Zusammenfassung
Da sich die Verschuldens- von der Gefährdungshaftung durch den Haftungsausschluß bei Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten (Sorgfaltspflichten) unterscheidet, müssen diese zunächst definiert werden. In der ökonomischen Theorie des Haftungsrechts wird idealiter davon ausgegangen, daß das pareto-optimale Sorgfaltsniveau einen Haftungsausschluß konstituiert.1 Das pareto-optimale Sorgfaltsniveau ist unter bestimmten Annahmen — deren wichtigste die vollständige Kompensation der Geschädigten ist — erreicht, sofern der Erwartungswert der Grenzschadensreduktion den Grenzkosten der Schadensprävention entspricht.2 Die ökonomische Theorie des Haftungsrechts, die anknüpfend an die grundlegende Arbeit von Calabresi3 inzwischen erhebliche Fortschritte gemacht hat,4 untersucht nun zunächst, welche Haftungsnorm unter den Nebenbedingungen der Risikoeinstellung und der Versicherbarkeit rationale Unternehmen zur Wahl des wohlfahrtsoptimalen Sorgfaltsniveaus bewegt. Im Falle der Risiko-Neutralität kann dabei auf die Berücksichtigung von Versicherungen verzichtet werden, da nur risiko-averse Unternehmen Versicherungsschutz nachfragen. Unter Risiko-Aversion verstehen wir schlicht, daß die Unternehmen eine sichere Auszahlung besser bewerten als eine unsichere Auszahlung gleichen Erwartungswerts.5
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Referenzen
Vgl. Shavell 1980.
Werden die Geschädigten nicht vollständig kompensiert, so müssen die Schäden nicht mit dem Nutzen des Erwartungswerts, sondern mit dem Erwartungswert des Nutzens bewertet werden, was bei Risiko-Aversion eine Erhöhung der pareto-effizienten Prävention impliziert.
Calabresi 1970.
Vgl. beispielsweise Adams 1985; Shavell 1984; Finsinger/Simon 1989 und Finsinger/Paulv 1990
Es sei darauf hingewiesen, daß eine so definierte Risiko-Aversion direkt aus dem schwachen Konvexitätsaxiom der neoklassischen Rationalitätstheorie folgt und daher keine zusätzliche Annahme ist (vgl. z.B. Debreu 1976). Für weiterführende Diskussionen vgl. beispielsweise die grundlegenden Arbeiten von Diamond/Stiglitz (1974); Machina (1982).
Vgl. z.B. Adams 1985, S. 166; Finsinger/Simon 1985, S. 33 und S. 40. Dies zeigt auch, daß sich eine präzise Definition des scheinbar selbstverständlichen Begriffs “Verursacherprinzip” an den jeweiligen Grenzschadensvermeidungskosten orientieren muß (vgl. Adams 1989).
Beim Monopol kann der Preis höher und die Menge niedriger sein, so daß die Monopolpreisbildung eine nicht-intendierte Internalisierung externer Effekte implizieren kann.
Die idealtypische Trennung zwischen sicheren und unsicheren externen Effekten zeigt im übrigen, daß die häufig geäußerte Vermutung, daß das Haftungsrecht zu anderen Instrumenten der marktorientierten Umweltpolitik in einer substitutionalen Beziehung stehe, weil es sonst zu einer Doppelbelastung der Unternehmen für den gleichen Sachverhalt komme, falsch ist. Beispielsweise fordert Hartkopf die Abschaffung der Abwasserabgabe für den Fall einer flächendeckenden obligatorischen Umwelthaftpflichtversicherung, “denn keiner sollte zweimal zu einem Haftungstatbestand, auch nicht bei Distanz- und Summationsschäden, herangezogen werden dürfen.” (Hartkopf 1988, S. 226). Zu einer Haftung im Übermaß kommt es aber nur, sofern entweder andere marktorientierte Instrumente auch den Erwartungswert unsicherer Schäden berücksichtigen oder sich die Haftung auch auf sichere negative externe Effekte erstreckt. Letzteres kann im Falle von Versicherungskontrakten ausgeschlossen werden, weil Versicherungen nicht sichere Folgen sicherer Einleitungen, sondern lediglich unsichere Folgen (un)sicherer Einleitungen decken und daher keine Doppelzählung vorliegt. Problematisch hinsichtlich der Kompatibilität mit anderen marktorientierten Instrumenten ist allerdings die Ausklammerung des bestimmungsgemäßen Betriebs aus der Ursachenvermutung. Wählt das Unternehmen A bei einer Schadstoffabgabe eine niedrigere Schadstoffintensität als Unternehmen B und überschreitet Unternehmen A die mit einer Abgabe belasteten Emissionen, so würde die Ursachenvermutung für A gelten und für B nicht obwohl die Schadstoffintensität von B höher ist.
Vgl. z.B. Finsinger/Simon 1988: Finsinger/Paulv 1990
Vgl. z.B. Bonus 1974: Bird 1987.
Die Berücksichtigung von Transaktionskosten und asymmetrischer Information verändert auch die Optimalitätsbedingungen (vgl. Shavell 1985), so daß es von einem theoretischen Standpunkt aus inkonsequent ist, zunächst die Optimalitätsbedingungen ohne asymmetrische Information abzuleiten und diese erst im versicherungstheoretischen Teil zu berücksichtigen. Die Analyse pareto-optimaler Haftungsregeln bei asymmetrischer Information geht aber über die Ambitionen dieses Buches hinaus.
Aus diesem Grund verzichteten wir in der ersten Auflage dieses Buches gänzlich auf die Unterscheidung zwischen Sorgfalts- und Aktivitätsniveau und gingen davon aus, daß die Unternehmen jeweils mit der kostenminimalen Technik produzieren. Dies impliziert die Auffassung eines nur graduellen Unterschiedes zwischen der Verschuldens- und der Gefährdungshaftung, die der Praxis der Rechtsprechung möglicherweise eher entspricht als die Unterscheidung über die pareto-effizienten Sorgfaltspflichten. Andererseits ermöglicht lediglich diese Unterscheidung eine — wenigstens analytisch — exakte Trennung beider Haftungsnormen, so daß wir nun trotz der partialanalytischen Einschränkung und der Schwierigkeiten in der praktischen Umsetzung der Mehrzahl der Literatur folgen (vgl. Adams 1985; Finsinger/Simon 1989).
Vgl. z.B. Assmann 1988.
Dieses kontrafaktische Ergebnis führte uns in der ersten Auflage wie erwähnt zum Verzicht auf eine Unterscheidung von Sorgfalts- und Aktivitätsniveau, was allerdings keine begrifflich exakte Trennung der Verschuldens- von der Gefährdungshaftung erlaubt.
Es sei nochmals darauf hingewiesen, daß dies die Internalisierung sicherer externer Effekte durch andere marktorientierte Instrumente der Umweltpolitik voraussetzt.
Vgl. zusammenfassend z.B. Aiginger 1985.
Es sei nochmals an die Identität der Situationen ohne Risiko-Aversion sowie mit Risiko-Aversion und vollständigem Versicherungsschutz erinnert, da bei fairen Versicherungsprämien der Erwartungswert der Schäden definitionsgemäß der Versicherungsprämie entspricht.
Insbesondere dem Ausschluß von Transaktionskosten und der Annhame, daß die Versicherungsprmie dem Schadenserwartungswert entspricht.
Vgl. ähnlich Steffen 1990, S. 1820.
Der Unterschied zwischen Abgaben und Steuern (Zweckbindung des Aufkommens bzw. Non-Affektationsprinzip) ist in unserem Zusammenhang nebensächlich.
Dies setzt Versicherungsschutz im Falle der Gefährdungshaftung voraus, weil die Sorgfalt sonst überhöht wird
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Feess-Dörr, Prätorius, Steger (1992). Allokationstheoretische Untersuchung der Verschuldens- und Gefährdungshaftung. In: Umwelthaftungsrecht. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-06890-7_8
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-06890-7_8
Publisher Name: Gabler Verlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-409-27731-0
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