Zusammenfassung
Bislang gibt es wenige Stimmen, die für das Konzept eines epochalen Einheitsbezuges der beiden Jahrzehnte vor 1850 plädieren. Die Untersuchungen zum „Roman des Nebeneinander“ werden zeigen, daß die Texte dieses Strukturtyps auf die Gesamtheit der Literaturentwicklung dieser Jahrzehnte referieren und reagieren. Da dieses Reagieren zu den wesentlichen Merkmalen dieser Romane gehört, scheint es nötig, hier auf Basisstrukturen des Literatursystems zwischen Goethezeit und Realismus hinzuweisen.
Man verwirft mit Recht das Experimentieren mit der Menschheit, aber man geht darin weiter, als man darf, ohne die Menschheit zu beleidigen.
Gutzkow: Wally, die Zweiflerin (1835; 131)
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Literatur
Im folgenden wird nach der Ausgabe von Hasubek Immermann 1981 mit der Sigle Epigonen und der Seitenzahl zitiert.
Im folgenden wird nach der Ausgabe von Piechotta Immermann 1984 mit der Sigle Münchhausen und der Seitenzahl zitiert. Wie in allen Fällen, wo es mehrere zitierfähige Ausgaben gibt, wurde versucht, die am leichtesten zugängliche zu verwenden. Auf den verdienstvollen Apparat in der Ausgabe von Hasubek sei hingewiesen.
Ich folge Vonhoff 1994, 153ff, nicht, der den Roman unter der Überschrift „Von der Parteilichkeit für unterbürgerliche Schichten“ behandelt und diese sozialen Gruppen dem Jungmännerbund überge ordnet sieht.
Deutlich wird diese Trennung, wenn das als unvernünftig und vormodem gekennzeichnete Regelwis sen Flämmchens und ihrer Mutter „funktioniert“, während die Hypothesen der vernünftigen Männer fehlgehen!
Beispielsweise für die „Ritter der Wahrheit“ (Epigonen 121ff); für die Wiedererweckung der „byzantinischen Kunst“ (Epigonen 440ff); für die scheinbar vorbildlich christliche Ehe des Oheims, wie sie die Leichenrede des Pastors auf die Kommerzienrätin Hermann hervorhebt (Epigonen 591ff). Die Bereiche Wahrheit, Kunst und Ehe sind dabei sicher als zentrale des Romans anzusprechen.
Mir scheint, daß mit dem Herauspräparieren der „Formen der Narrheit“, wie es von Halm 1972 ge leistet wurde, zum einen die Differenz von zeitsatirischen Elementen und Ironie, zum anderen der expe rimentelle und konstruktive Charakter vieler Textteile verdeckt wurde.
Nachweise vgl. Anm. 72.
Die Entdeckung der „Funktion Leserin“ in den goethezeitlichen Initiationsromanen, die in Kittler 1987 gemacht wird, erlangt in diesem Kontext eine weitere Bedeutung. Die Texte dürfen sich in ihrer eigenen Logik nicht an den männlichen jugendlichen Leser wenden, weil sie sonst die in ihnen dargestellten Bildungsgänge dementieren würden.
Zu denken ist etwa an Francis Fukuyama und Norbert Bolz, die Kojèves Hegel-Vorlesungen, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, wieder in die aktuelle Diskussion gebracht haben..
Es ist also Kolk 1990, 154, zuzustimmen, wenn er ausführt, „daß Immermanns Epigonen keine Teleologie vermitteln wollen, die den zahlreich vorgeführten Lebensläufen kohärente Ordnungshaftigkeit oder gar entelechische Potentiale zugestehen könnte. Vielmehr zielt der Roman darauf ab, solche Strukturen zu dementieren oder anders gesagt: ihren konstruktiven Charakter als je individuelle Homogenisierungsleistung zu erweisen.“ Zu dieser letzten Beobachtung vgl. auch weiter unten.
Zum gesamten Komplex der Macht der „Väter“ in Literatur und Wissenschaft vgl. Epigonen 497f.
Vgl. Titzmann 1984 und Sottong 1992.
Vgl. Laufhütte 1984 und 1991 vor allem gegen die Tendenzen in Jacobs 1972 und Jacobs/Krause 1989.
Das abstrakte narrative Grundmuster wird durch verschiedene historische Varianten inhaltlich besetzt, die Glücken und Scheitern und deren Ursachen beleuchten, welche später noch interessieren werden. Hauptvarianten in der Goethezeit sind neben dem Bildungsroman der Geheimbund- und der Geisterseherroman.
Die Diskussion um Poesie und Prosa führt in den Kernbereich der theoretischen Auseinandersetzungen der Phase. Vgl. zur philosophischen ästhetik Titzmann 1978. Fues’ Versuch, die Theorie und das Literatursystem zu verknüpfen, scheitert an zu geringer Differenzierung von Teilbereichen des Literatursystems und ihrer Relationen; vgl. Fues 1990. Zudem bleibt Fues in seinen Wertungen selbst einer goethezeitlich-romantischen ästhetik verpflichtet, wie auch Karg 1993, 273 Anm. 2, ausdrücklich fest stellt. Karg 1993 arbeitet über den Spezialfall Laube hinaus interdiskursive Beziehungen zwischen dem Konzept ‘Literatur’ und Politik und Wissenschaften heraus und entfaltet damit anders als Fues die aus der systemlogischen Auseinandersetzung mit Hegel bei den Jungdeutschen gewonnenen neuen Möglichkeiten von ‘Literatur’ nach der „Kunstperiode“, die auch hier vor allem interessieren.
Vgl. Heine 1981, Bd. 5, 357–504.
Die Metaphorik spielt auf das Neue Testament an und impliziert eine blasphemische Lektüre des Verhältnisses von Jesus und Gottvater. Die Epigonen erscheinen als aufgrund väterlichen Verschuldens leidende Erlöserfiguren. Wenn man sich erinnert, daß die Vätergeneration, exemplarisch an einem herausragenden Vertreter vorgeführt, von einem der Söhne getilgt wird, dann wird das Modell der stellvertretenden Erlösung durch Leiden latent aggressiv aufgeladen. Darauf wird zurückzukommen sein.
Vgl. Hasubek 1981, 824; Maierhofer 1991, 36; 71 u.a. auch außerhalb des Immermannkapitels.
Kriterien für das historische Erzählen bei Sottong 1992.
vgl. zur Transformation der goethezeitlichen Geschichtsphilosophie unter 1.4.
Verdienstvoll ist das Interesse, das in Vonhoff 1994 der Erzählsituation gewidmet wird. Entgegen Vonhoff 1994, 257ff, ist jedoch auf zweimaligen, einschneidenden Veränderungen des discours im Verlauf des Romans zu bestehen.
Betroffen sind davon natürlich auch alle korrelierten Komplexe wie das Konzept der Person, der Kunst etc.
Vgl. etwa Mühl 1983 und zuletzt Maierhofer 1991.
So auch Maierhofer 1991, 86, 109, 111; dagegen mit Worthmann 1974, 52, auch Vonhoff 1994, 258.
Vgl. etwa Theodor Mundts Moderne Lebenswirren (1834), Ernst Adolf Willkomms Die Europamü den (1838). Zur Relevanz der Briefform vgl. vor allem auch Börnes Briefe aus Paris (1832–34). Der Kontext, in dem diese Form an Bedeutung gewinnt, soll in 1.13. näher bezeichnet werden.
„Der Fülle von Stoff, welche der Arzt phalanxartig ihm entgegensetzte, wußte er selten auslangend zu begegnen, und mußte sich eines Tages, als jener jede eigentliche Freundschaft bestimmt leugnete, und mit grausamer Deutlichkeit alle Verbindungen unter Männern aus dem Interesse ableitete, mit dem Argumente der Frauen helfen; daß er trotz allem Gesagten doch fühle, es sei anders und besser.“ (Epigonen 113).
Es ist durchaus nicht so, daß hier „Immermanns persönlicher Provinzialismus zu einer Abwertung der Stadt“ führt, wie Maierhofer 1991, 99, ausführt. Das Thema der großen Stadt ist bereits seit der mittleren Aufklärung — etwa bei Rousseau — vorstrukturiert und in der Goethezeit, etwa ihrer Diätetik, virulent. Die neuen Aspekte, die an diese Metaphern der großen Stadt im 19. Jahrhundert im Zuge der Verstädterung des Umlandes und der Industrialisierung der Städte angelagert werden, werden dies im Verlaufeiner kulturellen, keiner individuellen Auseinandersetzung. Aus dieser Passage des Romans sollte der noch nicht zum Konzept verdichtete Sprachgebrauch des „nebeneinander“ in Erinnerung bleiben als verknüpft mit den Themen der großen Stadt und der ideologischen Ausdifferenzierung und ihren Folgen für das Konzept der Person. Nicht nur Immermann geht es um den „dritten Beobachter“ dieser Ausdif ferenzierung, sondern auch vielen seiner Zeitgenossen. Das Schlagwort von der „Zerrissenheit“ meint genau diesen Standpunkt des dritten, der sich mit keiner Ideologie mehr vollständig identifiziert, sondern an beiden oder mehreren teilhat, obwohl sie sich logisch oder ideologisch ausschließen. Was hier für die Synchronie von neu entstehenden Ideologien gilt, trifft auch auf die Diachronie zu, wie sich gerade an Immermanns Text zeigen ließ. Teilhabe am und Verehrung für das Denken der „Väter“ und die Er kenntnis, daß Wandel notwendig ist, bringen den „Epigonen“ als „Zerrissenen“ hervor. Diese Zerrissen heit als doppelte Identität treibt überlegungen zu einer neuen Psychologie des Individuums ebenso her vor wie Ansätze zu einer Soziologie des Individuums als Träger sozialer Rollen. Bei Immermann zeich nen sich die Möglichkeiten dieser Art neuen Wissens ab, die in Gutzkows Die Ritter vom Geiste durch andere Ordnungsmuster ersetzt werden. Auch dort ist es die große Stadt, die die Neuordnung provoziert, sich an ihr zu bewähren. In keinem der beiden Fälle wird jedoch die große Stadt Ort oder Anlaß eines „Zeitpanoramas“ wie es sich Maierhofer 1991, 90, und ihre Vorgänger vorstellen.
Vgl. etwa Mörike Maler Nolten (1832); Eichendorff Dichter und ihre Gesellen (1834); Gutzkow Wally die Zweiflerin (1835); Tieck Victoria Accorombona (1840); Hahn-Hahn Faustine (1841).
So auch der Tenor in Kolk 1990.
Verweis auf Miliners Schuld (1816) vgl. Epigonen 55.
Es wird im folgenden die Ausgabe Immermann 1984 mit der Sigle Münchhausen und der Angabe der Seitenzahl zitiert.
Vgl. Epigonen 585, Münchhausen 747.
Noch in Storms später Erzählung Schweigen (1883) spielt die Oper eine Rolle; auch dort geht es wieder um die Konkurrenz verschiedener Erklärungsansätze abweichender Lebenläufe.
Vgl. zur Begriffsklärung von Intertextualität und Systemreferenz Hempfer 1991.
Diese Grenze erweist sich auch für den „Roman des Nebeneinander“ noch als zentral, der für sich in Anspruch nimmt, komplexe soziale Realität darstellen zu können. Der Herausgeber der Epigonen thematisiert die Grenze als ein Problem seiner Wahl des Diskurses, „Zeitgeschichte“ oder „Literatur“: „Was ist also das politische Leben unsrer Zeit? Eine große, weite, wüste überschwemmung, worin eine Welle sich zwar über die andre erhebt, aber gleich darauf von ihrer Nachfolgerin wieder umgestürzt und zerschlagen wird. Ich kann daran nichts Schönes erblicken. Leider haben die Beherrschten mehr Geist als die Herrscher, deshalb vermag nicht einer dieser feste Gestalt zu gewinnen, und jener sind viele, so daß sie sich gegenseitig aufheben.“ (Epigonen 500) Das Amorphe anonymer sozialer und politischer Prozesse wird als ästhetisch Häßliches bewertet und durch die Wahl einer ästhetischen Normen unter worfenen Form von der Darstellung ausgeschlossen. Die Wahl der ‘Literatur’ anstelle der Geschichts schreibung gehorcht hier demnach einer Vermeidungsstrategie.
Diese Figuren, die lange ein Doppelleben führen, ohne ihrer sozialen Umwelt aufzufallen, treten häufig im ethnologischen Erzählen — etwa die Figur des Murky/Ready in Sealsfields Das Cajütenbuch oder Nationale Charakteristiken (1841), die Figur des Squire Dayton/Kapitän Kelly/Advokat Wharton in Gerstäckers Flußpiraten des Mississippi (1848), der auch schon in Die Regulatoren in Arkansas (1846) eine Rolle spielt — und im historischen Erzählen auf — so etwa Wilkin von Lindenberg im ersten Teil von Alexis’ Doppelroman Die Hosen des Herrn von Bredow (1846/48). Diese Figuren rücken mehr und mehr ins Zentrum der erzählten Geschiche, wie schon Gerstäckers beide Romane zeigen. Ex emplarisch für diese Entwicklung sind Texte des hier zu analysierenden Korpus der „Romane des Ne beneinander“ wie Alexis’ Ruhe ist die erste Bürgerpflicht (1852) mit der Figur des Legationsrats von Wandel (!) und Hackländers Europäisches Sclavenleben (1854) mit dem Baron Brand.
Vgl. Kondylis 1986, 576ff.
Zur Entwicklung der 1830er und 1840er Jahre vgl. Köster 1972.
Dies gilt im übrigen auch für den Münchhausen in Immermanns gleichnamigen Roman und für ver schiedene andere Figuren in den Romanen des Korpus wie Friedrich Zeck/Baron Grimm in Die Ritter vom Geiste bis hin zu Gustav Brandt in Mays Der verlorene Sohn oder Der Fürst des Elends.
In Alexis’ Ruhe ist die erste Bürgerpflicht nennt sich die Figur Guido Florestan Vansitter selbst Baron von Wandel.
Vgl. auch die Figur des schönen Heiratsschwindlers, der die Auswandererfamilien den Flußpiraten des Mississippi in Gerstäckers gleichnamigem Roman zuführt, und die Figur des in Bigamie lebenden Dayton/Kelly. Die in der Kultur emotionalisierten und intimisierten Erotikbeziehungen sind natürlich der Prüfstein für die „Verstellungskunst“. Ehe und Familie sind außerdem ja die höchstbewerteten Ordnungsmuster der Gesellschaft und gegen diese muß sich der Angriff derjenigen vor allem richten, die diese Ordnung stören oder zerstören wollen. Offenbar läßt sich gerade von der Verletzung dieser Normen am meisten profitieren. Ehe und Familie regulieren also vorderhand auch die Eigentums- und Besitzverhältnisse in der Gesellschaft. Wer erstere stört oder zerstört verändert vor allem letztere.
Vgl. Hügel 1978, Schönert 1983.
„Ich habe abgeschlossen mit dem Leben. Seit ich das getan habe, bin ich ruhig. Ich wünsche nichts, ich verlange nichts; die Zeit der Täuschungen ist für mich vorüber. Tummelt ihr euch immerhin umher zwischen Schein und Irrtum, nur hofft nicht, in mir einen Nachfolger zu finden! Ich war in London, in Paris [...]“‘ (Epigonen 8f) „‘Wir Frühgereiften! Wir haben keine Knospen mehr, keine Blüten; mit dem Schnee auf dem Haupte werden wir schon geboren. Wahrlich, unser Los ist ein recht lächerlicher Jammer! Daß man heutzutage so früh gescheit wird, gescheit werden muß, daß es gar nicht möglich ist, die törichten Streiche bis in die Dreißig mit hinüberzunehmen! O gäbe mir ein Gott die glückliche Dunkelheit, die hoffnungsreiche Nacht, statt des kalten Lichtes, welches Verstand und Erfahrung uns Spätlingen unwiderstehlich anzünden“‘ (Epigonen 11) Vgl. dazu das Goethezitat (1828) nach Eckermann zum Anfang dieses Teilkapitels. Vgl. auch die Charakteristik Cäsars in Gutzkows Wally, die Zweiflerin (1835): „Cäsar stand im zweiten Drittel der zwanziger Jahre. Um Nase und Mund schlängelten Furchen, in welche die frühe Saat der Erkenntnisgefallen war, jene Linien, die sich von dem lieblichsten Eindruk ke bis zu dämonischer Unheimlichkeit steigern können. Cäsars Bildung war fertig. Was er noch in sich aufnahm, konnte nur dazu dienen, das schon Vorhandene zu befestigen, nicht zu verändern. Cäsar hatte die erste Stufenleiter idealischer Schwärmerei, welche unsre Zeit auf junge Gemüter eindringen läßt, erstiegen. Er hatte einen ganzen Friedhof toter Gedanken, herrlicher Ideen, an die er einst glaubte, hinter sich: er fiel nicht mehr vor sich selbst nieder und ließ seine Vergangenheit die Knie seiner Zukunft um schlingen [...] Er war reif, nur noch formell, nur noch Skeptiker: er rechnete mit Begriffsschatten, mit gewesenem Enthusiasmus. Er war durch die Schule hindurch und hätte nur noch handeln können [...].“ (Gutzkow 1983, 6)
„Mein Vater war mir eine Art Gottheit, die sich in heiliges Dunkel verbirgt.“ (Epigonen 130)
Vgl den durch die Lektüre einer neuen Sprachlehre verursachten Wahnsinn des Lehrers Agesel.
Vgl die Figur des Theodor Heilung, des Gründers der Stadt der Zukunft im amerikanischen Südwesten: Hellungen, in Oppermanns Hundert Jahre (1871).
„So schließen die Wilden ihre Todesbrüderschaften, und wir haben’s ihnen nachgemacht, und wollen immerhin gar gem außerhalb der sogenannten Kultur mit unsern Gefühlen stehen.“ (Epigonen 619)
„[...] ach, Du weißt es nicht, Du Kalter, welches Gefühl für Dich in diesen Adem siedet! Nur die Freundschaft konnte mein Herz ganz ausfüllen, ich zweifle, ob es die Liebe je wird vermögend sein.“ (Epigonen 618f)
Vgl Epigonen 618f, vor allem 624, 625.
Mit dem Münchhausen beginnt Immermann, selbst an diesem Entwurf einer Semantik des Mannesal ters zu arbeiten.
Im Kontext des Brieffwechsels von Hermanns Vätern sei auf den Genetiv im folgenden Satz dessel ben Gesprächs aufmerksam gemacht: „Ich habe mich um ein Dutzend Weiber gedreht, und die Schwüre ewiger Treue von ihnen empfangen, die dann in den Armen eines neuen Freundes vergessen wurden.“ (Epigonen 10)
Hermann verliert ein sicheres Duell, als er Flämmchens ansichtig wird. Auf seine Verletzung folgt die erste Stufe der Depersonalisation, die paradox als Strafe für seinen guten Willen gedeutet wird (Epigonen 69). In der Bewußtlosigkeit des Fiebers verläßt der Textfokus Hermann erstmals.
Novalis 1983, 89.
Im Denken der Goethezeit ist der Inzest von Mutter und Sohn ranghöchstes Delikt, weil es außer durch die verbotene innerfamiläre Sexualität die Autonomie des Jünglings auch durch Umkehrung der Geschlechterhierarchie bedroht, indem die erfahrene Frau auf den unerfahrenen Jüngling trifft.
Ich meine, daß der Text hier durchaus eine ähnliche Annahme, wie sie Elias erst 1936 systematisch formuliert, im Auge hat.
Während Jauß 1970, 113f, mit Henrich eine Parallelität beider Diagnosen erkennt, ist doch Köster 1984, 143ff, zuzustimmen, der einen fundamentalen Gegensatz sieht und einen Zusammenhang erst über die Geschichtsphilosophie Hegels gegeben glaubt.
Gründe dafür wurden schon oben erörtert: horror vacui; Interesse an der Konstanz von Ordnungsmuster, insbesondere des Werte- und Normensystems; Funktionalisierung der Systemlogik gegen die Dominanz der „Väter“, wie es vorwiegend in den Epigonen geschieht.
Vgl. Steinecke 1983.
Vgl. die äußerugen vor allem Fr. Schlegels.
Es bleibt in der romantischen Programmatik unklar, ob es nicht nur um eine Assimilation von We sensmerkmalen wie des Lyrischen geht, nicht jedoch um eine Integration von differenziert wahmehmba ren Teiltexten aus verschiedenen Gattungen. Die im Bildungsroman aufgenommenen Lyrikeinlagen, deren Status eher dem des Liedhaften und Sängerischen, nicht jedoch des Gedichts gleichkommt, macht die Entscheidung über diese Frage schwer.
Vgl. dazu die sehr differenzierte Arbeit von Bruch 1992.
Mörike II, 143.
Vor Bruch 1992 hat schon sehr früh Sammons 1988 [1970], 51, für diesen Text auf den Zusammenhang von ‘Schicksal’ und Psychologie hingewiesen, der oben auch für die Epigonen vorgeschlagen wurde: „All in all, for a novel supposedly motivated in part by fate, it is an extraordinary record of criticism and ambiguity of the concept on the part of the narrator and abuse of it by the characters for their own selfdelusive purposes.“
Bruch 1992 arbeitet die verschiedenen Rezeptionsmöglichkeiten für an der Kommunikation beteiligte Gruppen heraus, ohne in die Spekulationen „idealer“ Lektüren abzugleiten.
Anders als Hermann in den Epigonen gelingt es Nolten nicht, ein Vateräquivalent zu tilgen und ein Mutteräquivalent zu ehelichen. Das Tabu, das die Psyche hier auf alle möglichen Partnerinnen legt, läßt den Freund Larkens als rangniedrigstes Tabu erscheinen. Auch nach der Arbeit von Bruch 1992 bedarf eine latent homoerotische Auflösung der psychologischen Verrätselung der histoire einer eingehenden Diskussion.
Karg 1993, 5–25, entfaltet die Hegelschen Grundlagen der Rede von Poesie und Prosa und die möglichen Anknüpfungspunkte der Jungdeutschen. Zur Frage der Relationen zu den Diskursumwelten vgl.Karg 1993, 10f; 55ff.
Vgl. zum Beispiel Heines etwa Köster 1984.
Zum Beispiel Gutzkow zwischen Anfang und Ende der 1830er Jahre vgl. Burchardt-Dose 1979. Hinweise für mehrere Autoren bei Köster 1972 und 1984. Zum Beispiel Willkomm vgl. unten.
Köster 1984, 29.
Insofern kann Köster 1984, 165, mit Recht „Das Junge Deutschland als Erfindung der Zensur“ ansprechen. Der Skandal um einen Text von mehr als 20 Druckbogen Länge setzt eine gemeinsame Annahme über die Wirkung von Literatur voraus. Wie Burchhardt-Dose 1979 in Ansätzen zeigt, befinden sich die jungdeutschen Autoren bereits vor dem Bundestagsbeschluß auf konzeptionell neuen Wegen, die etwa auf dem Gebiet der ‘Familie’ nicht gar so fern von den Intentionen der biedermeierlichen Zensur liegen. Ein Text wie Laubes Novelle Das Glück von 1837 kann diese Tendenz vollends bestätigen.
Vgl Mühl 1983 und Pöschel 1994.
Das würde auch bedeuten, den Text gegen seinen Titel zu lesen. Im Realismus häufen sich dagegen Texte, die bis in den Titel hinein die neue Orientierung an Räumen dokumentieren. Zu denken ist nur an Raabes Chronik der Sperlingsgasse, Odfeld, Akten des Vogelsangs und ebenso bei Storm von den frühen (Immensee) bis zu den späten Texten (Ein Fest auf Haderslevhuus).
Insofem die Lebenswelt des Oberhofs synchron mit der des Schlosses demontiert wird, kann Zim mermanns 1975, 36, Annahme eines „Umschlags von der progressiven zur konservativen Bauemdarstel lung“ eben nur für den von ihm betrachteten Oberhof-Teil allenfalls gelten, der aber die Rezeption des 19. Jahrhunderts repräsentiert. Seine Lektüre gilt höchstens für die Rezeptionsgeschichte, bezogen auf den Roman erfolgt sie gegen den Text. Die kritischen Aspekte hat dagegen Piechotta 1984, 812, gese hen.
Das Märchen Oswalds findet in seiner Zuhörerin Lisbeth nur ein schläfrig-gelangweiltes Publikum, weil es aus einer früheren Lebensepoche Oswalds herrührt, wo dieser sich — die Vorgeschichte mit Münchhausens Streich, der die Verfolgung auslöst, zeigt das — um seine Cousine Clelia bewarb, für die sich auch, wie sich später in der Gegenwartsgeschichte klärt, sein Vormund und Mentor, der Oberamtmann Ernst, der übrigens auch ihr Nebenvormund ist, selbst dann noch interessiert, als Clelia schon verheiratet ist (vgl. Münchhausen 745f; 729). Ein vergleichbares Konkurrenzverhältnis stellt sich auch auf dem Oberhof wieder ein, wo der Hofschulze sein Patriarchatauch auf die Gäste und ihre Partner wahl erstrecken möchte.
Vgl. Schönert 1977.
So hat auch schon von Wiese 1991, 184f, die Veränderung der romantischen zur Ironie Immermanns gesehen, wenngleich er den höheren Rang der Figur gegenüber der bisherigen Willkür des Genies wieder als Selbstkritik des sich seiner epigonalen Begabung bewußten Immermann deutet und damit die Relevanz des Autors für den übergang zu einem neuen Begriff der ‘Literatur’ völlig verkennt.
Vgl. „Ich. Fragment einer Bildungsgeschichte“ (Münchhausen 287–341). Zur detaillierten Analyse auch dieses Teiltextes vgl. Mühl 1983.
Zu diesem Vorgriff vgl. unten Kap. 2.23.
Zur Abwertung und Ausgrenzung führt die Verknüpfung mit den sozialen Kollektiven und anonymen Prozessen, die als Alternativen zum Konzept des ‘Schicksals’ denkbar geworden sind. Vgl. Abb. 1.
Systemreferenz wird hier in Anlehnung an Hempfer 1991 verstanden, der sie vom Phänomen der Intertextualität abgrenzt. Was Hempfer beschreibt, konstituiert Immermanns Romane, die etwa Bezug auf Strukturen der spätgoethezeitlichen Schicksalsdramatik nehmen und wo zu den Mitteln der Herstellung von Systemreferenz auch Intertextualität gehört (Zitat und Variation des Freischütz). Vorrangiges Referenzsystem ist das Erzählmodell des Initiationsromans, das kenntlich reproduziert und mehrfach transformiert wird. Diese Art der Systemreferenz steht also im Dienste des Strukturwandels des Literatursystems, sowohl wenn man es mit Hempfer 1991 im engeren Sinn als semantisches, aus den Bedeu tungen der Einzeltexte rekonstruierbares System auffaßt, als auch wenn man es wie Köster 1984 in einem weiteren Sinn als soziales Teilsystem der Produktion, Distribution und Konsumtion/Rezeption beschreibt.
Zu den Systemumwelten der Literatur gehört vor allem das Denksystem und im speziellen die in ihm ausdifferenzierten Diskurse. Link 1988 und Titzmann 1989 stimmen darin überein, daß das Literatursystem in spezifische Relationen zum Denksystem zu treten vermag, selbst aber nicht die Merkmale eines Diskurses aufweist. Obwohl den grundsätzlichen, wissenschaftstheoretisch fundierten Einwänden dagegen von Meyer 1992 zuzustimmen ist, scheint mir die Leistungsfähigkeit auf der deskriptiven und explanatorischen Ebene gerade für die in Rede stehende Phase dafür zu sprechen, in diesem Fall die Konzeption von Link und Titzmann zu verwenden. Deshalb steht hier und in anders gelagerten Fällen der Bedingung nichts entgegen, daß jede der alternativen Auffassungen einen Leistungsbeweis zu er bringen hat. Link und Titzmann bestimmen Literatur als prinzipiell offen für Elemente aller Diskurse; Link faßt sie als Interdiskurs, als Schnittstelle, an der Selbstverständigungsprozesse komplex diskursiv ausdifferenzierter Kulturen ihren Ort haben. Link hat vor allem die Selbstverständigung angesichts der Komplexität und Spezialisierung der Diskurse im Auge. Mir scheint für die Phase zwischen Goethezeit und Realismus aber gerade eine noch nicht-diskursive Vorverständigung etwa über Implikationen einer neuen Psychologie oder einer neuen Debatte der Armutsfrage (wie Evers/Nowotny 1987 zeigen) in einer veränderten, entdifferenzierten und ausdifferenzierten Literatur stattzufinden. Erzähltexte als modellbildende sekundäre semiotische Systeme fingieren dabei Realität, Gesellschaft und Lebensläufe unter Voraussetzung des neuen Wissens.
So auch Köster 1984, 81ff. Der Adel als soziale Gruppe schneidet schon in Goethes Wilhelm Mei sters Lehrjahre wesentlich schlechter ab.
Kondylis 1986, 42ff.
Vgl. Kondylis 1986, 537ff
Vgl. für die Sozial- und Mentalitätsgeschichte Davis 1987. Die literaturwissenschaftliche Diskussion schließt an Bachtin 1985 [seit 1929] an; wichtig dazu der Beitrag von Eco 1984; mit dem Problem des Grotesken im Vormärz außerhalb dieses Diskussionszusammenhangs beschäftigt sich auch Jauß 1970.
Vgl. Victor Hugos Notre-Dame de Paris (1831); Ludwig Tiecks Der Hexen-Sabbath (1832), Willi bald Alexis’ Der Roland von Berlin (1840); zu bedenken auch in Gottfried Kellers Der grüne Heinrich (1854/55).
Unter der Voraussetzung des Kamevals kann nicht nur die dargestellte Welt gelesen werden, sondern auch der gesamte Text der Epigonen konfrontiert mit Verständnisproblemen, die im Rahmen dieser Lektüre kohärent aufgelöst werden können. Gemeint ist das Problem der Namen, das eines der Identitäten nach sich zieht. Dem Sprachgbrauch des Initiationsromans folgend, haben der Herzog und der Pflegesohn des Senators denselben Vornamen: Hermann. Die Vertreter der Vätergeneration werden in der Regel nicht mit Titel und Vornamen, sondern dem Namen der Familie angesprochen, so auch insbesondere ihre Frauen. Wenn also von der Kommerzienrätin Hermann die Rede ist, dann heißen sowohl der Kommerzienrat wie sein Bruder, der Senator, mit Nachnamen Hermann. Für den Helden ergibt sich daraus, daß er nicht anders als Hermann Hermann heißen kann, individualisierender und Familienname also identisch sind, Anteile aus Väter- und Söhnegeneration einen „zerrissenen“, nach Gutzkow auch moralisch „gemischten“ Charakter konstituieren. Am Textende wird diese karnevaleske Maskerade aufgelöst und nur das mit sich identische Subjekt bleibt zurück, nachdem sowohl der ältere Halbbruder Hermann als auch die beiden Pflegeväter und Brüder Hermann als Aufspaltungen und Ersetzungen des natürlichen Vaters getilgt sind. Der Held beerbt sie alle, setzt sich gegen alle konkurrierenden Ansprü che durch, die durch die Vervielfältigung des Namens als Verleiblichungen, als groteske Maskeraden seiner Psyche erscheinen. Besonders bestätigt wird diese Lektüre durch die vollständige Tilgung der Brüder Hermann in der Vätergeneration: diese haben keine historische familiäre Vergangenheit, keine biologischen Nachkommen, letztlich keine Partnerinnen errungen und die Spuren ihres Wirkens, vor allem die Fabriken des Oheims und sein Grabmal, werden geschleift. Der ältere, aber kinderlos verheira tete Bruder — die massive Präsenz von Erbstreitigkeiten und Unterschleif dabei bestätigt das — als vor rangig erbberechtigter Nachfolger des natürlichen Vaters, des vitalen, auf ‘Jugend’ als Lebensform in sistierenden Grafen Heinrich, und die nicht zeugungsfähigen, impotenten Stellvertreter dieses Vater, die sich nur in der mechanischen Dingwelt der Fabriken und Bauwerke (Grabmal der Frau!) reproduzieren können, sind reduktive Zurichtungen des dominanten natürlichen Vaters Heinrich in der Psyche seines Sohnes Hermann. Der gesamte Text ist in dieser Lektüre kamevalesk, nicht nur die ironischen Brüche und satirischen Elemente, wenn für den Karneval die Entgrenzung und Vermischung der Körper konstitutiv ist. Der Karneval ist somit eine Sozialform des Ausagierens sonst nur okkult denkbarer Aufspaltungen homogener, Entgrenzungen und Vermischungen disjunkter Größen. Kameval im Vormärz und literarische Fantastik der Romantik scheinen durch ihre psychische Funktion verwandte Phänomene.
Grabbe, Heine, Büchner und Weerth, um nur einige literarische Vertreter zu nennen.
Vgl Kuhnigk 1987.
So geschieht es in der expliziten Antwort auf Willkomm in Ferdinand Kümbergers Der Amerika Müde (1855), aber auch in Freytags Soll und Haben (1855), das einen industriell-kapitalistischen „Western“ berichtet, aber einen „Eastern“ in unkultiviertem, nach dem Muster der ethnologischen Amerikaromane entworfenen osteuropäischem Terrain ausführlich darstellt. Die Tendenz belegt auch die anwachsende Zahl von Amerikaheimkehrem in der Literatur; von der idelogischen Zentralgestalt Rodewald/Ackermann in Gutzkows Die Ritter vom Geiste wird noch zu handeln sein. Zu denken ist auch an Johannes Scherrs Nemesis und Raabes spätere Akten des Vogelsangs.
Vgl. Engels 1973 [1845].
Sealsfields Versuch, einen „Volksroman“ im Sinne der Aufklärung zu etablieren, mißlingt.
Zitiert wird im folgenden nach der Ausgabe Willkomm 1845 unter der Sigle Sclaven mit römischer Band- und arabischer Seitenzählung.
Zitiert wird im folgenden nach der zweiten Auflage Willkomm 1852 mit der Sigle Eisen und Band- und Seitenzahl.
Dem Ergebnis derselben wird anhand des Begriffs, des Ritterbundes und des Titels in der Analyse von Gutzkows erstem „Roman des Nebeneinander“ noch ausführlich nachgegangen.
Vgl. Köster 1972.
Vgl. Evers/Nowotny 1987.
„Aber Hegel läßt keinen Zweifel daran, daß, wie im Don Quijote, der subjektive Idealismus des Helden nur Chimären zeigt, und daß dagegen im Roman eine ebenso ironische wie brutale Anpassung des subjektiven Idealismus an die prosaisch-wirkliche Vernunft vollzogen werden muß: ’Mag einer auch noch soviel sich mit der Welt herumgezankt haben, herumgeschoben worden sein, zuletzt bekommt er meistens doch sein Mädchen und irgend eine Stellung, heiratet und wird Philister so gut wie die an- dem auch; die Frau steht der Haushaltung vor, Kinder bleiben nicht aus, das angebetete Weib, das erst die Einzige, ein Engel war, nimmt sich ungefähr ebenso aus wie alle anderen, das Amt gibt Arbeit und Verdrießlichkeiten, die Ehe Hauskreuz, und so ist der ganze Katzenjammer der übrigen da.’ Hegel, der nicht nur ein genialer Philosoph, sondem auch ein großer Philister ist, formuliert diese Desillusionierung des Romanhelden mit süffisantem Einverständnis.“ (Köster 1984, 141f)
Adler 1980, 99ff.
Vgl. Adler 1980, 105ff.
Adler 1980, 108ff.
Für die Relevanz des religiösen Diskurses in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts macht sich auch Adler 1990, 293ff, stark. Ich meine, daß er dabei zum einen den tropisch-rhetorischen Charakter der Figuren- und Erzählerrede der Texte zu gering veranschlagt, zum anderen die Umsemantisierung — die teilweise blasphemische Deutung — und die veränderte Systemstelle tradierter „religiöser“ Termini und Modelle (z.B. narrative Sequenzen aus der Bibel und den Legenden) übersieht. Die „neue Religion“, die die Autor-Figur im Münchhausen fordert, scheint mir das hinreichend zu belegen. Wo sich die Phase dem Religiösen als solchem zuwendet, ist sie an der invarianten, zeit- und ortsunabhängigen Reproduktion von Diskursen interessiert, die der Ritus verbürgt.
Obwohl Adler darauf hinweist, daß „Willkomms Roman ein ‘historischer’, ein ‘tagesgeschichtlicher’ und ein ‘zukunftsgeschichtlicher’ Roman“ (1990, 291) ist, entgeht ihm doch, daß Sclaven einen dreigliedrigen historischen Prozeß zum Gegenstand hat, weshalb ich den Text in einem sehr verwandten Sinn wie die Epigonen als historischen Erzähltext auffassen möchte.
Wie schon in den Epigonen am Beispiel der beiden ersten Erkrankungen Hermanns zu beobachten, bevorzugen die Texte dort, wo von Psychischem die Rede sein müßte, von Physischem zu handeln, von Krankheiten des Körpers. Bevorzugt werden dabei Fieberzustände, die mit Besinnungslosigkeit einhergehen oder Nervenfieber, wo der ambige Status der „Nerven“ als Mediatoren zwischen Physis und Psyche zum Tragen kommt. Auch „Blut“ spielt dabei sowohl im Münchhausen bei Oswalds Schuß auf Lisbeth und bei seinem Blutsturz, als auch in den Sclaven eine Rolle, die noch nirgendwo geklärt worden ist.
Wie die intertextuelle Referenz auf Schillers Die Rauber zeigt, transformiert der Modell e des Sturm und Drang. Eine zentrale Stellung bekommt die Räuberbande als ‘Parallelgesellschaft’ im ethnologischen Erzählen der Phase; man denke an die kriminelle Herkunft der Texaner in Sealsfields Das Cajütenbuch oder Nationale Charakteristiken (1841), ein Text, der den drohenden innergesellschaftlichen Bürgerkrieg als Freiheitskampf in einen Raum an der frontier verschiebt, oder auch an die Inselgesellschaft und ihre Satelliten in Gerstäckers Flußpiraten des Mississippi (1848).
Wiederum spielen die Ordnungen des Kirchenjahres und des Kamevals eme Rolle.
Adler 1980, 75.
Dieselbe Art der Verbindung spielt im Konflikt der Linien in den Epigonen bereits eine wichtige Rolle. Die Verbindung zur Leibeigenen wird der herzoglichen Linie im Rechtsstreit zum Verhängnis, während sich am Ende mit Hermann der Sohn aus der Verbindung mit einer bürgerlichen Frau durchsetzt.
Vgl. Adler 1980, 84; 89.
Vgl. Adler 1980, 88.
Adler 1980. 87.
Innerhalb der Gruppe der drei Junggesellen ist Schlenker natürlich auch Abspaltung einer ideologischen (Herrenhut’scher Quietismus des Erduldens) und physischen Impotenz der Fordergrundsfigur Heinrich.
Vgl. auch das Zusammenfallen des Endes der Textchronologie mit Pfingsten!
Vgl zu sozialgeschichtlich relevanten Verschiebungen in den 1840er Jahren Gerhard 1978.
Vgl. Sagarra 1981, 384. Vor einem ähnlichen Problem steht auch Adler 1990 für den „sozialen Roman“ der 1840er Jahre, der unter dokumentarischem Aspekt neues Interesse findet.
Vgl insbesondere Wülfing 1980 und 1984, der den mythischen und historischen Status zeitgenössischer Rede von der ‘Frau’ nachweist.
Vgl. Karin Hausen in Rosenbaum 1988, 161–191.
Vgl. Sagarra 1981, 395 für die Darstellung der Ehe und 405 für die Heldin.
Vgl. die Funktionszusammenhänge bei Köster 1984.
So auch Sagarra 1981, 405–411.
Sagarra 1981, 406.
Vgl. Biancas Macht über Adrian im Wachen wie im Schlaf. Signifikant tritt die ‘Frau’ hier aktiv als Magnetiseurin und nicht etwa als Medium auf. Gegenüber den Vorstellungen der Goethezeit erweisen sich die Phänomene, die hier mit dem Begriff des Magnetismus bezeichnet werden, als deutlich veränderte; denn Adrian setzt sich mit Erinnerungen auseinander, denen er im Wachzustand nur geringe Bedeutung beimißt. Diese Auseinandersetzung wird mit der von Bianca erzeugten leidenschaftlichen Erregung in Beziehung gebracht, so daß mit dem Ende des kühl-rationalen und beherrschten Wachzustandes auch die Träume ihren Charakter verändern und andere Inhalte aus der Erinnerung auftauchen. Was so entsteht, ist aber eine Psychologie. Bianca tritt in diesem moralisierten Rachefeldzug als personifizierte Nemesis auf. Eine Frau wird also einer zentralen ideologischen Größe gleichgesetzt, was eine Modifikation des Schicksalskonzepts bedeutet. Der Zweck dieser Aktualisierung mythischer Strukturen der Erklärung deckt sich mit dem Zweck der histoire, in der „komplizierte, heterogene Sachverhalte zu einer ‘Einheit’ gefügt werden“ (Wülfing 1980, 567); „Partikularität wird überwunden, ‘Ganzheit’, traditionell als eine dem Menschen verwehrte Größe gedacht, erscheint als erreichbar“ (Wülfing 1980, 571f).
Vgl. auch Wülfing 1982.
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Frank, G. (1998). Die Krise des Literatursystems zwischen Goethezeit und Realismus als Voraussetzung für den „Roman des Nebeneinander“. In: Krise und Experiment. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08154-8_2
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