Zusammenfassung
Wenn ein Physiker über ein Thema spricht, das die Biologie wenigstens zur Hälfte betrifft, so erfordert das in der heutigen Zeit der „Fachwissenschaften“ vielleicht eine Rechtfertigung. Es handelt sich um die Frage, ob die Lebensvorgänge grundsätzlich auf die Gesetze der Physik und Chemie zurückgeführt und durch diese erklärt werden können. Es ist dies in der Tat eine sowohl bei Biologen als auch bei Physikern weitverbreitete Meinung, die oft sogar als selbstverständlich vertreten wird. Um die Frage, die zu den fundamentalsten der ganzen Naturwissenschaft gehört, einer Beantwortung näher zu führen, muß man die Physik kennen und wissen, wie die physikalischen Gesetze auf die Materie wirken. Hierfür ist aber der Physiker zuständig. Die chemischen Gesetze konnten, wenigstens soweit es das Prinzipielle angeht, auf die der Atomphysik zurückgeführt werden. In der Praxis ist das allerdings für größere Moleküle nicht möglich, und ob es für die Makromoleküle der organischen Chemie (Proteine usw.) überhaupt gilt, mag zum mindesten in Frage gestellt werden (vgl. 6. Physik, Chemie und andere Dinge). Ferner möchte ich ein entschiedenes Wort einlegen gegen die Abzirkelung in „Fachwissenschaften“. Die Wissenschaft selbst kümmert sich nicht um die Fachgrenzen. Biologie, Chemie und Atomphysik begegnen sich im Gebiet der organischen Makromoleküle und gehen ineinander über. Wir sind im Begriff, babylonische Türme, einen für jedes Fach, zu errichten, aber die Bewohner verstehen schon heute des andern Sprache nicht mehr. Es ist deshalb nötig, daß es Wissenschaftler gibt, die versuchen, über die Grenzen ihres Fachgebietes hinauszugreifen.
Vortrag gehalten in der Naturforschenden Gesellschaft, Basel und in der Chemischen Gesellschaft, Zürich. Erschienen in „Chimia“ 21, 176 (1967).
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© 1970 Friedr. Vieweg + Sohn GmbH, Verlag, Braunschweig
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Heitler, W. (1970). Gilt die Gleichung: Leben = Physik + Chemie?. In: Naturphilosophische Streifzüge. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-06829-7_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-06829-7_3
Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-528-08284-0
Online ISBN: 978-3-663-06829-7
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