Zusammenfassung
Es mutet vielleicht etwas seltsam an, die AbsolventInnen eines Studienganges mit Lebenskünstlern in Verbindung zu bringen. Bei anderen Abschlüssen, etwa Ärzten oder Diplom-Ingenieuren, würde man wahrscheinlich auch nicht auf diese Idee verfallen. Das Ziel dieser Studiengänge liegt eindeutig darin, für relativ klar definierte Berufe zu qualifizieren. Dem Magister fehlt dieses klare Qualifikationsprofil- und aus zwei Gründen ist die Metapher des »Lebenskunstlers« nicht ungeeignet, die Situation der Studierenden und AbsolventInnen zu beschreiben:
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(I)
Lebenskünstlern schreibt man zu, dass sie andere Ziele verfolgen als beruflichen Erfolg zu erreichen und möglichst schnell zu Geld und Macht zu kommen. Ihre Ziele vermutet man eher in einer gelungenen Persönlichkeitsentwicklung, die auch relativ frei von den Restriktionen der Erwerbstätigkeit verlaufen kann. Das Bild eines Lebenskünstlers legt durchaus auch die Vorstellung von Umorientierungen und Brüchen in der Biografie nahe. Ein Karrierist mit glattem Lebenslauf ist nur schwer mit der Vorstellung vom Lebenskünstler zu vereinbaren. Ähnliches gilt auch für die AbsolventInnen des Magisterstudienganges — allerdings fehlt im Bild, das man sich von ihnen macht, ein zentrales Kennzeichen des Lebenskünstlers: das der Freiwilligkeit. Vielmehr besteht das Klischee, dass Magisterabsolventlnnen auf dem Arbeitsmarkt wenig nachgefragt sind und deswegen fern von den Zwängen des Erwerbslebens stehen bzw. Brüche in der Biografie aufweisen. Ihre Lebenskunst besteht zumindest in der öffentlichen Meinung darin, aus der Not eine Tugend zu machen und mit Überlebenskunst ihre Persönlichkeitsentwicklung mit den Anforderungen des aktuellen Arbeitsmarktes in Einklang zu bringen.
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(2)
Mit dem Bild des Lebenskünstlers verbindet man weniger hochspezialisierte Kenntnisse als vielmehr die Vorstellung von einem Menschen mit reflektiertem Wissen, das in Bezug zur eigenen Person gesehen und bewertet wird. Der Lebenskünstler steht damit dem Bildungs- oder dem Weisheitskonzept näher als dem Konzept von einem Experten. Auch in dieser Hinsicht ergeben sich Parallelen zu einem Magisterstudium: Die Kombination von zwei bzw. drei Fächern und die relativ wenig strukturierten Vorgaben über Leistungsnachweise und Studienanforderungen erlauben es, dass breitgefächertes Wissen und vielfältige Kompetenzen erworben werden können. Auch die historischen Wurzeln des Studienganges verweisen auf den Anspruch, alle relevanten Künste zu meistern: Im Mittelalter befähigte der magister artium liberalium als akademischer Grad in den sieben freien Künsten (Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie) zu einer Lehrtätigkeit und er ermöglichte den Zugang zu den renommierten Fakultäten der Theologie und der Jurisprudenz. Allerdings wird im Zusammenhang mit den heutigen Magisterstudiengängen weniger von Bildung und Weisheit gesprochen als von Schlüsselqualifikationen oder Kernkompetenzen: Kommunikations-und Kooperationsfähigkeiten, die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem, selbstorganisiertem Lernen und Arbeiten, Problemlösekompetenzen, fächerübergreifendes und vernetztes Denken usw.
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Gräsel, C., Tippelt, R. (2002). Magister-PädagogInnen als Lebenskünstler?. In: Otto, HU., Rauschenbach, T., Vogel, P. (eds) Erziehungswissenschaft: Arbeitsmarkt und Beruf. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-08027-5_5
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