Zusammenfassung
In dem anschließenden Kapitel 5.1 sollen Zusammenhänge zwischen statistischen Datenreihen dargestellt werden, die sich vorwiegend auf die Abfallproduktion und wirtschaftliche Vorgänge beziehen. Die Schwierigkeit besteht in einer adäquaten Erfassung sozialwissenschaftlich relevanter Sachverhalte. Wie es bei statistischen Reihen üblich ist, liegen nur Aggregatdaten vor.
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Literatur
In einem strengen Sinne müßte hierfür der Stofffluß in Gesellschaften bestimmt werden.
In dem Kapitel werden Aspekte eines Forschungsprojektes vorgestellt, das 1994 mit Unterstützung des Umweltministeriums Baden-Württemberg durchgeführt wurde. Es hatte den Titel ”Multivariate Untersuchungen von Determinanten der Abfall- und Wertstoffmengen in BadenWürttemberg“ (Thomas/Martens 1994; Martens 1996; Martens/Thomas 1996).
Vgl. hierzu etwa Büringer und Stenius (1995, S. 222).
Es ist eigentlich notwendig, den Einfluß solcher sozialen oder kulturellen Faktoren in statistischen Auswertungen zu kontrollieren, doch stößt man hier an Grenzen der Operationalisierbarkeit kulturell geprägter Einflußgrößen. So ist es plausibel davon auszugehen, daß es nationale „Abfallkulturen“ gibt, die vielleicht einen Einfluß auf die absolute Menge der produzierten Abfälle haben. Die Abbildungen 5.1 und 5.2 können in dieser Weise für einige Länder interpretiert werden. Es lassen sich aber nicht ohne weiteres Indikatoren angeben, von denen diese Mengen abhängen. Auf deutsche und französische Abfalldiskurse geht Keller (1998) ein.
Vgl. auch Looß (1993, S. 132). Die Betonung der Wichtigkeit handlungsleitender constraints in der Rational-Choice-Theorie kann in diesem Zusammenhang auch angeführt werden.
Im methodischen Sinne können Australien mit einem exorbitanten Rückgang wie auch Finnland mit einer Steigerung der Abfallmenge um mehr als 100 % als statistische Ausreißer angesehen werden. Vermutlich liegen dem Umdefinitionen der erhobenen Abfallmengen zugrunde. Eine Anfrage nach möglichen realen Gründen fir die starke Reduktion, die ich über die weltweite Internet-Mailing-Liste ”Wastenet“ durchführte, brachte außer der Vermutung, daß solche Reduktionen nicht möglich, folglich Artefakte seien und die Ursachen in der Erhebung der Daten durch die jeweiligen statistischen Ämter zu suchen wären, kein Ergebnis. Auf die Probleme der Vergleichbarkeit der Datenreihen verschiedener Länder gehen auch Beede und Bloom (1995, S. 117) ein.
Das läßt sich ebenso auf der regionalen Ebene für Gewerbeabfalldaten aus Baden-Württemberg feststellen (vgl. Kapitel 5.2).
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (1998, S. 209) geht inzwischen von einer Trendwende bei den Mengensteigerungen insbesondere bei Verpackungsmaterialien und Restmüll aus.
Detailliert sind die Ergebnisse des Projektes ”Determinanten der Abfall- und Wertstoffmengen in Baden-Württemberg“ bei Thomas/Martens (1994), Martens/Thomas (1996) und Martens (1996) nachzulesen.
Gerade die bislang sehr eingeschränkte Nutzung der Abfallbilanzen lediglich für univariate Vergleiche zwischen Kreisen anhand von Rangreihen und die unzulängliche Berücksichtigung struktureller Variablen motivierten mich, die Daten unter anderem mit Hilfe nicht-linearer kanonischer Korrelationsanalysen auszuwerten, bei denen die Zusammenhangsstrukturen von mindestens zwei Gruppen von Merkmalen betrachtet werden (vgl. Martens 1996). In diesem Fall sind das die Zusammenhänge zwischen Mengen und hypothetischen Einflußgrößen. Im obigen Text werde ich mich nur auf einige Ergebnisse dieser multivariaten Auswertungen beziehen. Methodische Hinweise sind in dem Artikel Martens (1996, S. 391f.) nachzulesen. In den Leitfadeninterviews, die im Rahmen des Forschungsprojektes durchgeführt wurden, wiesen verschiedene Gesprächspartner wiederholt auf die mangelnde Vergleichbarkeit der univariaten Rangreihen hin, wenn nicht gleichzeitig die jeweiligen besonderen Merkmale der Regionen berücksichtigt würden.
Allgemein mit Konflikten und politischen Strategien in der Abfallwirtschaft beschäftigt sich Pfingsten (1993).
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In ausführlicher Form werden Ergebnisse der statistischen Analysen bei Martens (1996) und Martens/Thomas (1996) geschildert.
Die trennscharfe Zuordnung von Abfällen zu einzelnen Gruppen von Abfallproduzenten ist bislang nicht möglich, da beispielsweise der hausmüllähnliche Gewerbemüll kleinerer Betriebe zusammen mit den Abfällen der privaten Haushalte entsorgt wird. Ähnliche Zuordnungsprobleme treten auch bei anderen Abfallfraktionen auf, so daß generell die Ergebnisse mit methodisch bedingten Unsicherheiten belastet sind (Martens 1996, S. 392f.; Martens/Thomas 1996).
Solche Veränderungen zeigen sich auch beim öffentlichen Diskurs über das Abfallproblem, bei dem der Begriff des ”Notstandes“ in den 90er Jahren an Wichtigkeit verloren hat (vgl. Kapitel 3, 7 und Abbildung 7.1).
Es gibt außerdem Zusammenhänge zwischen dem Hausmüllaufkommen und einem höheren Anteil von Beschäftigten im Dienstleistungsbereich (Martens/Thomas 1996). Nach soziologischen Kriterien ist die Datenlage nicht befriedigend, da keine Zuordnung etwa einer familienbezogenen Abfallproduktion zu einzelnen Haushaltsgrößen möglich ist. Damit können nur aggregierte soziodemographische Größen in den statistischen Auswertungen berücksichtigt werden, die am ehesten durch einen strukturellen „Stadt-Land-Gegensatz“ beschreibbar sind.
Möglicherweise gab es hier eine unbeabsichtigte Beeinflussung der Gesprächspartner, die vielleicht meinten, auf von ihnen angenommene Erwartungen der Interviewer eingehen zu müssen, die ja schließlich Soziologen waren.
Looß (1996, 420) kommt in ihrer Darstellung von Abfallvermeidungsstrategien zu einer ähnlichen Einschätzung: ”Maßnahmen wie die getrennte Sammlung von Problemstoffen aus dem Haushalt [...] und die kommunale Abfallberatung haben immerhin, so ist zu vermuten, einen Beitrag dazu geleistet, das Abfallproblem ein Stück weit ins allgemeine Bewußtsein zu rücken, auch wenn zeitgleich das Abfallaufkommen der privaten Haushalte (einschließlich der getrennt gesammelten Altstoffe) weiter angestiegen ist, was mindestens bis vor noch nicht allzu langer Zeit zu belegen ist.“
Eine ähnliche Aussage findet sich beim Sachverständigenrat für Umweltfragen (1998, S. 257): Preissteigerungen bei der Hausmüllentsorgung führten zu illegalen Praktiken. „Entlang vieler Autobahnen sind inzwischen ,linienförmige Deponien’ entstanden.“
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (1998, S. 186) kritisiert in seinem jüngsten Gutachten ebenfalls das Konzept der „kleinräumigen Entsorgungsautarkie“.
Auf den historischen Kontext solcher spannungsreichen Beziehungen zwischen der Verwaltung und der Politik weist Mayntz (1978, S. 60ff.) hin.
Auf unterschiedliche Akteursgruppen, und deren Wahrnehmungen wird noch in den Kapiteln 6 und 7 eingegangen werden. Séguin, Maheu und Vaillancourt (1995) vertreten die Hypothese, daß sich am Beispiel des Abfallproblems in Kanada die Herausbildung einer neuen sozialen Bewe gung zeige, die verstärkt Einfluß auf offizielle Entscheidungen gewönne. Die von uns durchgeführten Leitfadeninterviews bestätigen diesen Eindruck nicht unmittelbar, jedenfalls nicht auf der Ebene der von uns befragten Mitarbeiter in Abfallwirtschaftsämtern (vgl. auch die Kapitel 6 und 7).
Vgl. auch Kapitel 2.4.2.
Dieses Bild, auf das ich mich im Kapitel 2.1 beziehe, um einen Aspekt des augenblicklichen Abfallproblems zu verdeutlichen, klang in den Leitfadengesprächen einige Male an. Es ist anscheinend in den Abfallwirtschaftsämtem zu einer verbreiteten Auffassung geworden.
In dem Interview benutzte unser Gesprächspartner siebenmal das Wort „Disziplin“ im Zusammenhang mit dem Abfallverhalten von privaten Haushalten und Wirtschaftsbetrieben. Ohne entsprechende Maßnahmen des Amtes würde die notwendige Disziplin gleich wieder nachlassen und die Bequemlichkeit oder die individuelle Nutzenperspektive sich durchsetzen.
Bei diesen Passagen, die das Verhältnis zur Öffentlichkeit betreffen, gibt es durchaus Entsprechungen zu den Einschätzungen der frühen abfallwirtschaftlichen Pioniere des 19. Jahrhunderts, die mit Missionaren verglichen wurden und die anscheinend oftmals ein Selbstverständnis von Vorkämpfern für Wissenschaft und Rationalität in einer unwissenden Welt hatten (vgl. Kapitel 2.3).
Mayntz (1978, S. 66) sieht in der Abweichung von der Norm „neutraler Werkzeugcharakter der öffentlichen Verwaltung“ eine natürliche Entwicklung der Verselbständigung (vgl. auch S. 42ff.).
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (1998, S. 255) argumentiert strukturell ähnlich anhand des Beispiels der Mengensteuerung: Das Wechselspiel von früheren Entsorgungsnotständen in der Bundesrepublik und augenblicklichen Überkapazitäten zeige, daß die Akteure des politischen Systems mit der Mengensteuerung überfordert seien.
Diese Aussage des Leiters eines Abfallwirtschaftsamtes ist meines Erachtens in der Weise charakteristisch, daß die Möglichkeiten einer raschen Durchsetzung von Konzepten oder Maßnahmen (wahrscheinlich) überschätzt werden, weil beispielsweise soziale Widerstände bei der Prognose nicht genügend berücksichtigt werden bzw. es überhaupt nicht möglich ist, solche Parameter sozialer Prozesse in Voraussagen angemessen einzubeziehen. Die Unterschätzung der Zeiträume, die für die Um- und Durchsetzung von Innovationen veranschlagt werden müßten, wird als methodisches Manko von Expertenbefragungen angesehen, die ein prognostisches Potential besitzen. „Eine ständige Überschätzung der Geschwindigkeit, mit welcher technologische Neuerungen in die Praxis umgesetzt werden können (bedingt durch Trägheit, Vorsicht, lange Anlaufzeiten und den Wunsch, bereits vorgenommene Investitionen nicht aufs Spiel zu setzen) ist bei Planern genauso weit verbreitet wie die ständige Unterschätzung der Geschwindigkeit des wissenschaftlichen Fortschritts“ (Ayres 1971, S. 33).
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Martens, B. (1999). Die Beschreibung von Aspekten der Abfallproblematik mit Hilfe qualitativer und quantitativer Daten. In: Die gesellschaftliche Resonanz auf das Abfallproblem. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08211-8_5
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Publisher Name: Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden
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