Zusammenfassung
In Kapitel 1 wurde dargelegt, daß bei der Analyse des Verhältnisses von Individuum und Gruppe entweder einseitig auf das Individuum bzw. auf individuelle oder interpersonale Eigenschaften und Dynamiken fokussiert wurde (die individualistisch-reduktionistische Sichtweise), oder aber (Inter)Gruppenprozesse im Vordergrund standen und dem Individuum und seiner Individualität eher wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde (die interaktionistische Perspektive). In Theorien über das Selbst-Konzept ließen sich analoge Beobachtungen anstellen. Ansätze im Rahmen des Persönlichkeitsmodells des Selbst (Turner & Onorato, 1999) legen den Fokus vornehmlich auf die Repräsentation der eigenen Person als Individuum, während im Rahmen der SIT und SCT der Schwerpunkt auf die Bedeutung der sozialen Gruppe für jede Selbst-Konzeption gelegt wird. Es läßt sich also eine Asymmetrie in der einschlägigen Literatur zu (Inter)Gruppenprozessen abzeichnen, die, verhaftet in der Tradition der SIT und SCT, vornehmlich das kollektive Selbst bzw. Gruppenbildungsprozesse untersucht und dem individuellen Selbst bzw. Individualisierungsprozessen bisher keinen Platz eingeräumt hat. Begründet wurde dies zum einen mit der angenommen antagonistischen Beziehung zwischen Individualisierung und Gruppenbildung sowie mit der höher eingestuften Wichtigkeit letzteren Prozesses. Die einschlägige Literatur kann also wenig zur Rolle des individuellen Selbst im allgemeinen und zum Zusammenspiel mit dem kollektiven Selbst in Bezug auf (Inter)Gruppenphänomene im besonderen aussagen.
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Literatur
In dieser Arbeit wird durchgängig von Teilnehmern gesprochen. Dieser Begriff schließt sowohl männliche als auch weibliche Personen ein.
Den Richtlinien zur Manuskriptgestaltung der Deutschen Gesellschaft für Psychologie folgend werden die Daten gemäß dem Publication Manual (4. Auflage, 1998) der American Psychological Association dargestellt.
In Analysen mit Meßwiederholung werden in dieser Arbeit aus Gründen der Anschaulichkeit die Originalwerte der Variablen berichtet. Analoge Analysen mit z-standardisierten Variablen führen aber in keiner der Studien zu substantiell anderen Ergebnissen.
Falls nicht anders berichtet, wurde das Signifikanzniveau für die statistischen Tests auf a =.05 (zweiseitig) gesetzt.
Häufig werden auch Antwortlatenzen herangezogen, um Aufschlüsse über die Wirkung rein kognitiver versus kognitiver und motivationaler Prozesse zu erhalten (z.B. Hastedt, 1998; siehe auch Markus, 1977 ). So könnte man vermuten, daß ein rein kognitives Urteil schneller abzugeben sein müßte als ein Urteil, bei dem kognitive und motivationale Prozesse in unterschiedliche Richtungen laufen. Demnach sollten die Teilnehmer in der „Fünf Selbst-Aspekte”-Bedingung die Urteile über die kognitive Einreihung der eigenen Person in die Kategorie schneller abgeben als die Teilnehmer in der „Ein Selbst-Aspekt”-Bedingung, während die Urteile für die kognitive Einreihung der anderen Person in beiden Bedingungen gleich schnell beantwortet werden sollten. Eine Analyse der Antwortlatenzen erbrachte jedoch keine signifikanten Effekte, alle Fs 1. 4. Diese Null-Effekte sind möglicherweise darauf zurückzuführen, daß eine rein kognitive Entscheidung über z.B. wahrgenommene Ähnlichkeiten zu anderen Eigengruppenmitgliedern für Personen mit einer hohen Anzahl aktivierter Selbst-Aspekte länger dauern als für Personen, die ihre Selbst-Interpretation auf wenige Selbst-Aspekte stützen. Erstere müssen mehr Aspekte für ihr Urteil berücksichtigen. Die Analyse der Antwortlatenzen konnte in dieser Studie keinen weiteren Hinweis auf die Wirkung motivationaler Prozesse liefern.
In der von Aufderheide (2000) berichteten Studie wird zwar von einer Wahrnehmung hoher bzw. niedriger Bedrohung der eigenen Individualität gesprochen. Ähnlich wie im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit wird aber kein direkter Beweis für diese Wahrnehmung erbracht, sondern diese nur indirekt erschlossen. Deswegen wird bei der Darstellung der Befunde der allgemeinere Terminus „Bereitschaft’ im Sinne von „perceiver readiness” (Bruner, 1957; Oakes, 1987) bevorzugt.
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Kampmeier, C. (2001). Das Selbst-Aspekt-Modell des individuellen und kollektiven Selbst. In: Individualität und psychologische Gruppenbildung. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08054-1_5
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-08054-1_5
Publisher Name: Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden
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Online ISBN: 978-3-663-08054-1
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