Zusammenfassung
In den 20er Jahren wurden schätzungsweise über 500 sozialhygienische, medizinische und zum Teil eugenische Filme hergestellt und im Rahmen einer breit angelegten Gesundheitsaufklärung der Öffentlichkeit vorgeführt.1 Bereits vor Ende des Ersten Weltkrieges hatten die verantwortlichen Behörden in Deutschland die Notwendigkeit erkannt, umfangreiche Gesundheitskampagnen durchzuführen, urn eine Reduzierung der Kindersterblichkeit, einen Anstieg der Geburtenrate sowie eine allgemeine Verbesserung der hygienischen Lebensverhältnisse der größtenteils verarmten und an Infektionskrankheiten leidenden Bevölkerung zu erreichen. Hierbei machten es sich Sozialhygieniker zur Aufgabe, den Gesundheitszustand der verschiedenen Gesellschaftsschichten zu dokumentieren und die sozialen und ökonomischen Faktoren zu ermitteln, die für das Auftreten spezifischer Krankheiten und sanitärer Mißstände verantwortlich waren. Sie beschränkten sich aber nicht nur auf die Beobachtung und Analyse der bestehenden Verhältnisse, sondern agitierten mit alien ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln für eine Verbesserung der hygienischen Situation. Filme und andere Medien der hygienischen sowie sexuellen Aufklärung der Bevölkerung sollten dazu dienen, Krankheiten wie Tuberkulose, Pocken, Syphilis, Fleckfieber und Krebs wirksam bekämpfen zu können. Die Gesundheitskampagnen konzentrierten sich zunächst auf die deutschen Großstädte und verlagerten sich Ende der 20er Jahre allmählich auch auf die ländlichen Gebiete. Neben der unmittelbaren Verbesserung der gesundheitlichen Lage der Bevölkerung war das übergeordnete Ziel, eine interventionistische Sozial- und Gesundheitsfürsorge zu etablieren (Nadav 1985; Antoni 1997).
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Schmidt, U. (2000). Sozialhygienische Filme und Propaganda in der Weimarer Republik. In: Jazbinsek, D. (eds) Gesundheitskommunikation. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08098-5_3
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