Zusammenfassung
Für Flusser (1997) legt die Entwicklung digitaler Technologien die konkrete Utopie einer telematischen Gesellschaft nahe, in der die „Welt“ wieder durch Bilder entschlüsselbar wird. In dem Maße, in dem „Oberflächencodes“ an Bedeutung gewinnen, in dem Bilder alphabetische Texte verdrängen, schreiten wir „aus der linearen Welt der Erklärungen [...] in die techno-imaginäre Welt der Modelle“ (ebd., S. 28). Normative Kriterien müssen sich also auch daran messen lassen, inwieweit sie diesem Zusammenhang mit dem Übergang von einer Imagination, die auf alphabetischen Texten beruht, zum „Techno-Imaginären“ gewachsen sind. Digitale Bilder und vernetzte Schaltungen bringen nicht der „Wahrheit“ näher, aber dem Kontakt mit anderen Realitätsstrukturen, der Vervielfältigung von Quellen für Informationen und einem anderen Umgang mit Bildern, bei dem das Bild als kreatives Produkt einer laufenden Kritik unterworfen ist. „Wir wissen noch nicht, für welche Bedeutung die Techno-Bilder [...] programmieren.“ (ebd., S. 27) Wenn es aber stimmt, daß die neuen Bilder „[...] nicht nur ästhetisch, sondern auch ontologisch und epistemologisch weder mit guten alten noch mit den gegenwärtig uns umspülenden Bildern vergleichbar [...]“ sind (ebd., S. 75), wäre es ja denkbar, daß sie zu Orientierungsmustern und Denkmodellen disponieren, die für die symbiotischen Strukturen von Politikinszenierungen und journalistischen Inszenierungen, wie wir sie heute beobachten, in höchstem Maße bedrohlich sind. Die politische Kommunikation könnte in tiefgreifende Umwälzungen hineingezogen werden, wenn in einem stärker vernetzten und weniger zentralisierten System Bilder und Texte ausgetauscht werden können, die nicht mehr Personen und menschliche Eigenschaften darstellen, wenn es um Systemzusammenhänge und Strukturen geht; weniger auf die persönliche Moral von Fernsehstars als auf — effektiv hinterfragbare — Systemgrundsätze oder ähnliches abzielen. Die gegenwärtige Realitätskonstruktion der Massenmedien entlastet jedenfalls nicht nur die Rezipienten, sondern in gewissem Sinne auch die Politik vom Kontakt mit der Realität, in der das politische System tatsächlich nur noch begrenzte Steuerungsmöglichkeiten besitzt (bzw. entwickelt). Das ist Grund genug, nach einer anderen Imagination Ausschau zu halten. Bilder, als wichtiges Element medialer Kommunikation, können in solch einer Verwendung den naturalistischen Schein verlieren, der in der Gegenwart die wichtigste Bedingung für den „essentialistischen Trugschluß“ (Kepplinger 1987, S. 302) ihrer Wahrnehmung bildet.
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Meyer, T., Ontrup, R., Schicha, C., Brosda, C. (2000). Ausblick. In: Brosda, C. (eds) Die Inszenierung des Politischen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08088-6_9
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-08088-6_9
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