Zusammenfassung
Quo vadis, deutsches Bilanzsteuerrecht?1 Diese Frage gewinnt angesichts der aktuellen steuer- und bilanzrechtlichen Entwicklungen auf nationaler wie internationaler Ebene zunehmend an Brisanz. So wurde mit der Abschaffung der Drohverlustrückstellung2 durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform3 ein Prozeß der Verselbständigung der Steuerbilanz in Gang gesetzt, der bislang in den Maßnahmen des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/20024 seinen Höhepunkt fand. Seit der Tomberger-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)5 wird die Installation eines autonomen Bilanzsteuerrechts als einzig sicherer Weg zur Verhinderung eines unerwünschten Einflusses des EuGH auf die steuerliche Bilanzierung in Deutschland diskutiert.6 Hinzu kommt der jüngste Verordnungsvorschlag der EU-Kommission, wonach die International Accounting Standards (IAS) spätestens ab 2005 für die Konzernabschlüsse börsennotierter europäischer Unternehmen verpflichtend werden sollen und über ein Mitgliedstaatenwahlrecht auch für die Konzernabschlüsse nicht börsennotierter Unternehmen sowie für Einzelabschlüsse eingeführt werden können.7 Gemeinsam mit der Befreiungsvorschrift des § 292a HGB, wonach börsennotierten Mutterunternehmen8 die Aufstellung eines befreienden Konzernabschlusses nach international anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen gestattet wird, entsteht ein enormer Druck, auch den handelsrechtlichen Jahresabschluß an internationale Rechnungslegungsstandards anzupassen. Denn langfristig wird ein divergierender Ergebnisausweis im internationalisierten Konzernabschluß, der primär Informationszwecken dient, und dem HGB-Einzelabschluß, welcher auch eine Aus- schüttungsbemessungsfunktion erfüllt, nicht haltbar sein.9
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Literatur
Vgl. jüngst Hoffmann, W.-D., 2001, S. 452 f.
Vgl. § 5 Abs. 4a EStG.
Vgl. Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform v. 29.10.1997, in: BGBl. I 1997, S. 2590.
Vgl. Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 v. 24.03.1999, in: BGBI. I 1999, S. 402.
Vgl. EuGH v. 27.06.1996, in: DB 1996, S. 1400.
Vgl. z. B. Schreiber, U., 2000, S. 95; Herzig, N./Rieck, U., 1998, S. 319 f.; Arndt, H.-W./Wiesbrock, M. R., 1999, S. 353.
Der Verordnungsvorschlag ist im Internet unter http://www.europa.eu.int/comm/internal market/de/ company/account/news/ias.htm abrufbar. Vgl. hierzu auch IDW, 2000, S. 457 ff.; o. V, 2001b, S. 502; o. V, 2001a, S. 19; o. V., 2000g, S. 1432; o. V., 2000f, S. 32; Hoffmann, W.-D., 2001, S. 452; Kütting, K., 2001, S. 32.
D. h. Mutterunternehmen, die einen organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 5 WpHG durch von ihnen oder einem ihrer Tochterunternehmen ausgegebene Wertpapiere i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG in Anspruch nehmen. Vgl. § 292a Abs. 1 Satz 1 HGB.
Eberhartinger, E., 2000, S. 3 sieht dementsprechend „zwar keine dogmatische, wohl aber eine faktische Notwendigkeit“ zur Internationalisierung des Einzelabschlusses. Ähnlich, wenn auch zurückhaltender Küting, K., 2001, S. 32.
Mit der Einführung von § 342 HGB durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27.04.1998, in: BGBI. I 1998, S. 786 wurde der Weg frei für einen deutschen Standard Setter im Bereich der Rechnungslegung. Aufgabe des Gremiums ist gem. § 342 Abs. 1 HGB die Entwicklung von Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrechnungslegung, die Beratung des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) bei Gesetzgebungsvorhaben zu Rechnungslegungsvorschriften und die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in internationalen Standardisierungsgremien. Gemäß § 342 Abs. 2 HGB wird die Einhaltung der die Konzernrechnungslegung betreffenden Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) bei Beachtung der vom BMJ veröffentlichten Empfehlungen des DRSC vermutet. Damit wird die Fortentwicklung der deutschen (Konzern-)rechnungslegung zumindest teilweise in private Hände gelegt. Vgl. z. B. Pellens, B., 1999, S. 545 ff.; Moxter, A., 1998, S. 1425 ff.; Knorr, L., 1998, S. 62; Budde, W. D./Steuber, E., 1998, S. 1 181 ff.; Baetge, .l./Krumnow, J./Noelle, J., 2001, S. 769 ff.
Niehus, R. J., 2001, S. 57 ff. fordert nachdrücklich eine Ausdehnung von § 342 HGB auf den Einzelabschluß. Auch Hoffmann, W.-D., 2001, S. 452 sieht eine zunehmende Bedeutung der Standards des DRSC für den Einzelabschluß. Nach Baetge, J./Krumnow, J./Noelle, J., 2001, S. 773 „ist zu erwarten, dass eine Ausstrahlungswirkung von den DRS auf den Einzelabschluss ausgehen wird“.
Hoffmann, W.-D., 2001, S. 453 spricht bereits ohne Umschweife von der „künftigen Neukodifizierung des deutschen Bilanzsteuerrechts“. Nach Weber-Grellet, H., 1998a, S. 1344 ist es an der Zeit, „den Gedanken an ein selbständiges Bilanzsteuerrecht wiederaufzugreifen“. Siehe auch Weber-Grellet, H., 1998b, S. 2438.
Vgl. z. B. Weber-Grellet, H., 1996a, S. 2; Weber-Grellet, H., 1998b, S. 2438; Weher-Grellet, H., 1998a, S. 1343 f.: „Unter dem Gesichtspunkt der Steuerrechtssystematik ist das geltende Bilanzsteuerrecht ein Torso.“; Hoffmann, W.-D., 2001, S. 452; Moxter, A., I999a, S. 619 ff. sowie Clemm, H., 1999, S. 632, nach dem sich „das Bilanzsteuerrecht ... derzeit in einer fundamentalen Krise“ befindet.
Im SPD-Programm für die Bundestagswahl 1998, vgl. SPD, 1998, S. 28, heißt es wörtlich: „Wir werden Gestaltungsmöglichkeiten der Unternehmen bei der Gewinnermittlung an die internationalen Standards angleichen. Unsere Maßnahmen zur Objektivierung der Gewinnermittlung orientieren sich vor allem am Bilanzsteuerrecht der USA.“ Im Entschließungsantrag zum Steuerreformgesetz 1998 und Steuerreformgesetz 1999 der Fraktion der SPD, vgl. BT-Drcks. 13/8020 v. 24.06.1997, S. 71, heißt es nahezu gleichlautend: „Es ist dafür zu sorgen, daß die im internationalen Vergleich beispiellosen Gestaltungsmöglichkeiten der Untemehmen bei der Gewinnermittlung auf internationale Standards begrenzt werden. Die Maßnahmen für eine Objektivierung der Gewinnermittlung sollen sich vor allem an dem Bilanzsteuerrecht der USA orientieren.“
Mit einem Anteil von 8,3 % an den deutschen Importen und 10,2 % an den deutschen Exporten in 1999 nehmen die USA jeweils den zweiten Platz der wichtigsten Außenhandelspartner der Bundesrepublik Deutschland ein. Vgl. Statistisches Bundesamt, 2000, S. 287, 290.
Mit einem Anteil von 28,1 % an den ausländischen Direktinvestitionen deutscher Untemehmen stehen die USA mit weitem Abstand an der Spitze, gefolgt von Großbritannien und Nordirland mit 9,8 %. Vgl. Statistisches Bundesamt, 2000, S. 670.
So z. B. auch Kroschel, J., 2000a, S. V.
Zu einem Überblick über die relativ knappe deutschsprachige Literatur zum US-amerikanischen Steuerrecht sowie über die entsprechende US-Literatur vgl. Kadel, J., 2000, S. 583 ff.
Vgl. dazu ausführlich Wudernitz, B., 1996 sowie CCH, 1998a, S. 126 f.; Small, D. G., 1995, S. 208; Gertzman, S. F., 1999, S. 5–32 f.
Vgl. dazu Sec. 55 bis 59 IRC sowie CCH, 1998a, S. 391 ff.; Graetz, M. J./Schenk, D. H., 1999, S. 836 ff.; McDaniel, P. R. u. a., 1999, S. 1257 ff.; Kroschel, J., 2000a, S. 265 ff.
Vgl. Mathiak, W., 2000, § 5, Rn. A l9; Kramer, J.-D., 1982, S. 35; Weber-Grellet, H., 1993, S. 161. Der Terminus ,Bilanzsteuerrecht’ wurde wohl von Max Lion in die steuerwissenschaftliche Literatur eingebracht, der sich in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erstmals ausführlich der Bilanz in ihrem Verhältnis zum Steuerrecht widmete. Vgl. Lion, M., 1925. Siehe dazu auch Pausch, A., 1979, S. 160; Schneider, D., 2000, S. 1242.
Kramer, J.-D., 1982, S. 37 (im Original z. T. hervorgehoben). Das substanzsteuerliche Bewertungsrecht wurde in der älteren bilanzsteuerrechtlichen Literatur noch unter den Begriff des Bilanzsteuerrechts subsumiert, so z. B. bei Lion, M., 1925.
Weber-Grellet, H., 1996a, S. 1 (im Original z. T. hervorgehoben), der die Termini ,Bilanzsteuerrecht’ und ,Steuerbilanzrecht’ synonym verwendet.
So Kramer, J.-D., 1982, S. 38.
Dies räumt auch Kramer, J.-D., 1982, S. 38 f. ein. Die Auffassung, daß das Bilanzsteuerrecht „die Bilanz ... in ihrem grundsätzlichen Verhältnis zu den Anforderungen des Steuerrechts“ beschreibt, findet sich auch bereits bei Lion, M., 1925, S. V.
Dieser Definition folgen z. B. auch Knobbe-Keuk, B., 1993, S. 13 ff.; Luckey, G., 1997, S. 28; Federmann, R., 1994, S. 69; Hinz, M., 1995, S. 37; Weber-Grellet, H., 1993, S. 170; Thiel, J., 1990, S. 91; Beisse, H., 1980a, S. 243 ff.; Beisse, H., 1980b, S. 637. Jakob, W., 1996, S. XI f. hingegen erfaßt die Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG auch unter dem Oberbegriff Bilanzsteuerrecht und folgt damit der Definition des Bilanzsteuerrechts i. w. S.
CCH, 1998b, S. 1.
Vgl. auch Gertzman, S. F., 1999, S. 1–1 ff.; Austin, M. u. a., 1954, S. 257 ff.; Sjogren, W. R., 1988, S. 227: „’Tax accounting’ refers collectively to those Internal Revenue Code (I.R.C.) provisions contained in Title 26, Subtitle A, Chapter 1, Subchapter E, entitled ,Accounting Periods and Methods of Accounting’.“
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Reusch, K.M. (2002). Einleitung und Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands. In: Das Bilanzsteuerrecht der Vereinigten Staaten von Amerika. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08188-3_1
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