Hierin gleicht das Framing-Konzept erklärt konstruktivistischen Ansätzen. Schmidt (1994) betont, dass massenmedial angebotene Wirklichkeitskonstruktionen dann von größerer Bedeutung sind, wenn die Rezipienten mit den angebotenen Kontakten nicht persönlich in Kontakt treten können. Aber selbst wenn der Kontakt zu Medieninhalten stattgefunden hat, ist das, was als Vorstellung beim Rezipienten entsteht längst kein Abbild der Medienrealität: Die Unterschiede zwischen der Medienberichterstattung und subjektiven Vorstellungsbildern „zeigen, daß doch ziemlich deutliche und weitreichende Veränderungen der Bedeutungen und Bedeutungsstrukturen eines Themas durch das Publikum vorgenommen werden — vielleicht sogar schon so weitgehend, daß man sich fragen muß, ob dies eigentlich noch die Themen der Medien sind, oder ob sich das Publikum, zwar angeregt und geleitet durch die Medien, nicht längst seine eigene Welt konstruiert hat.“ (Früh, 1992, S. 89). Ähnliches dürfte für die Ausbildung von Frames gelten.
Hier wird der Beginn des Framing-Konzepts bei Goffman gesehen, weil er den Begriff der Rahmen-Analyse eingeführt hat. Einige Autoren sehen in der Attributions-Theorie den Vorläufer zur Rahmen-Analyse (z. B. Scheufeie, D., 2000). Auf eine Aufarbeitung der Attributions-Theorie wird an dieser Stelle verzichtet (siehe Heider, 1959).
Obwohl Goffman als bedeutender Soziologe anerkannt ist, ist er insgesamt doch relativ folgenlos geblieben. Seine theoretische Orientierung wurde nur selten fortgesetzt. Er bedient sich in seiner Rahmenanalyse explizit nicht nur soziologischer, sondern auch psychologischer Erkenntnisse (z. B. Willems, 1997).
Goffman drückt das so aus: „Ich gehe davon aus, daß Menschen, die sich gerade in einer Situation befinden, vor der Frage stehen: Was geht hier eigentlich vor? Ob sie nun ausdrücklich gestellt wird, wenn Verwirrung und Zweifel herrschen, oder stillschweigend, wenn normale Gewißheit besteht — die Frage wird gestellt, und die Antwort ergibt sich daraus, wie die Menschen weiter in der Sache vorgehen.“ (Goffman, 1977, S. 16)
Womit bereits eine Übertragbarkeit des Rahmen-Konzeptes etwa auch auf Medien oder Redaktionen angedeutet ist (vgl. Kap. 4.3).
Diese Aussage ist z. B. für die Methoden der empirischen Sozialforschung von besonderer Bedeutung. Nur wenn so etwas wie ein „common meaning ground“ (Berelson, 1952) existiert, ist intersubjektiv nachvollziehbare Textanalyse möglich.
So löst etwa die Beobachtung von sich schlagenden Menschen den Rahmen ‚Kampfverhalten‘ aus. Je nach Kontext kann das Kampfverhalten auch als Spiel gedeutet werden. Der primäre Rahmen bleibt aber ‚Kampfverhalten‘.
Diesen Gedanken der Rahmen-Theorie kann man durchaus konstruktivistisch lesen: „Während sich für Goffman Rahmen durch relative Autonomie und Immunität gegenüber der Praxis auszeichnen, ist die Rahmung, die Umsetzung von Sinn und der Sinn für Sinn, für ihn mehr oder weniger kontingent, offen und anpassungsbedürftig.“ (Willems, 2000, S. 218). Die Wirklichkeit bildet also nur die Basis für eine je unterschiedliche Konstruktion von Teilwirklichkeiten.
Frühe empirische Belege für die Wirksamkeit solcher Modulationen liefert bereits Hovland (1965), indem er Soldaten identische Zeitungsartikel aus angeblich unterschiedlicher Quelle (Prawda vs. New York Times) vorlegt. Die Quelle als Rahmenbedingung hat erheblichen Einfluss auf die Deutung und Erinnerung des Inhalts durch die Versuchspersonen.
In Goffmans Sprache klingt das so: „Nach der bisher gültigen Definition muß der innerste Teil eines gerahmten Vorgangs etwas sein, das als untransformierte Wirklichkeit auftritt oder auftreten könnte. Findet dieser Vorgang nicht tatsächlich statt, sondern dient er lediglich als Urbild für eine Modulation, dann kann man sich das Ergebnis so vorstellen, daß es zwei Schichten enthält — Urbild und Bild, Kopiertes und Kopie -, und daß die äußere Schicht der Rand des Rahmens, die Stellung des Vorgangs in der Wirklichkeit bestimmt.“ (ebd. S. 176).
Am Beispiel der Fernsehsendung Herzblatt weist Müller (1999) die unterschiedlichen Schichtungen in einer Reality-Fernsehshow nach.
Goffman beschreibt ausführlich, wie sich der Hauptvorgang (Rahmen) gegen konkurrierende Ereignisse ‚durchsetzt‘ und wie es geschieht, dass entweder Mitteilungen völlig ignoriert werden („ignorierter Kanal“) oder Mitteilungen jenseits des Hauptvorgangs („Überlagerungskanäle“ und „verdeckte Kanäle“) verwendet werden. Für die journalistische Arbeit ist sicherlich beides von Bedeutung. Zum einen ist es wichtig, sich in einem Bezugsrahmen bewegen zu können, also nicht für jeden neuen Artikel ‚die Welt neu erklären zu müssen‘. Zum anderen werden über Mitteilungen jenseits des Hauptvorgangs neue Aspekte an den Rahmen herangetragen. Journalistische Arbeit dürfte aus einem Wechsel zwischen aktivem Ignorieren und Einbinden von Mitteilungen jenseits des Hauptvorgangs bestehen.
Im Rahmen der Medienwirkungsforschung ist dieses Phänomen hinlänglich mit selektiver Zuwendung, Wahrnehmung und Erinnerung beschrieben (z. B. Schönbach, 1996).
Scheufeie (2000) weist auf weitere Konzepte hin, die Verwandtschaft zum Framing besitzen: Skripts, Attributionsforschung, Priming sowie den „discourse approach“. Er fordert für den Framing-Ansatz eine Integration dieser Konzepte und benennt auch wesentliche Ähnlichkeiten zur Schema-Theorie. Ihm geht es in erster Linie um die Wirkung von Medien-Frames.
Diese Übertragung von Begrifflichkeiten findet übrigens auch umgekehrt statt. So spricht Friedman (1979) in einer Arbeit über die Wahrnehmung von Bildern auch von „Framing Pictures“. Esser (1996, S. 17 ff.) übernimmt den Framing-Begriff ebenfalls für wahrnehmungspsychologische Phänomene bzw. für die Definition von Situationen durch Menschen: „Framing ist die kluge Antwort des menschlichen Organismus auf das Problem der bounded rationality.“
Frame und Schema werden insgesamt häufiger als ‚unscharfe Begriffe‘ bezeichnet (z. B. Brosius, 1991; Scheufeie, 1999), so dass es umso wichtiger ist zu klären, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen.
Für das Umschaltverhalten beim Fernsehen ‚dekliniert‘ Bilandzic (1999) einen schema-gesteuerten Ablauf durch.
Die Ergebnisse der Nachrichtenforschung legen nahe, dass ähnliche Prozesse bei der Auswahl von Nachrichten eine Rolle spielen. Denn Nachrichten haben dann größere Chancen berichtet zu werden, wenn sie bereits Gegenstand der Berichterstattung sind oder waren.
Und dabei sind theoretisch beide Erklärungsrichtungen plausibel. Sieht man die Philosophieberichterstattung als abhängige Variable, sind es die gesellschaftlichen Umstände, redaktionellen Vorgaben o. ä., die sie beeinflussen. Werden die Rahmen als unabhängig interpretiert, sind sie es die Medien, die noch vor dem ‚Rest der Gesellschaft‘ Rahmen setzen. Da solche zeitlichen Zusammenhänge hier kaum messbar sind, wird schlicht von einem Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Bedingungen und Rahmen der Berichterstattung ausgegangen, ohne eine Wirkungsrichtung zu postulieren.
Vgl. auch die Ausführungen über den episodischen Verlauf von Mediendiskursen bei Weßler (1999, S. 42 f.)
Hierdurch wird die Verwandtschaft zum Agenda-Setting-Ansatz angedeutet. Die (verkürzte) These des Agenda-Setting-Ansatzes lautet, dass Themen, die in den Medien als wichtig behandelt werden, auch vom Publikum als wichtig wahrgenommen werden (Dearing & Rogers, 1996, 1996a). Das Verhältnis von Agenda-Setting und Framing wird in dieser Arbeit nicht grundlegend diskutiert (dazu Scheufeie, D., 2000), sondern nur angedeutet (siehe Kap. 4.4). Gleichfalls wird sichtbar, dass diese Untersuchung auch Elemente der Nachrichtenforschung enthält und durch die Berücksichtigung von Umfang und Platzierung der Nachrichtenwert eines Frames miterhoben wird.
Inzwischen liegen auch Studien vor, die sich auf einzelne Elemente beschränken. Benoit (2001) untersucht z. B., welche Metaphern Bill Clintons Wahlerfolg von 1996 erklären könnten.
Z.B. für den Konflikt-Frame „Does the story reflect disagreement between parties-individuals-groupscountries?“ (S. 100).
Die Untersuchung von Argumentstrukturen wird von Weiß (1989) auch für die Untersuchung von Agenda-Setting-Prozessen vorgeschlagen.
Zu den Unterschieden in den theoretischen Voraussetzungen in den beiden Konzepten siehe vor allem Scheufeie, D. (2000).
Dass Themenfelder „strukturierte Wissensbestände“ sind, bringt den Thema-Begriff erneut in die Nähe des hier verwendeten Frame-Begriffs (vgl. Kap. 4.2).
Es sei nochmals betont, dass hier ein Vorschlag für eine sinnvolle Operationalisierung des Framing-Konzeptes gemacht wird. Insgesamt steht das Framing-Konzept, seine empirische Überprüfung und Konkretisierung erst am Anfang (Kunczik, 2001, S. 271 ff.).
Brosius und Eps (1993) stellen fest, dass bisher nur äußerst wenige Studien (z. B. Hendrickson, 1993; Woo, 1993) vorliegen, die das Framing-Konzept explizit und vorwiegend zur Basis der empirischen Arbeit gemacht haben. Dieser Mangel scheint bis dato kaum behoben, wenngleich die Zahl der Studien, die sich auf Teile des Framing-Konzepts beziehen, zu wachsen scheint (z. B. Görke, Kohring, Ruhrmann, 2000).
Zum Begriff des Forums siehe z. B. Neidhardt (1998) oder Franz (2000).
Vgl. dazu auch die Feststellungen zur Expansion der Kommunikatoren und Verdichtung der Kommunikation in Umbruchphasen bei Imhof und Schulz (1998).
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Harden, L. (2002). Framing. In: Rahmen der Orientierung. Sozialwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08903-2_4
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