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Zur Konzeptionalisierung des Regierungshandelns von Koalitionen

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Regieren in Koalitionen
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Zusammenfassung

Koalitionen werden gern als „Ehen auf Zeit“, als „Zweckehen“, als „Zwangsehen“ gar tituliert. Im besten Fall, dies deuten solche Umschreibungen an, gehen die Partner in solchen Gemeinschaften rücksichtsvoll miteinander um. Eine Liebesheirat jedoch sagt man Parteien nur in den seltensten Fällen nach; auch Scheidungen werden zuweilen in Kauf genommen. Den Vorteilen des gemeinsamen Zusammenlebens zuliebe, ordnen die Partner ihre Bedürfnisse und individuellen Interessen zwar bis zu einem gewissen Grad der politischen Lebensgemeinschaft unter. Lieber aber würden sie alleine leben und Alltagsentscheidungen ohne Mitsprache ihres Partners treffen. Geradezu vertrackt kann der Bund auf Zeit dann werden, wenn die eigenen „Familien“ ihn nicht billigen oder die Partner auf keinen Vorrat an Gemeinsamkeiten mehr zurückgreifen können.

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Literatur

  1. In parlamentarischen Regierungssystemen kann der Koalitionsbegriff auf zwei Ebenen angewandt werden: Auf Regierungskoalitionen, in denen die Parteien den “Gewinn” an Regierungsämtern untereinander aufteilen, daneben auf parlamentarische Bündnisse, die eine gewisse Festigkeit und Dauerhaftigkeit zum Zwecke der Mehrheitsbildung aufweisen. Eine Unterscheidung dieser beiden Ebenen ist heuristisch insofern sinnvoll, als es die zweite Option auch erlaubt, Beziehungen zwischen Regierungsparteien und Tolerierungspartnem zu untersuchen.

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  2. Auf Bundesebene gab es zwischen 1.7.-14.11.1960 eine Einparteiregierung von CDU/CSU, nachdem die Minister der DP zur CDU übergetreten waren; daneben eine Einpartei-Minderheitsregierung von CDU/CSU zwischen 28.10.-1.12.1966 und eine Einpartei-Minderheitsregierung der SPD zwischen 17.9.-1.10.1982.

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  3. Überblicke hierzu vgl. in Collester 1969; Kunz 1979; Völk 1989; Jun 1994; vergleichend neuerdings Downs 1998.

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  4. So betonen auch Budge und Laver, daß keines der verfügbaren Modelle so beschaffen ist, daß es ein allgemeines Herangehen an die Koalitionsbildung - über alle Länder hinweg - erlauben würde. Der Nutzen der Modelle liege aber in der Charakterisierung von Regierungen (Budge/Laver 1992b: 417).

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  5. Side payments kommen beispielsweise zustande, wenn parteiinterne Interessenlagen befriedigt werden müssen (vgl. Riker 1962: 108 f.). Ursprünglich gingen Koalitionsanalysen davon aus, daß dies der tatsächlichen Größe parteiintemer Fraktionierungen entsprechend vorgenommen wird.

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  6. Vgl. hierzu die Kontroverse zwischen Renzsch/Schieren 1997, 1998 und Steffani 1997 über die Minderheitsregierung aus SPD und Bündnis 90/Grüne in Sachsen-Anhalt.

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  7. Minderheitsregierungen können auch nicht immer als verdeckte Mehrheitsregierungen gelten: 60% der Minderheitsregierungen verfügen über weniger als 45%, 21% sogar über weniger als 35% der Mandate, vgl. Nolte 1988.

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  8. Ein Gegenbeispiel hierfür ist die “Regenbogenkoalition” in Finnland, vgl. hierzu Pehle 1999.

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  9. Der Verlust an Zustimmung zur Regierungspolitik kann zwar für viele parlamentarischen Regierungssysteme festgestellt, nicht aber generalisiert werden (z.B. in Deutschland, vgl. Saalfeld 1997).

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  10. Laver und Schofield schlagen dabei gewisse Abstufungen vor, da es kohärente Parteien gibt, solche, die trotz Fragmentierungen diszipliniert genug sind, um als “unitary actor” gefaßt zu werden, und solche, die nicht als einheitlicher Akteur gelten können, außerdem “electoral coalitions” (Laver/Schofield 1990: 24–28).

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  11. Ein ähnliches Phänomen beschreiben March und Olsen ( 1989: 159 ff.): Wenn eine neue Situation entsteht, versuchen Individuen, diese mit Situationen zu verbinden, die sie bereits kennen. Durch den Rekurs auf bereits Erfahrenes entsteht in Interaktionen und Entscheidungssituationen Stabilität und Ordnung, aber auch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.

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  12. March und Olsen (1989: 162 f) haben diesen Sachverhalt mit dem Begriff der “logic of appropriateness” umschrieben: Individuen elaborieren die Gründe für ihr Handeln oft erst dann, wenn ihre Entscheidung schon getroffen ist. Auskünfte über Präferenzen legitimieren dann nachträglich eine Wahlhandlung, sie begründen diese aber nicht, wie Rational-Choice-Ansätze glauben machen. Die eigentlichen Grande des Handelns lassen sich demnach nicht auf Präferenzordnungen zurückführen, sondern vielmehr darauf, daß Individuen in einer gegebenen Situation entscheiden, welche Handlung die angemessene ist. Indem auf bereits bekannte Regeln und Erfahrungen zurückgegriffen wird, werden eher kleine, wenig sprunghafte, inkrementalistische Entwicklungsschritte gegangen. Rationale Politik, so auch Elster (1989b), ist weitgehend auf inkrementalistische Programme beschränkt, weil auf diese Weise die Unsicherheit des Handelns begrenzt werden kann. Handeln ist aufgrund dieser “sequentiellen” Logik, mit der Akteure die Unsicherheit von Handlungssituationen beantworten, ebenso an Prozessen wie an Ergebnissen orientiert (Wiesenthal 1997: 84 f.).

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  13. Zur Begriffsklärung “informales Regieren” vgl. ausführlich Wewer 1991a; Kastning 1990.

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  14. Das soziologische Modell berücksichtigt nicht, daß Individuen auch dann, wenn Normen bestehen, Entscheidungen treffen können, in denen sie abwägen, ob es vielleicht vorteilhaft ist, Normen nicht zu befolgen (vgl. Opp 1986: 13 ).

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  15. Die Phase der Kognition ist von Prozessen der Erinnerung und Assoziationsbildung bestimmt. Wenn das aktualisierte Alltagswissen bereits eine befriedigende Lösung ergibt, bestimmt diese Phase das Verhalten. In der Phase der Evaluation bewertet ein Individuum seine Handlungsaltemativen vor dem Hintergrund der eigenen Präferenzen und (subjektiven) Wahrscheinlichkeiten. In der Phase der Selektion kommt das Kriterium der Nutzenmaximierung zur Anwendung; dabei dürfen nicht gleichzeitig andere Alternativen einen höheren Nutzen versprechen. Vgl. Esser 1990: 231 ff.

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  16. Diese Perspektive wurde insbesondere von der sog. “Strukturbruchthese” Lehmbruchs (1976; 1998a) geformt. Zur Relativierung vgl. Kap. 4.3 und 4. 5.

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  17. Zur Ermittlung der effektiven Parteienanzahl in einem Parteiensystem wird zumeist der von Laakso und Taagepera (1979) entwickelte Index herangezogen. Dieser Index ist so angelegt, daß er sich bei starker Dominanz einer Partei dem Wert 1 annähert. Die “effektive”, d.h. die Stärke der Parteien widerspiegelnde Anzahl der Parteien entspricht der tatcâ’hlichen Anzahl dann, wenn die Parteien den gleichen Stimmenanteil bei Wahlen bzw. den Mandatsanteil im Parlament (je nach Berechnungsgrundlage) aufweisen.

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  18. Nach Dodd können auch Cleavages in die Untersuchung einbezogen werden, um Aussagen über die Verhandlungsbereitschaft von Parteien treffen zu können, vgl. Dodd 1976: 26 ff. Diese werden hier jedoch nicht einbezogen.

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  19. Abgefragt wurden u.a. die Einstellung zum Sozialismus, zu Marktwirtschaft und Staatseingriff, zu Partizipation, zur Überfremdung der Bundesrepublik. DaB die Parteimitglieder der SPD sich näher an den Grünen sehen und CDU sowie F.D.P. auf einer Links-Rechts-Skala dicht nebeneinander plazieren, bestätigt auch eine Studie Ober die Mitglieder der Mainzer SPD (Winkler 1999 ).

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  20. Einzelne Ergebnisse liegen aus Forschungsprojekten über die Parteiensysteme in Thüringen und in Sachsen-Anhalt vor, vgl. Schmitt 1999; Bo11/Crow/Hofinann/Holtmann 1999.

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  21. In Bremen besaß die SPD nach den Wahlen zur Bürgerschaft im Mai 1995 die Möglichkeit, zwischen einem Bündnis mit der CDU oder einem rot-grünen Bündnis zu wählen. Die große Koalition wurde 1999 gemäß dem Wunsch der Spitzenkandidaten beider großer Parteien fortgesetzt.

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  22. Beispiele hierftlr sind etwa die rot-grüne Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt (1994–1998), wo CDU und PDS nicht an der Regierung beteiligt waren, der Landtag in Rheinland-Pfalz (1991–1996; 1996–2001), wo der Regierung aus SPD und F.D.P. eine Opposition aus Grünen und CDU gegenübersteht, oder auch das von CDU und F.D.P. regierte Baden-Württemberg, wo SPD, Grüne und Republikaner die Opposition stellen.

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  23. So heißt es beispielsweise bei Schneider (1987: 1071 ), “…daß es nicht nur das legitime Recht, sondern geradezu eine verfassungsrechtliche Pflicht jeder parlamentarischen Opposition ist, möglichst rasch einen Machtwechsel herbeizuführen und die bestehende Regierung im Amte abzulösen. Daß ein solches Ziel nicht im kooperativen Miteinander, sondern nur in der konfliktreichen politischen Auseinandersetzung…zu erreichen ist, liegt auf der Hand. Der Streit ist gleichsam die Lebensluft der Opposition.” Stern (1977: 821) wiederum definiert Opposition als “…die Gruppierung ( Fraktion), die die Regierung und die sie stützenden Fraktion(en) im Rahmen des verfassungsrechtlich Möglichen und Zulässigen politisch bekämpft und abzulösen trachtet”. Solche Definitionen haben zumeist das Alternanzmodell britischer Provenienz im Blick.

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  24. Diese Flexibilität hat in den letzten Jahren durch die enge Anbindung der F.D.P. an die CDU abgenommen. Ca. drei Viertel der Wähler beurteilten die Partei vor einigen Jahren nur noch als Anhängsel der CDU (Falter/Winkler 1996 ). Unter diesem Gesichtspunkt stellt die rot-gelbe Koalition, die in Rheinland-Pfalz seit 1991 regiert, eine koalitionsstrategisch sinnvolle Option dar. Sie vermeidet eine zu einseitige Bindung der Partei an Wahlerfolge der CDU - und damit ein ähnliches Dilemma, dem die Grünen durch ihre koalitionspolitische Bindung an die SPD (noch) ausgesetzt sind. Weitere Einschränkungen dieser Flexibilität sind zudem dadurch gegeben, daß die F.D.P. derzeit nur noch in wenigen Landtagen (Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen) vertreten ist. Sie kann daher nur noch mit Mühe eine koalitionspolitische Doppelstrategie einschlagen.

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  25. Druckman (1996: 400) macht in seiner Anwendung des principal-agent-Modells auf das Wechselverhältnis von innerparteilicher Fragmentierung, innerparteilicher Willensbildung und Koalitionsstabilität darauf aufmerksam, daß es vor allem dann von Bedeutung sei, ob die Willensbildung in einer Partei zentralisiert ist, wenn zwischen der Basis (principal) und der Parteiführung (agent) keine Übereinstimmung bestehe. Seien die Ziele von principal und agent hingegen deckungsgleich, mache eine zentralistische Willensbildung keinen Unterschied.

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  26. Schütt-Wetschky (1987) unterscheidet zwei Typen von Minderheitsregierungen. Die `parlamentarisch gestrïtzten“ treffen personelle und sachliche Vereinbarungen. Das Kabinett kann davon ausgehen, in der Regel eine Mehrheit im Parlament zu fmden. Die ”Stützfraktionen“ identifizieren sich aber nicht mit der Regierungsverantwortung. ”Bloß tolerierte“ Minderheitsregierungen finden hingegen von Streitfrage zu Streitfrage eine parlamentarische Mehrheit. Ein Mißtrauensantrag wird zwar meistens abgelehnt, die Tolerier utgsffraktionen unterstützen die Regierung aber nicht unbedingt in stark umkämpften Streitfragen. Es gibt keine kontinuierliche Zusammenarbeit. Die in dieser Studie untersuchte rot-grüne Minderheitsregierung in Sachsen-Anhalt trägt Merkmale beider Idealtypen. Im Sinne einer sprachlichen Vereinfachung wird im folgenden der Begriff”Tolerierung“ verwendet.

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  27. Sie schwächen die mehrheitsdemokratischen Verfahren innewohnende Dichotomisierung von Entscheidungen ab, sie vermögen externe Effekte zu mildern, indem sie formal festgelegte Kompetenzgrenzen überwinden, vgl. Benz 1998: 204.

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  28. In Nullsummenspielen wird der Gewinn des Mitspielers als eigener Verlust gewertet, da die Gewinnmasse konstant bleibt. Allerdings wurde bereits in Kap. 2 darauf hingewiesen, daß Koalitionspartner die Gewinnmasse durchaus erweitern können (vgl. Hogwood 1999).

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Kropp, S. (2001). Zur Konzeptionalisierung des Regierungshandelns von Koalitionen. In: Regieren in Koalitionen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-07842-5_1

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