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Nicht — Wörtliches Sprechen

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Arbeit an Sprache
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Zusammenfassung

Andernorts habe ich bereits dargelegt (Januschek 1980), daß die Lingui.stik der Anspielung Sprachpraxis als “Arbeit an Sprache” untersuchen muß. Die Metapher “Arbeit” soll dabei andeuten, daß Sprachpraxis immer eine dialektische Einheit von Selbstveränderung (durch Neuaneignung der Wirklichkeit) und Veränderung des Objekts (Neubestimmung der sprachlichen Handlungsmuster) ist. Zu fragen ist nun, wie sich bei solcher Untersuchung an bestehende theoretische Traditionen und Diskussionen anknüpfen läßt. In der Linguistik herrscht zwar ein formorientierter Sprachbegriff vor, und dieser ist bis heute nicht überwunden (s. 111.2). Aber dies darf nicht undifferenziert verstanden werden: Charakteristisch für die abendländische Linguistik ist ja gerade, daß es immer wieder ernstzunehmende Versuche gab, dieser Formorientierung zu entrinnen und, z.B. in diesem Jahrhundert, eine “inhaltsbezogene” oder eine “handlungstheoretische” Sprachwissenschaft zu schaffen. Solche Ansätze schlagen in der Regel fehl, weil sie — bildlich gesprochen — unser ideologisches Gesamtsystem an einer Stelle aufbrechen, aber den Rest unangetastet lassen wollen. Z. B. wird in der Sprechhandlungstheorie zwar der abstrakte Gegensatz zwischen Sprechen und Handeln aufgehoben, aber der Gegensatz zwischen Individuum und Gesellschaft bleibt unvermittelt bestehen (vgl. dazu J anuschek 1980). Trotzdem ist es wichtig, sich mit den Argumenten solcher Ansätze auseinanderzusetzen, ihre Anregungen und ihre Einwände gegen die formorientierte Lunguistik zu Ende zu denken.

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Anmerkungen zum II. Kapitel

  1. Für eine neuere linguistische Theorie der Tropen, die diese so weit wie möglich entsprechend einer Konversationslogik à la Grice zu beschreiben sucht (dabei aber die für mich im folgenden zentralen Probleme ignoriert), vgl. Berg 1978.

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  2. In den folgenden terminologischen Festlegungen wird “Ausdruck” auf Worte und Syntagmen beschränkt verstanden.

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  3. Nur der Einfachheit halber stelle ich hier die Niveaus der Bewußtheit auf einer kontinuierlichen Skala dar. Korrekter wäre es aber, die Niveaus qualitativ zu differenzieren, wie wir dies z. B. in Januschek/Paprotte/Rohde 1979 im Anschluß an A.A. Leontjew getan haben.

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  4. Diese Auseinandersetzung ist etwas anderes als das Diskutieren von Vermutungen über das Bestehen oder die Form irgenwelcher, von einem selbst losgelöster Regeln. Sie läßt sich nicht aufgrund objektiver Kriterien entscheiden, wie oben erläutert.

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  5. Vgl. hierzu Willenberg 1984. In dieser guten Rezension eines schlechten Buches wird u.a. gezeigt, daß die “Jugendsprache”-Ausdrücke in wirklichen Gesprächen nur alle paar Minuten vorkommen und daß — wenn man schon die Besonderheiten von Jugendsprache im lexikalisch-phraseologischen Bereich festmachen will — vulgäre Ausdrücke die “Jugendsprache” viel eher gegenüber der Gemeinsprache charakterisieren.

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  6. Wie schon bei der Metaphorik werde ich auch im Falle der Phraseologie nicht um fassend auf die bisherige Forschung eingehen, da dies nicht der zentrale Aspekt der Arbeit ist. Dies ist insofern mißlich, als die zentrale These dieser Arbeit eine durchaus dezidiert distanzierte theoretische Position gegenüber dieser Forschungstradition mit sich bringt. Um den Leser/inne/n eine eigene Einschätzung der Berechtigung meines Vorgehens zu ermöglichen, möchte ich hier besonders auf die ausführliche Diskussion der einschlägigen Arbeiten in den Li teraturberichten von Karlheinz Daniels 1976, 1979 und 1983 verweisen. Für eine relativ neue Bibliographie vgl. auch Pilz 1981.

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  7. Vgl. dagegen z.B. Fleischer 1982, der die Idiomatizität einer Wortverbindung zum Hauptkriterium macht, dann aber konsequenterweise auch solche Wortverbindungen phraseologisch nennen muß, die zwar idiomatisch zu verstehen sind, aber evtl. bloß ein einziges Mal in dieser Form geäußert wurden. Dies scheint mir aber nicht nur unmöglich zu sein, sondern auch den intuitiven Gegenstandsbereich zu sprengen.

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  8. Für das Folgende ist es wichtig, daß Phraseologismen — wie oben ausgeführt — als Einheiten der Sprachbewußtheit verstanden werden: Nicht alle Wendungen, die mir als Sprachwissenschaftler an der Sprachpraxis anderer als Phraseologismen auffallen, sind deshalb für die Betreffenden auch schon Phraseologismen.

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  9. Es gibt Fälle, auf die sich diese These anscheinend nicht ohne Gewaltanwendung ausdehnen läßt, z.B. solche Redewendungen, die offensichtliche lexikalische Lücken füllen, wie etwa Schmiere stehen oder auf dem Spiel stehen. In diesen Fällen könnte man argumentieren, die Wendungen seien nicht deshalb “fest”, weil uns ihre Form als solche als wesentlich gilt, sondern, weil es einfach keine knappe präzise Alternative zu dieser Formulierung gibt. Ich würde dagegenhalten, daß wir uns, indem uns die Wendung als phraseologische bewußt wird, vorstellen, es müßte eigentlich eine einfache Ausdrucksweise für das Gemeinte geben, dergegenüber die gängige komplexe Formulierung als “bildhaft” und deshalb notwendigerweise unpräzise einzustufen ist. In der Tat ist es ja wohl so, daß die Struktur der Wendung nicht der Struktur des mit ihr Gemeinten entspricht; bei lexikalischen Lücken ist die Struktur des Phraseologismus komplexer als die seiner phraseologischen Bedeutung.

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  10. Die Bewußtheit ist hier entscheidend: Natürlich hat nicht jeder sprachliche Ausdruck eine ästhetische Funktion, bloß weil wir etwa seine phonologische Struktur nicht variieren: Er bekommt diese Funktion aber, sobald wir die Phonem-Struktur als nicht-beliebig betrachten: Z.B. im Sinne der physei-These des Kratylos bei Platon.

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  11. Daran ändert auch die Idiomatizität der festen Wendungen nichts: Tomaten auf den Augen haben im Sinne von “etwas Of fensichtliches nicht sehen” ist insoweit nicht anders zu beurteilen, als etwa die Wortbildung Schlagzeile für “große Überschrift auf der ersten Zeitungsseite”: Wer Schlagzeile als “objektive Metapher” untersuchen will, verfehlt den Gegenstand (s.o., Abschnitt 1).

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  12. Ich will nicht verhehlen, daß dieses Kapitel auch eine Abrechnung mit der eigenen Vergangenheit darstellt. Zum Beleg dessen füge ich ohne Kommentar einen 1970 während meines Wehrdienstes vor dem Studium geschriebenen Text bei, der wohl auch mehr über mich besagt als über die Sprachpraxis, die er beschreibt. “Lehrgangsvokabular Einige besonders markante Ausdrücke und Redewendungen sind während der 17 Wochen unseres Lehrgangs in aller Munde, besonders aber im Munde der Lehrgangsleitung gewesen und haben die frische, ständig zu gesundem Lachen anregende Atmosphäre unnachahmlich charakterisiert. Die auffälligsten Sprachschöpfungen und Redegewohnheiten sind von uns einer kurzen linguistischpsychologischen Untersuchung unterzogen worden. Hier die Ergebnisse: “Hau ihn!” Der Ausdruck, der nur dann richtig klingt, wenn er vom StUffz B. angewandt wird. Er kennzeichnet Entschlossenheit, Kühnheit, Zähigkeit, Draufgängertum — alles Eigenschaften eines guten Infanteristen. “Wupp!” Lautmalendes Wort, das die Flinkheit und Mutigkeit einer Handlung mithilfe des voller Spannung schwirrenden “W” und des plötzlich abbrechenden “pp” andeutet. Es charakterisiert die sekundenschnelle mitreißende Improvisierkunst des HptFw. A. “Rubbeldidups” und “Rubbeldikatz” Ebenfalls lautmalende Wörter, die bei schnellem Sprechen durch den nahtlosen Übergang der verwandten Konsonanten ineinander sehr gut die unverzauderte Aufeinanderfolge der einzelnen Kampfhandlungen (beispielsweise im Angriff) verdeutlichen kann. Zusammen mit einer entsprechenden Geste des Körpers gesprochen, verfehlt das seine Wirkung auf die Zuhörer nie. “r-quadrat mal Pi mal Paddelboot” Vom HptFw A. abgewandelte Form der bekannten Kreisflächenformel F=r2 π durch die er offensichtlich wissenschaftlichen Formelkram verspotten will, gleichzeitig aber seine Bewunderung über die Erfolge nicht verhehlt, (am Tonfall erkennbar) die bei Anwendung solcher Formeln entstehen. “Sabbel nicht im Suff!” Wirkungsvolles Abschneiden eines furchtsam oder stockend vorgebrachten Gegenarguments. Die Alliteration (gleiche Anfangslaute der Wörter) schmeichelt (wie auch im vorangehenden Beispiel) dem deutschen Sprach- und Stilgefühl. “Erzähl mir nichts vom Erlkönig!” Redewendung, die, auf das bekannte Gedicht Goethes anspielend, dem Gesprächspartner deutlich machen soll, daß man seine Aussagen für unsinnig oder erlogen hält. Bei Anwendung dieser oder der vorhergehenden Redewendung ist weiteres Diskutieren gefährlich. “Willi” Name, der (offenbar wegen seiner ans Lächerliche grenzenden leichten Aussprechbarkeit) nach Meinung der Lehrgangsleitung auf jeden Soldaten paßt, wenn man seinen richtigen Namen gerade nicht im Kopf hat. “Der Teufel (oder: “der Feind”) ist ein Eichhörnchen!” Durch ihre sinnlose Komik wirkende Redensart des HptFw A. mit der er die Gerissenheit des Feindes oder der widrigen Umstände vor Augen führen will. Inwieweit die Aussage mit seiner Erfahrung oder der Wirklichkeit zusammenhängt, konnten wir nicht ermitteln. Auch unterscheidet sich das Verhalten von Eichhörnchen hinsichtlich der Gerissenheit wenig von dem anderer Tiere. “alt! In der Sprache der Lehrgangsleitung und der L. -Teilnehmer zu fast allen Menschen und Dingen passendes Attribut, das die überhebliche Einstellung offenbart, man kenne die Dinge alle schon, stehe über ihnen und könne sie im Grunde beherrschen. Aus der Kindersprache ist uns das Wort “alt” auch als gleichbedeutend mit “böse” bekannt. “astrein” Modewort und Attribut für alles, was als ausgesprochen gut erkannt wird. Es ist besonders wirkungsvoll, wenn bei breit geöffnetem Mund das “a” tief in der Kehle angelautet wird. “Rost” Berüchtigte Äußerung des Uffz S. Es verursachte ihm besonderen Genuß, beim Wa f fenreinigen gerade dieses Wort häufig zu wiederholen, während man “Dreck” oder “Öl” oder “Pulverschleim” selten von ihm vernahm. “Da bleibt kein Auge trocken!” “Da beißt keine Maus den Faden ab!” “Da kannst ’n Pup drauf lassen!” Redensarten der Lehrgangsleitung, mit denen vorher getane Aussagen versichert werden sollen. Die Beweiskraft dieser Redensarten beruht auf ihrer Paradoxie und dem Lacherfolg

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  13. Dabei ist es wichtig, darauf hinzuweisen, daß es mehrere verschiedene Klassen von Rezipienten gibt, z. B. die direkt Angesprochenen, die gemeinten Adressaten, die Lauscher, die zufälligen Zeugen. Mehrfachadressiertheit und Indirektheit gehen vielfach Hand in Hand.

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  14. Dies ist eine sehr abstrakte Charakterisierung: 1.: Natürlich gibt es Ausdrücke, wie z.B. Raumschiff, die wir als Metaphern erkennen können, wo es uns aber problemlos erscheint, den gemeinten Gegenstand genauer, wenn auch umständlicher, zu identifizieren, z.B. hinsichtlich seiner technischen Eigenschaften. Hier scheint also die Metapher nur eine Sache der Sprachökonomie zu sein. Aber das geht am Problem vorbei. Denn indem wir Raumschiff als Metapher erkennen, fragen wir m.E. nicht danach, ob dieser Ausdruck dem Gegenstand in seiner technisch-physikalischen Gegebenheit gerecht wird, sondern ob er unseren, über das bloß Technische hinausgehenden Begriff dieses Gegenstandes adäquat zum Ausdruck bringt.

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  15. .: Darüberhinaus ist zu fragen, ob Metaphern nicht auch eine rein ästhetische Funktion haben können und insofern im Zusammenhang mit Phraseologismen zu betrachten sind. Ein einfaches und nicht zu bestreitendes Beispiel hierfür scheint Zunge anstelle von Sprache zu sein. Aber dabei muß man zwei Fälle auseinanderhalten: a) Zunge kann als bloß stilistisches Synonym zu Sprache um der Anspielung auf ungewöhnliche Verwendungszusammenhänge willen gebraucht und verstanden werden, also nicht als Metapher. b) Zunge braucht/verstanden werden; aber was könnte dann die besondere ästhetische Qualität von Zunge gegenüber Sprache sache, daß durch diesen Ausdruck bestimmte Aspekte des gemeinten Gegenstandes besonders hervorgehoben werden? Wie dem auch sei — ich möchte keineswegs bestreiten, daß Metaphern auch ästhetische Funktion haben können; bestreiten möchte ich allerdings, daß es viele Beispiele von Metaphern gibt, die sich allein aus dieser Funktion erklären ließen.

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  16. Derartige Beispiele fallen Searle (bezeichnenderweise?) ein: Ist es der Fall, daß du gegenwärtig die Fähigkeit besitzt, mir das Buch vom obersten Regal zu geben? In solchen — und es lassen sich leicht noch geschraubtere Beispiele erfinden — Äußerungen wird mit der Möglichkeit, sich indirekt auszudrücken, gespielt. Die Lust am Spiel entsteht durch die Spannung, wie gut die Beteiligten in der Lage sind, solche Äußerungen zu ver- bzw. entschlüsseln.

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  17. Auch hier besteht die Parallele zu Litotes und Periphrase: In der Sprachgeschichte gibt es z. B. reichlich Fälle von ursprünglichen Euphemismen, die im Laufe der Zeit zu Standard-Lexemen konventionalisiert wurden, vgl. insbesondere die Ausdrücke im Sexual- und Fäkalbereich, z.B. Stuhl: D. sollte erst dann abgesetzt werden, wenn ein geformter Stuhl zu beobachten ist! (Gebrauchsinformation eines Durchfall-Medikaments.)

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  18. Vgl. gegen diese Beschreibung die Darstellung bei Hindelang 1983.

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  19. Es gibt auch Fälle “umgekehrter” Ironie, eine Art Neckerei, bei der die ironische Formulierung dem Adressaten zwar ungelegen kommt (z.B. ein Tadel) und er auch Anlaß zu dem Glauben gegeben hat, daß ihn eine solche Formulierung treffen könnte, wo aber auch die 3. Instanz feststellt, daß es nicht gerechtfertigt wäre, diese Äußerung zu akzeptieren.

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  20. Eine sehr differenzierte Explikation von Ironie im Rahmen einer 3-PersonenTheorie (im Anschluß an Freuds Analyse des Witzes) liefert Wolf Dieter Stempel (1976). Stempel faßt allerdings die dritte ais einen realen, dem Angesprochenen nicht wohlgesonnenen Menschen, und nicht als die Instanz der Allgemeinheit. Dies führt ihn dazu, daß er bei Abwesenheit dieser dritten Person Ironie im eigentlichen Sinne kaum mehr für möglich hält: Ist nur der Adressat zugegen, so fehlt Stempel der komische Effekt: die Bloßstellung, Lächerlichmachung. Im weiteren führt dies dazu, daß er das Verfahren der Iro nie, das er ganz im hier auch vertretenen Sinne (nur wesentlich ausführlicher) als “scheinbare Aneignung, verstellende Nachahmung, Pseudoidentifikation und deren nega tive Entlarvung” (a.a.O., 234) beschreibt — von ihrem Effekt , der Lächerlichkeit des Adressaten in den Augen des Dritten, abtrennt: Dies hat nun zur Folge, daß wir der Ironie als Sprechhandlung eine komplexe illokutive Komponente zuweisen müssen. Sie reicht bis zu dem Punkt, wo das Verständnis des ironischen Verfahrens bei der zweiten oder einer dritten Person erzielt worden ist, und erzeugt als perlokutiven Effekt die Lächerlichkeit, die der dritten Person mit komischer Wirkung vermittelt wird. (a.a.O., 234) Dies erscheint mir nicht akzeptabel. Denn der komische Effekt liegt doch gerade darin, daß man die Identifikation mit den Anschauungen usw. des Adressaten als eine das Gesagte “negativierende” bloße “Pseudoidentifikation” erkennt, die ihn der Lächerlichkeit anheimgeben soll. Wenn ich also (was nicht der Fall sein muß) als Adressat die Ironie verstehe, so mag es z war sein, daß ich mich trotzdem nicht lächerlich finde, aber ich muß doch in diesem Verstehensakt ermessen, daß ein Dritter mich lächerlich findet; d.h. ich muß mich aus der Perspektive eines solchen Dritten betrachten, muß den komischen Effekt spüren, obwohl ich ihn unterdrücke. Wenn nun aber dieser Effekt für das Verstehen selbst konstitutiv ist, so sind die Kategorien “illokutiv” und “perlokutiv” offenkundig nicht anwendbar.

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  21. Deshalb ist es auch eine problematische Entscheidung, daß Groeben/Scheele im Rahmen ihres Projekts literarische Ironie ausdrücklich ausgeklammert haben (Groeben/Scheele, 2).

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  22. Der Spaß bei Sprachspielen leitet sich von der Spannung zwischen der Beherrschung der Regeln und der Möglichkeit, sie zu durchbrechen, her; der Spaß an Ironie von der Spannung zwischen — grob gesprochen — dem Niveau des allgemeinen Wissens und der Borniertheit einer je partikularen Anschauung, Gewohnheit o. ä. (zu Ironie vgl. in diesem Zusammenhang den Aufsatz von Stempel a.a.O., zu Sprachspielen z.B. Sanches/Kirshenblatt-Gimblett 1976.)

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  23. Zu den je nach Situation, sozialen Beziehungen usw. verschiedenen Typen von Funk t ionen und Mot iven der Ironie vgl. die empirischen Ergebnisse von Groeben/Scheele, zusammengefaßt a.a.O., 243–246.

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  24. Zu Überlegungen zu einer hier einschlägigen “Theorie des Zitats” vgl. Svensson 1984.

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  25. Zum hier verwendeten Begriff der “rationalen Kommunikation” vgl. auch Januschek 1976, 217–228.

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  26. Der Versuch einer formal-präzisen Darstellung der Anspielungsbeziehung als der für Sprachpraxis grundlegenden (genau in dem Sinne von “Konnotation” bei Maas) findet sich in Januschek/Svensson 1979, eine Demonstration der Anwendbarkeit dieser formalen Darstellung in Januschek 1980. Eine kurze empirische Studie haben Januschek/Svensson (a.a.O.) geliefert; ein praktisches Problem der Entwicklung neuer sprachlicher Handlungsmuster wird in Januschek 1982 diskutiert, eine Anleitung zur Ausnutzung der grundlegenden Funktion von Anspielungen zum Zweck der Entwicklung von Gegenöffentlichkeit findet sich in Januschek 1978. Weitere theoretische Zusammenhänge im Kontext der Diskussion sprachpolitischer Probleme haben Maas und ich (1981) herausgearbeitet.

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  27. Wolfgang Rohde hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß die für die sprach:(ziologische Beschreibung z.B. des Wandels im Verhältnis Dialekt-Hochsprache Differenzierung zwischen Auto- und Heterozentrierung durch die von vorgeschlagenen Dimensionen nicht direkt wiedergegeben wird. Ein “Hleterozentrismus” wie die Orientierung der Modernisierungsbestrebungen von Klerus und Landesfürsten am (im Norddeutschland der frühen Neuzeit) remnden Vorbild des Hochdeutschen ist sicher als “Stilisierung” (Dimension der formalen Auffälligkeit) noch unzureichend bestimmt: Hinzukommen muß die Dimension der Funktion, gemäß der zu beurteilen ist, ob es sich (und für wen!) hier auch um eine “Neuaneignung” handelt. Für viele Dialektsprechende war dies (und ist es bis heute noch) sicher nicht der Fall.

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  28. Zum Begriff des “Handlungsmusters” vgl. Januschek 1980 und die dortige Auseinandersetzung mit Rehbein 1978.

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  29. An dem Diskurs, den ich analysiere, bin ich somit selbst beteiligt. Mein Verständnis der Äußerungen und meine Erklärung der dabei stattfindenden Arbeit an Sprache sind also auch von meinen Erfahrungen und Motiven abhängig: Ich habe ein bestimmtes (“politisches”) Verhältnis zu diesem Diskurs, und seine Weiterentwicklung ist mir nicht gleichgültig. — Dies ist für die sprachwissenschaftliche Diskursanalyse nicht so trivial, wie etwa für die Literaturwissenschaft. Aber auch in let zterer hat es selten merkliche Folgen.

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  30. Trotzdem kann hier nicht bestritten werden, daß die in dieser Tradition durchge f ühr ten Untersuchungen interessante Ergebnisse — sowohl was die Beschreibung der Bedeutung verschiedener metaphorischer Texte/Äußerungen als auch was die Herausarbeitung von Problemen bei der Einbeziehung (oder Ausklammerung) von Metaphorik in die Grammatik einer Sprache betrifft — erbringen. Der Vorbehalt, der derartigen Ansätzen gegenüber hinsichtlich der Explikation der Funktion von Metaphorik sowie deren Abgrenzung gegenüber “wörtlichem” Sprachgebrauch besteht, darf nicht dazu führen, die Auseinanderset zung mit ihnen in Bausch und Bogen für überflüssig zu halten.

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  31. Dam it soll einer formalen Theorie von Sprache nicht jeglicher Sinn abgesprochen werden. Es ist hier nur wichtig, daß die Grenzen einer formalen Sprachtheorie nicht in Bezug auf sprachliche Gegenstände wie “Metapher” oder “kommunikativer Sinn” (s. dazu ebenfalls Bierwisch) festgelegt werden können. Meine Auffassung ist die, daß diese Grenzen bezüglich der Motive und Ziele der Sprachwissenschaftler festzulegen sind: Eine formale Sprachtheorie verwickelt sich z. B. sicher dann nicht in grundlegende Widersprüche, wenn sie als eine Spielerei (von der Art eines “Logicals” o. ä.) begrif fen wird, aber auch dann nicht, wenn sie als Explikation von Äußerungen begrif fen wird, also als systematische Art des Paraphrasierens, das ja auch nie mehr als eine Annähe

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  32. Die radikale Position, derzufolge die Unterscheidung der wörtlichen von der metaphorischen Bedeutung insgesamt obsolet ist (alle Äußerungen bedürfen der Interpretation unter den jeweiligen Kontextbedingungen, und diese Interpretation ist immer eine kreative Leistung — ebenso wie die Produktion der Äußerung -, weil sie bekannte Ausdrücke in einer neuen Situation anwendet, ihre Bedeutung also auf neue Phänomene “überträgt”), wird z. B. auch von David Rumelhart vertreten. Er glaubt, daß jeder Ausdruck ein “Schema” repräsentiert, das in der konkreten Situation immer nur mehr oder weniger angemessen ist, und daß der Hörer herausfinden muß, inwiefern es jeweils paßt. Wenn es gut paßt, ist die Äußerung “wörtlich”; wenn es schwer paßt, ist sie “metaphorisch”; paßt es überhaupt nicht, ist sie unverständlich. Auch diese Positon fasziniert nur auf den ersten Blick. Denn warum verwenden wir dann manchmal weniger “passende” Ausdrücke, wenn es doch auch “passendere” gibt? Wer entscheidet, ob ein Ausdruck paßt? Und aufgrund welcher Kriterien, wenn es eine “wörtliche” Bedeutung nicht gibt? Wie soll ich et wa erkennen, daß das Begriffsschema von Ofenrohr auf diese Überlegungen weniger paßt als dasjenige von abstrakt in der Äußerung di ese Überlegungen sind ein Ofenrohr [abstract Und noch eins: Selbst wenn es zutrifft, daß sämtliche Äußerungen irgendwo eine Übertragung von Bedeutung implizieren, so gibt es doch nur einige wenige, bei denen uns dies auffällt.

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  33. Was hier genau bewußt wird, ist schwer zu beschreiben. Es dürfte normalerweise kaum eine explizit formulierte Regel sein. Hinreichend ist auch schon, daß uns die Existenz einer solchen Regel bewußt wird (ebenso wie uns die Existenz sprachlicher Regeln angesichts der Fehler, die Kinder, Dialektsprecher oder Ausländer machen, bewußt wird, ohne daß wir diese so bewußt gewordene Regel nun auch richtig explizieren könnten). Zur weiteren Diskussion verweise ich auf Andresen 1985, die im Anschluß an N.A. Bernstein und A.A. Leontjew die “spontane Sprachreflexion” als unmittelbar in die Sprachpraxis eingebundene von der durch eigenständige Motive und Ziele gekennzeichneten “eigentlichen Bewußtwerdung” von Sprache (z. B. im Grammatikunterricht) unterscheidet und beide in verschiedener Weise auf das “Modell der Sprachfähigkeit”, die Organisation der neuropsychischen Prozesse bei der Pro — duktion und Rezeption von Äußerungen, bezieht. Vgl. auch Andresen/ Januschek 1984.

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  34. Man könnte versuchen, auch diesen Sachverhalt wahrscheinlichkeitstheoretisch zu beschreiben: Wenn ein Satz in immer wieder gleicher Form geäußert wird, weil die Umstände immer wieder gleich sind, so ist die Form dieses Satzes durch den Kontext vorhersagbar. M. a.W. es besteht eine hohe Kohäsion zwischen der Form dieses Satzes und seinem Kontext. Das aber widerspricht einer Bedingung für Phraseologismen, deren innere Kohäsion ja größer sein soll als ihre äußere (s. o.). — Aber wenn man so argumentierte, könnten 1. z.B. Routineformeln wie mein herzliches Beileid offensichtlich keine Phraseologis — men sein,da sie im entsprechenden Kontext fast obligatorisch sind. 2.komm t es aber eben nicht darauf an, inwieweit eine Wendung durch den Kontext objektiv, bzw. für Dritte vorhersagbar ist, sondern darauf, inwieweit sie den Beteiligten vorhersagbar gilt. Auch was objektiv höchst wahrscheinlich ist (wie z.B., daß sich in den letzten drei Tagen kein schwerer Unfall im nächstgelegenen AKW ereignete) muß für mich trotz meiner Kenntnis dieser Wahrscheinlichkeit nicht unbedingt redundant sein.

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  35. Die Beziehung zur wahrscheinlichkeitstheoretischen Beschreibung von Phraseologismen wird hier deutlich. Coulmas weist selbst an einer Stelle auf die entsprechende sprachwissenschaftliche Tradition hin (Coulmas 1981, 42).

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  36. Ich meine, daß dieses Beispiel nur auf den ersten Blick einleuchtet. In Wirklichkeit hat nämlich bereits der schwerbehinderte Fahrgast eine Kommunikationsregel verletzt, indem er entweder die Bitte um den Sitzplatz vermeidet und damit unterstellt, sie würde — direkt geäußert — vielleicht nicht erfüllt werden, eine Unterstellung, die in unserer Kultur unhöflich, geradezu unverschäm t ist, oder aber zu erkennen gibt, daß er nicht bereit ist, dem Angesprochenen als Bittsteller gegenüberzutreten, der auf sein Wohlwollen an — gewiesen ist, und daß er demzufolge auch keinen Grund sieht, ihm für das zu erwartende Aufstehen zu danken.

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  37. Für eine ausführliche, auf den bei Leech zugrunde liegenden Ansatz von Grice bezogene Ideologiekritik vgl. Maas 1976, 138–141.

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  38. Im übrigen hat sie im angeführten Aufsatz eine ausführliche Bibliographie zu Anspielungen (allusions) angekündigt, die mir nicht zugänglich war.

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  39. Eine ausführlichere Diskussion des Svensson’schen Ansatzes möchte ich hier nicht wiederholen; vgl. dazu Januschek 1980 und Januschek/Maas 1981.

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  40. “Über die Wünschbarkeit einer Theorie des Zitierens” hat sich auch Peter Horst Neumann (1980) geäußert. Sein Aufsatz behandelt zwar auch Anspielungen (und zwar als diejenige Extrem form des Zitierens, wo “das Eigene und das Fremde” maximal integriert sind (a. a. O., 303)), bleibt aber im engeren Bereich der traditionellen Literaturbetrachtung, so daß er für die hier zu diskutierenden Probleme irrelevant ist

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  41. Nach dem Bonner Regierungswechsel 1982 zeigte sich, daß in der Tat beide Bedeutungen von “Genscher” sich für sprachliche Neubildungen eignen: Vgl. Sprüche wie “Wir lassen uns nicht vergenschern” und “Lange Ohren haben kurze Beine”, die damals umliefen.

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  42. Auf die Wichtigkeit dieses Gedankens hat mich Klaus Gloy hingewiesen.

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  43. Schon einmal ist eine linguistische Theorie als revolutionär empfunden worden, weil sie das Verstehen immer neuer Äußerungen erklärte; aber sie erklärte es auch nur unter Verwendung allgemeiner Regeln — die “generative” Transformationsgrammatik.

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  44. Maas’ Position bestreitet nicht die Tauglichkeit von Grammatiken für Textanalysen, sondern relativiert sie. Konnotationsanalysen gehen über die Denotationen hinaus, aber sie fundieren sie auch. Ihr Spezifikum aber, wodurch sie dies können, läßt sich nicht allgemein darstellen, allenfalls andeuten; denn eine allgemeine Darstellung ist immer auch interpretierbar als Beitrag zur allgemeinen Beschreibung der Bedeutung von Ausdrücken, also zu einem allgemeinen Modell der Denotationsfunktion von Sprache.

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Januschek, F. (1986). Nicht — Wörtliches Sprechen. In: Arbeit an Sprache. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-06749-8_3

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