Zusammenfassung
Insgesamt machen Karin Rabe und Julia Weber auf die Bedeutung von leidensbedingten Schlüsselsituationen für die Biographie aufmerksam; Julia Weber spricht sogar von „Marksteinen“ (eine natürliche Kategorie). Freilich beinhalten die leidensbedingten Situationen sehr unterschiedlich Reaktions- und Handlungsweisen; hier bilden die beiden Fälle einen maximalen Kontrast.1 Für sie suche ich im vorliegenden Abschnitt theoretische Fürsprecher: a) bei Karin Rabe beinhaltet das Leiden eine Erhöhung der Erlebniskomplexität, da viele Aspekte des Berufes, die für ihre Identität wichtig sind, nach der Wende brüchig werden. Wenn auch ihre charakteristische Handlungsweise darin besteht, die Erlebniskomplexität letztlich verarbeiten zu können (sich für die Erzieherinstelle zu entscheiden), so lassen sich doch nicht die vor der Entscheidung auftretenden intensiven Erleidenszustände übersehen, die dazu führen, daß die biographische Zukunft düster wird und sich zeitweise sogar zu verschließen scheint. Wie ich im nächsten Kapitel zeigen möchte, kann man diese Zustände in Anlehnung an die phänomenologische Soziologie von Alfred Schütz als Erleiden an einer erhöhten Erlebniskomplexität verstehen, welches zunächst das gewohnte Handeln und den biographischen Fahrplan blockiert; es dominieren scheinbar übermächtige Geschehnisse. b) Bei Julia Weber springt ein ganz anderer Charakter des Leidens ins Auge, besteht es doch aus spontanen Empörungen gegen fremde Handlungsbedingungen. In der hochgradig gefühlsgeprägten Art ihres Handelns erfolgt offensichtlich eine nicht erlebte Komplexitätsreduktion von Sinn.
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Literatur
Dazu gehören Unterschiede in dr Hhufigkeit der Leidenlebnissqwahrend sich karin Rabe im Zuge des lidens geIlatigt Metzt, ihren biographischezI Vedauf einmalig zu stabilisieren,gibt es bei JtIlia Weber immer wieder leiidensbedinge schlüelsituation
Wertvolle theoretische Hinweise gab Uwe Schimank: Flipperspielen und Lebenskunst, in: Hagener Materia1ien zur Soziologie, FemUniversität Hagen, Heft 1, 1997, 20–38
Zu den thematischen Aufmerksamkeitswechseln in der Zuwendung zu verschiedenen Sinnbezirken kommt ein “Wie der Zuwendung zum eigenen Erieben” hinzu; Alfred Schütz: Der sinnhafte Aufbau der sozia1en Welt, Frankfurt a.M. 1993 (zuerst 1932 ), S. 83.
vgl. Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaft1iche Konstruktion der Wirk1ichkeit, Frankfurt a.M. 1994, S. 24.
vgl.allgemein:Alfred Schatz:Das Problem daRelevanL FrankfuIt aM.1982.Wie ich mich in der Situation verha1te, wird nach Schütz (und Luckmann) von der “Motivationsrelevanz”bestimmt (Alfred Thomas Luckmann: Strukturen der Lebenswelt, Bd. 1. M. 1979, S. 253 ff.). Motivationsrelevanzen sind unterteilt in Um-zu- und WeilMotivation. Um-zu-Motive beziehen sich auf Entwürfe. Sie sind Bestimmungsgründe des Handelns. In sie gehen zugleich Erfahrungen, Weil-Motive ein. Sie sind Bestimmungsmomente des Entwurfs (vgl. Alfred Schütz: Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt, a.a.O., S. 123). Zur Wirklichkeitskonstitution gehört darüber hinaus eine thematische Relevanz, die als solche in die Aufmerksamkeit rückt, wenn sich die Wirklichkeit nicht an die ‘automatischen Erwartungen’ h且Themenwechsel, der infolge eines Bruchs in den automatischen Erwartungen ... zustande kommt“ Alfred Schütz Thomas Luckmann: Strukturen der Lebenswelt, a.a.O., S. 232), kann ein problematischer Gegenstand ins Bewußtsein rücken: “Er rückt aus dem Horizont dem er bliebe, wenn er sich in die automatischen Erwartungen einfüge, in den Kem des Erfahrungsablaufs“ (231). Mit ”Interpretationsrelevanz“ (241 ff.) bezeichnen Schütz u-nd Luckmann darüber hinaus die Möglichkeit, nach einem aufgezwungenen Themenwechsel ein Situationsthema emeut in “Beziehung zu anderen Erfahrungen” (ebd.,241>zu setzen.
Peter L. Berger, Thomas Luckmann: Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, a.a.O., S. 24, sprechen von einem Schock.
vgl. Andreas Balog: Rekonstruktion von Handlungen. Alltagsintuitionen und soziologische Begriffsbildung, Opladen 1989, S. 112
Vgl.Hans Paul Bahrdt:Grundformen sozialer Situationen.Eine Kleine GramrIlatik des Antagslebens, Manchen1996, s.49fJ JUrgerh Markowitz:Die soziale Situation.Entwuzf eines Modells zur Ana1yse der Verhältnisse zwischen personalen Systemen und ihr Umwelt Frankfurt a.M. 1979, S. 164 ff.
Klaus Günther: Das Problem der Angemessenheit, a.a.O., S. 109
VELEmile Durkheim:17bersozialEArbeitsteilung, Frankfurt a.M.1988, S.330
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Brüsemeister, T. (1998). Noch einmal Theorien. In: Lernen durch Leiden?. DUV: Sozialwissenschaft. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08697-0_5
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