Zusammenfassung
In diesem Kapitel geht es um die Voraussetzungen, unter denen Vertragsparteien erwarten können, ihre Ansprüche innerhalb einer Rechtsordnung durchzusetzen. Ein Vertrag, also eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien, spezifiziert hier eine Leistung, die eine Seite zu erbringen hat, sowie die Gegenleistung der anderen Seite. So kann beispielsweise die eine Partei versprochen haben, Lohn im voraus zu zahlen, woraufhin die andere Partei eine Dienstleistung erbringen soll. Die Vereinbarung könnte aber auch vorsehen, daß die erste Partei der anderen einen Dienst erweist und die zweite daraufhin einen vereinbarten Lohn zahlen soll. Beide Arten von Vereinbarungen führen zu derselben strategischen Interaktion. Sie läßt sich durch das folgende Spiel zwischen den Akteuren Charlie (C) und Lucy (L) modellhaft abbilden.
„In dem Augenblick, in dem die Wirtschaftstheorie die ‘Friedlichkeit’ als von ihr nicht in Frage zu stellendes Datum setzt, hat sie auch schon die Möglichkeit verscherzt, Grundlagenwissenschaft der Wirtschaftspolitik sein zu können.“
Wolfgang Stützel (1972, 184)
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Literatur
Der Grund hierfür liegt darin, daß rationale Akteure als Maximierer einer Erwartungsnutzensfunktion aufgefaßt werden können, die bis auf affine Transformationen bestimmt ist; vgl. Hargreaves Heap (1992, 10). Bei Risikoneutralität ist diese Nutzenfunktion linear; durch affine Transformation kann jede lineare Funktion in die Identität überführt werden.
Es handelt sich um einen Spezialfall des „Centipede“-Spiels, siehe Rosenthal (1981). Ausführlicher zum Vertrauensspiel: Kreps (1990) oder Coleman (1990).
Vgl. die Darstellung in der Einleitung, Abschnitt 1.4 auf Seite 18.
Die Standardannahme „Common Knowledge of Rationality“ — für beide Parteien gilt: Sie weiß, daß die andere rational ist, sie weiß, daß die andere weiß, daß sie rational ist, etc. — ist für dieses Lösungskonzept hinreichend, aber nicht notwendig; vgl. Hargreaves Heap/Varoufakis (1995, 85).
Vgl. Eichberger (1993, 155). Voraussetzung für diese Prozedur ist zunächst, daß an jedem Knoten eine eindeutige Entscheidung getroffen werden kann. Ist dies nicht der Fall, so kann aber u. U. noch mit weiteren Überlegungen ein teilspielperfektes Gleichgewicht abgeleitet werden, vgl. Selten (1965).
In seinem Roman „The Rainmaker“ konstruiert John Grisham ein anschauliches Beispiel für Vertragsopportunismus: Eine amerikanische Versicherungsgesellschaft lehnt es absichtlich ein Jahr lang ab, auf jeden größeren Schadensfall hin die Deckungssumme zu leisten, obwohl sie aufgrund der Beitragszahlungen und der Vertragsbedingungen dazu verpflichtet gewesen wäre: „The company decided to deny every claim over one thousand dollars for a twelve-month period. It didn’t matter how legitimate the claim was, it was simply denied. (...) It had never been done before in the industry, and it was generally viewed by the management as a wonderful idea. Deny for a year, add up the money saved, deduct the amount spent on quickie court settlements, and there’s a pot of gold left.“ Grisham (1996, 497).
Offenbar haben die Versicherungsnehmer in Grisham (1996) nicht diese Erwartung gehegt, sondern ihre Vorleistungen in Form von Beitragszahlungen erbracht. Der Grund dürfte im „Schatten der Vergangenheit“ gelegen haben.
Vgl. auch Edlin/Reichelstein (1996, 478): „....the parties may be hesitant to make relationship-specific investments without adequate contractual protection“. Die Autoren integrieren die Problemkreise Vertragsopportunismus („hold-up“, vgl. Williamson (1985)) und effizienter Vertragsbruch, vgl. Shavell (1980), in ein Modell. Für diese Zweige der vertragstheoretischen Literatur ist Unsicherheit über vertragsrelevante Umweltzustände maßgeblich, die ich allerdings in meiner Analyse vernachlässigen kann.
Vgl. zur allgemeinen institutionenökonomischen Analyse ausbeutbarer Vorleistungen Williamson (1985) und (1990).
Vgl. Mackaay (1998, 19), der Regeln und Rechtsdurchsetzungsinstitutionen als „Mittel zur Verhinderung oder wenigstens Reduzierung strategischen Verhaltens“ beschreibt (eigene Übersetzung).
Ein anderes Konzept gerichtlicher Fehler zielt auf die Festlegung des optimalen Schadensersatzes; vgl. Rasmusen (1995). Hier kann von dieser Fehlerquelle abgesehen werden, weil im folgenden Modell die „Schadenshöhe“ (also der Streitwert) als unstreitig angenommen ist.
Dieser Ansatz wurde in der Literatur oft gewählt, um die Auswirkungen der britischen und der amerikanischen Kostenregel auf die Klagebereitschaft zu untersuchen; vgl. etwa Rosenberg /Shavell (1985) oder Polinsky/Rubinfeld (1998).
Buchanan (1975, 69) stellt diesen Unterschied heraus, allerdings ohne die hier eingeführten Begriffe zu verwenden, wenn er darauf hinweist, daß ein Vertrag „entweder verletzt oder nicht verletzt sein kann“ (eigene Übersetzung).
Prütting (1992, 1710), Randziffer 38.
Also inwieweit „plaintiffs can prevail ai trial against ‘innocent’ defendants“, so Miceli (1997, 183). Fehler 1. Art bestehen dagegen in der Abweisung legitimer Klagen.
So Bebchuk (1998, 1). Bebchuk (1988) zeigt, unter welchen Umständen frivole Klagen zu Vergleichsangeboten führen können. Bebchuk (1996) analysiert die Glaubwürdigkeit einer Klagedrohung, wenn der Erwartungswert negativ ist.
Vgl. Cooter/Ulen (1996, 359 f.), die solche Klagen als „nuisance suits“ bezeichnen. Bechuk (1988) arbeitet die Voraussetzungen heraus, unter denen dies erfolgreich sein kann. Zum Begriff „nuisance suit“ siehe auch Rosenberg/Shavell (1985), Miceli (1993) und Rasmusen (1996). Farmer/Pecorino (1998) bezeichnen Klagen als „nuisance suit“, wenn die Siegeswahrscheinlichkeit des Klägers Null ist.
Werden die Parteien durch Anwälte vertreten, wird das Problem interessant, wie präzise diese Experten Voraussagen über Parameter des Gerichtssystems machen können; vgl. Malsch (1989). Die Erwartungen der Parteien und die tatsächlichen Entscheidungen von Gerichten scheinen ohnehin eng miteinander verknüpft zu sein: Nach Osborne (1999) ist die Varianz von Gerichtsentscheidungen durch die Varianz der Erwartungen weitgehend erklärbar.
Vgl. Posner (1990b, 203 f.): „The past cannot be recovered, and this makes it difficult to verify or falsify hypotheses about it.
Vgl. Posner (1990b, 197 ff.)
Dies zu berücksichtigen schlägt auch Hadfield (1994, 162) vor.
In Kapitel 4 — der Diskussion imperfekter richterlicher Erkenntnis — wird allerdings deutlich, daß negative Verifizierbarkeit ein entbehrliches Konstrukt ist.
Vgl. Williamson (1985) und (1990). Obwohl dieser Begriff für seine Begründung von Institutionen eine wichtige Rolle spielt, hat Williamson es nicht rigoros modelliert.
Negative Gebühren, also Subventionen für das Klagen bzw. Beklagtwerden, klammere ich aus. Das Modell könnte aber durchaus erweitert werden, um etwa die Wirkung von Prozeßkostenhilfe zu untersuchen.
Weitere Kostenallokationsregeln sind denkbar; vgl. etwa Bebchuk/Chang (1993,7), die eine „pro-defendant“- und eine „pro-plaintiff“-Regel diskutieren.
Allerdings gibt es im amerikanischen System auch Fallkonstellationen, in denen die unterliegende Partei der siegenden deren Kosten ganz oder teilweise erstatten muß. Ein Beispiel sind „files in bad faith“, vgl. Adams (1995, 74). Adams diskutiert auch die Frage, ob die unterschiedlichen Kostenallokationsregeln in Europa und den USA durch die unterschiedliche Rolle der Richter in den jeweiligen Zivilrechtssystemen begründet sein könnte.
Denzeau (1979) untersucht den Einfluß, den freiwillige Aufwendungen der Prozeß-parteien — im Sinne eines Signals — auf die Meinungsbildung des Richters haben könnten. Vgl. auch Katz (1988).
Vgl. die Klage- und Zahlungsbedingung bei Leder (1998, 44 ff.), dessen Modell jedoch nicht zwischen opportunistischen und legitimen Klagen unterscheidet.
Dieses Ergebnis setzt alleredings voraus, daß der potentielle Kläger keine Rechtsschutzversicherung abschließen kann. Mit einer solchen Versicherung könnten auch Klagen mit negativem Erwartungswert geführt werden; vgl. Kirstein (1999a). Vgl. auch Jagodzinski/Raiser/Riehl (1991).
Die Autoren unterscheiden in diesem Zusammenhang jedoch nicht den richterlichen Fehler 1. und 2. Art.
Vgl. etwa Bebchuk (1988).
Vgl. Hadfield (1994, 164).
Vgl. Schweizer (1996).
Beweis zu Satz 2.6: Folgt aus Satz 2.3 sowie der Definition von Ft.
Die Darstellung dieses und des nächsten Abschnitts folgt Kirstein/Schmidtchen (1997b).
Wobei der Klageopportunismus nur ein Plan des C ist und nicht etwa ausgeführt wird, denn der Gleichgewichtspfad führt zur legitimen Klage.
Dasselbe gilt für zu hoch angesetzte Gerichtsgebühren.
Besonders deutlich wird dies in dem Entscheidungsbaum, den Payne (1997, 342) präsentiert. Allerdings ist die Möglichkeit einer Falsch Verurteilung natürlich nicht verhaltensirrelevant: In einem simplen Ansatz à la Becker wäre der erwartete Ertrag aus einer Straftat y — rf, wobei y der Bruttoertrag, r die Wahrscheinlichkeit der Entdeckung
Die Attraktivität von Gerichten, die zugunsten einer Partei verzerrt entscheiden, nimmt allerdings zu, sobald die Parteien sich im Gerichtssaal treffen. In Kirstein/Neunzig (1999) wird die Unterscheidung zwischen klägerfreundlichen, beklagtenfreundlichen und fairen Gerichten zur Analyse von internationalen Transaktionen im Schatten der Gerichte benutzt.
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Kirstein, R. (1999). Verträge und Richter. In: Imperfekte Gerichte und Vertragstreue. Ökonomische Analyse des Rechts. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08554-6_2
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