Zusammenfassung
Der Begriff der internationalen Standortverlagerung taucht in der ökonomischen Literatur zumeist in Zusammenhang mit rezessionären Entwicklungen in Industrieländern und der daraus resultierenden Diskussion über die Vor- bzw. Nachteile dieser Länder als Produktions- und Investitionsstandort auf1. Die Standortdebatte wird dabei durch die konjunkturell oder strukturell bedingte Verlangsamung bzw. Verringerung der inländischen Produktions- und Investitionstätigkeit ausgelöst. Internationale Standortverlagerungen werden in diesem Kontext als Ausdruck der Standortschwächen und Gefährdung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft interpretiert. Die Unternehmen sehen dagegen internationale Standortverlagerungen als eine Reaktionsmöglichkeit auf eine Verschlechterung der Standortbedingungen und eine mögliche Maßnahme zur Sicherung und Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit an. Ursache und Wirkungen internationaler Standortverlagerungen bezüglich einer Volkswirtschaft oder eines Unternehmens können aber nur dann analysiert werden, wenn Klarheit darüber herrscht, was sich hinter dem Begriff „Internationale Standortverlagerung“ verbirgt. Da der Begriff der internationalen Standortverlagerung zumeist ohne weitergehende Erklärung gebraucht wird und keine generell anerkannte Definition existiert, wird hier zunächst eine Definition der internationalen Standortverlagerung gegeben, auf deren Grundlage die Aussagen und Hypothesen in den nachfolgenden Kapiteln getroffen werden.
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Literatur
Vgl. z.B. die beiden folgenden Artikel, die die Problematik der Standortdebatte in Deutschland und der Standortverlagerungen deutscher Unternehmen kurz und prägnant behandeln: Hoffmann, Lutz (1994): Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Vergleich, Gewerkschaftliche Monatshefte 1/94, S. 45–57; Kantzenbach, Erhard (1993): Der Wirtschaftsstandort Deutschland im internationalen Wettbewserb, Wirtschaftsdienst 1993/XII, S. 625–632.
Vgl. z.B. Wortmann, Michael (1990): Produktionsverlagerungen aus der Bundesrepublik Deutschland an die Peripherie, Vierteljahresberichte der Friedrich-Ebert-Stiftung, Nr. 122, Dezember 1990, S. 381–392.
Vgl. Bargel, Marco (1993): Internationale Kapital- und Technologietransfers multinationaler Unternehmen, Freiburg i.Br., S. 113: Dieser Kontrollaspekt ist ausschlaggebend für die Abgrenzung der Direktinvestitionen gegenüber Portfolioinvestitionen: Mittels Portfolioinvestitionen werden internationale Renditedifferenzen ausgenutzt, die unterschiedliche Anlagerisiken widerspiegeln. Da das Anlagekapital unter dem Aspekt der Risikodiversifizierung gestreut wird, werden auch Portfolioinvestitionen mit geringer Rendite getätigt, sofern diese nicht oder negativ korrelieren und dadurch das Risiko des Gesamtportfeuilles gemindert wird.
Deutsche Bundesbank (1993): Die Entwicklung der Kapitalverflechtung der Unternehmen mit dem Ausland von Ende 1989 bis Ende 1991, Monatsbericht April 1993, S. 47 ff.; Stehn, Jürgen (1992): Ausländische Direktinvestitionen in Industrieländern: theoretische Erklärungsansätze und empirische Evidenz, Kieler Studien 245, Tübingen, S. 5: Meldeinhalt und Meldeverfahren für ausländische Direktinvestitionen in Deutschland und für deutsche Direktinvestitionen im Ausland werden durch die Vorschriften der Außenwirtschaftsverordnung §§ 56 a und b sowie 58 a und b festgelegt. Meldepflichtig sind direkte Unternehmensbeteiligungen ab einem Anteil von 20% am Nominalkapital oder an den Stimmrechten, wobei seit 1993 eine Meldefreigrenze bis zu einer Bilanzsumme von 1 Mio. DM existiert; in den U.S.A. liegt der meldepflichtige Kapitalanteil bei 10%. Empirische Untersuchungen in den U.S.A. haben ergeben, daß die amerikanischen Muttergesellschaften durchschnittlich zu 80% am Gesellschaftsvermögen ihrer Töchter beteiligt sind, so daß trotz international unterschiedlicher Grenzwerte im allgemeinen keine Zurechnungsund Vergleichbarkeitsprobleme bei der Betrachtung ausländischer Direktinvestitionen auftreten.
Für eine Übersicht über die Theorieansätze zur Erklärung ausländischer Direktinvestitionen: Vgl. Tesch, Peter (1980): Die Bestimmungsgründe des internationalen Handels und der Direktinvestition, Volkswirtschaftliche Schriften Heft 301, S. 261 ff., Berlin; Krist, Herbert (1985): Bestimmungsgründe industrieller Direktinvestitionen, Berlin, S. 48–115; Stehn, Jürgen (1992), a.a.O., S.17–84;
Dunning, John H. (1979): Explaining Patterns of International Production: In Defence of the Eclectic Theory, Oxford Bulletin of Economics and Statistics, Vol. 41, S. 277.
Dunning, John H. (1977): Trade, Location of Economic Activity, and the Multinational Enterprise: A Search for an Eclectic Approach, S. 395–418, in: Ohlin, Bertil/Hasselborn, Ove/Wijkman, Per Magnus (Hrsg.): The International Allocation of Economic Activity, London.
Stehn, Jürgen (1992, a.a.O., S. 63–84.
Ragazzi, Giorgio (1973): Theories of the Determinants of Foreign Direct Investment, International Monetary Fund Staff Papers, Vol. 20, S. 471–498.
Tobin, James (1958): Liquidity Preferences as Behavior towards Risk, Review of Economic Studies, Vol. 25, S. 65–86.
Markowitz, Harry M. (1959): Portfolio Selection, Efficient Diversification of Investments, New York.
Vgl. Rugman, Alan M. (1977): Risk, Direct Investment and International Diversification, Weltwirtschaftliches Archiv (113), S. 487–500, insbesondere S. 492.
Vernon, Raymond (1966): International Investment and Trade in the Product Cycle, The Quarterly Journal of Economics, Vol. 80, S. 190–207.
Vgl. Branson, William H. (1970): Monetary Policy and the New View of International Capital Movements, Brooking Paper on Economic Activity, No. 2, S. 235–262; Floyd, John E. (1969): International Capital Movements and Monetary Equilibrium, The American Economic Review, Vol. 59, S. 472–492.
Coase, Ronald H. (1937): The Nature of the Firm, Economica, Vol. 4, S. 386–405.
Williamson, Oliver E. (1975): Markets and Hierachies: Analysis and Antitrust Implications: A Study in the Economics of Internal Organization, New York.
Buckley, Peter J. and Casson, Marc C. (1976): The Future of the Multinational Enterprises, London and Basinstoke.
Vgl. Baumol, William J. (1967): Business Behavior, Value and Growth, 2. Aufl., New York.
Vgl. Niskanen, William A. (1971): Bureaucracy and Representative Government, Chicago/New York: Parallelen können hier zur Theorie der Bürokratie gezogen werden, bei der unterstellt wird, daß ein Bürokrat mit der Maximierung des ihm zur Verfügung stehenden Budgets auch seinen persönlichen Nutzen maximiert.
Vgl. den Überblick bei Krist, Herbert, a.a.O., S. 80–85; Behrens, Karl C. (1961): Allgemeine Standortbestimmungslehre, Köln und Opladen.
Vgl. Lösch, August (1940): Die räumliche Ordnung der Wirtschaft, Jena.
Vgl. die Übersichten bei Tesch, Peter (1980), a.a.O. S. 357 ff..
Vgl. Adebahr, Hubertus (1981), a.a.O., S. 27–33.
Vgl. Wortmann, Michael (1990), a.a.O., S. 381–392; Sydow, Jörg (1992): Strategische Netzwerke und Transaktionskosten, Managementforschung 2 (1992), S. 239–311.
Vgl. Adebahr, Hubertus (1981), a.a.O., S. 33–35.
Vgl. z.B. Lorz, Jens Oliver (1993): Direktinvestitionen des Verarbeitenden Gewerbes in Industrieländern, Die Weltwirtschaft, H. 2, S. 149–166; Moore, Michael O. (1993): The Determinants of German Manufacturing Direct Investment: 1980–1988, Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 129, H. 1, S. 120–138; Benito, Gabriel R.G./Gripsrud, Geir (1992): The Expansion of Foreign Direct Investments: Discrete Rational Location Choices or a Cultural Learning Process, Journal of International Business Studies, Third Quarter 1992, S. 461–476; Markusen, James R./Rutherford, Thomas F. (1994): Discrete Plant-Location Decisions in an Applied General-Equilibrium Model of Trade Liberalization, Weltwirtschaftliches Archiv, H. 1,S. 131–151.
Vgl. z.B. Westerhoff, Horst-Dieter (1991): Direktinvestitionen zur Internationalisierung der deutschen Wirtschaft, Ifo-Studien, 37, S. 19–37; Horstmann, Winfried (1992): Direktinvestitionen - Ein Indikator für die internationale Standort-Wettbewerbsfähigkeit?, Wirtschaftsdienst, 1992/IX, S. 472–476; Jungnickel, Rolf (1993): Recent Trends in Foreign Direct Investment, Intereconomics, May/June 1993, S. 118–125.
Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Mittwoch 23. August 1995, Nr. 195, S. 21: Ein Beispiel für additive Standortverlagerungen stellt das Kaskaden-Modell der Volkswagen AG dar, das neben einer Flexibilisierung der Arbeitszeit auch die Möglichkeit des Austauschs von Fertigungen zwischen den einzelnen Werken zwecks besserer Anpassung an die Nachfrage vorsieht.
Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, Donnerstag, 19. Oktober 1994, S. 26: Als Beispiel für eine antizipative Standortverlagerung kann der Aufbau des neuen Motorenwerkes der Audi AG, deren Stammhaus sich in Ingolstadt, Deutschland, befindet, am Standort Gyoer, Ungarn, angeführt werden.
Vgl. Heinen, Edmund (1990): Industriebetriebslehre, 8.Auflage, durchges. Nachdruck, Wiesbaden, S. 95.
Vgl. Rommel, Kurt/Püschel, Manfred (1994): Outsourcing: Quantitative und qualitative Aspekte, S. 119–134, in: Wagner, Helmut (1994) (Hrsg.): Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensforschung, Wiesbaden: Outsourcing ist hier definiert als der Bezug von Dienstleistungen in Zusammenhang mit der Informationsverarbeitung von einem fremden Unternehmen.
Vgl. Bundesministerium für Forschung und Technologie (1993): Zur technologischen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie, Pressedokumentation 17/93.
Vgl. Ewers, Hans-Jürgen (1994): Der Fall Transrapid, Wirtschaftsdienst 8/1994, 74. Jg., S. 385–389: Eine relative Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aus der Sicht der forschenden Industrie liegt beispielsweise dann vor, wenn - wie im Fall Transrapid - die Forschung der Industrie von der öffentlichen Hand subventioniert wird. Als Beispiel für eine relative Verschlechterung der institutionellen Rahmenbedingungen aus der Sicht der forschenden Industrie können die Verordnungen und Gesetze im Zusammenhang mit der Gentechnologie in Deutschland angesehen werden, die zu einer Verlagerung von Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in die U.S.A. geführt haben.
Vgl. Klodt, Henning (1987): Wettlauf um die Zukunft: Technologiepolitik im internationalen Vergleich, Kieler Studien 206, Tübingen, S. 59ff..
Lang, Roland (1994): Internationalisierung der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten?, Informationen über multinationale Konzerne, 2/94, S. 11–16: Die These einer zunehmenden Internationalisierung der Forschung und Entwicklung läßt sich empirisch nicht eindeutig belegen. Es läßt sich lediglich zeigen, daß die Internationalisierung der Forschung und Entwicklung langsamer voranschreitet als die der Produktion.
Vgl. die Ausfuhrungen zur vertikalen Direktinvestition in Kapitel 2.2.2..
Vernon, Raymond (1966), a.a.O., S. 202–207: Als Beispiel für standardisierte Produkte führt Vernon Rohstahl, einfache Düngemittel, Zeitungspapier und bestimmte Textilgüter an. Den Prozeß der Produktionsverlagerung stellt er anhand der Wanderungsbewegungen der Produktion von Baumwolltüchern und Männerhemden in der Textilindustrie und der Produktion von Röhren und Widerständen in der elektronischen Industrie vom Norden in den Süden der U.S.A. dar. An Beispielen für die Verlagerung der Herstellung standardisierter Produkte in Entwicklungsländer mangelt es jedoch, wie Vernon offen zugibt. Lediglich der Aufbau der exportorientierten Zulieferindustrie von Computer-Bauteilen in Argentinien und Taiwan und der exportorientierten Produktion von Nähmaschinen in Indien dienen ihm zur Unterstützung seiner Produktzyklushypothese.
Vgl. Walldorf, Erwin Georg (1992): Die Wahl zwischen unterschiedlichen Formen der internationalen Unternehmer-Aktivität, S. 447–470; Moeser, Günther (1992): Internationale Akquisitionen und Fusionen als Strategie des Markteintritts in Auslandsmärkte: Probleme und Chancen, S. 549–567, beide in: Kumar, Brij Nino/Haussmann, Helmut (Hrsg.) (1992): Handbuch der internationalen Unternehmenstätigkeit, München.
Vgl. Beer, Elisabeth (1992): Globalisierung der Wirtschaft, Informationen über multinationale Konzerne, 4/92, S. 27–29: Um eine Vorstellung davon zu vermitteln, welche Bedeutung diesen einzelnen Arten generell in Bezug auf die internationale Unternehmertätigkeit zukommt, seien hier die Größenordnungen für ausländische Direktinvestitionen in den U.S.A. angeführt: 30% der ausländischen Direktinvestitionen in den U.S.A sind Fusionen, Übernahmen und Beteiligungen, 20–25% Neugründungen und knapp die Hälfte Investitionen in bestehende ausländische Tochtergesellschaften.
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Deuster, J. (1996). Der Sachverhalt der internationalen Standortverlagerung. In: Internationale Standortverlagerungen deutscher Unternehmen. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08602-4_2
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