Zusammenfassung
Das mit seiner neuen Glaskuppel Aufsehen erregend umgestaltete Gebäude des Reichstages in Berlin genießt ein großes Maß an Popularität, das durch die zu fast jeder Tageszeit auf Einlass wartende Besucherschlange sinnbildlich wird. Dem Anschein nach ist diese Tatsache ein Symbol der Inbesitznahme des verfassungsmäßigen Zentrums des politischen Systems durch die Öffentlichkeit. Doch dessen ungeachtet wird die Diskussion um die Schwäche des Parlaments als Institution nicht leiser. Diese Debatte hat viele Aspekte — hier geht es primär um die Rolle des Parlaments als “klassischer” Ort (bürgerlicher) Versammlungsöffentlichkeit. Für die Diskussionen um den Strukturwandel — meist ist damit implizit oder explizit Zerfall gemeint — parlamentarischer Öffentlichkeit sollen einige Traditionslinien für den deutschen Fall deutlich gemacht bzw. in Erinnerung gerufen werden. Dies betrifft zunächst die politische Theorie und Ideengeschichte, danach das tatsächliche Funktionieren der Parlamente — vor allem des Reichstages — als Ort der Versammlungsöffentlichkeit. Das Verhältnis von Parlament und Öffentlichkeit hat dabei stets zwei Dimensionen, die eng zusammengehören, aber trotzdem scharf zu trennen sind: einerseits die Binnenperspektive, d.h. das Parlament als Ort der Versammlungsöffentlichkeit, andererseits die Außenperspektive, d.h. die Öffentlichkeit von Parlamentsverhandlungen1.
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Jahr, C. (2000). Parlament, “Publicität” und Versammlungsöffentlichkeit. Überlegungen zur politischen Theorie und historischen Praxis in Deutschland bis 1933. In: Jarren, O., Imhof, K., Blum, R. (eds) Zerfall der Öffentlichkeit?. Mediensymposium Luzern, vol 6. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-07953-8_4
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