Skip to main content

Einleitung

  • Chapter
Friedrich Nietzsche
  • 71 Accesses

Zusammenfassung

Dieses Buch ist das Ergebnis jahrelanger Studien zum Leben und Werk Nietzsches, aber auch Reflex eigener Lebenserfahrungen. Diesen Reflex zur Reflexion zu entfalten, d.h. die persönliche Rezeptionsgeschichte als Teil des wissenschaftlichen Forschungsprozesses zu verstehen und darzustellen, mag nicht unbedingt der herrschenden wissenschaftlichen Konvention entsprechen. Wenn ich trotzdem im folgenden die Phasen meiner Auseinandersetzung mit Nietzsche skizziere, so geschieht dies vor allem aus folgenden Gründen: erstens scheint mir die Tendenz, die eigene Subjektivität hinter der Maske der reinen, wissenschaftlichen Sachlichkeit zu verbergen, zum Scheindialog zwischen Scheinsubjekten zu führen, und zweitens wird auch der Sachverhalt kaschiert, daß eine humanwissenschaftliche Analyse immer Moment eines unabgeschlossenen und unabschließbaren Forschungsprozesses ist. Nietzsche gehört zu den Geistern, die starke Emotionen und emphatische Stellungnahmen provozieren. In der Rezeptionsgeschichte gibt es eine starke Tendenz zur Polarisierung der Positionen: es gibt Nietzsche-Verehrer, die ihn bewundern und sich gleichzeitig weitgehend mit ihm identifizieren, und es gibt Nietzsche-Hasser, die ihn ins Nichts verbannen möchten.1) Wahrscheinlich ist es aber vielen wie mir ergangen, der ich sowohl Phasen der Nietzsche-Verehrung bzw.Identifikation und Phasen der Nietzsche-Skepsis durchlebt habe. Die explizite Reflexion einer solchen individuellen Umwertung der Philosophie Nietzsches könnte auch einem tieferen Verständnis und einer gerechteren und ausgeglicheneren Würdigung dieses vielschichtigen und widerspruchsvollen Philosophen dienen.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 74.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Anmerkungen

  1. Vgl. Wolfgang Harich, “Revision des marxistischen Nietzsche-Bildes”, in: “Sinn und Form” Nt V 1987, S.1053.

    Google Scholar 

  2. Eine hervorragende Analyse der inneren Verwandtschaft zwischen faschistischer Mentalität und Nietzsches Philosophie findet man in Horst-Eberhard Richters Erinnerungsbuch “Die Chance des Gewissens”.

    Google Scholar 

  3. Für diese These habe ich anderswo eingehender argumentiert: “Thomas Manns Antifaschismus im Lichte seiner Weltanschauung”.

    Google Scholar 

  4. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Schweizer Schriftsteller Max Frisch. Vgl. dazu J. Kjaer, “Max Frisch. Theorie und Praxis”.

    Google Scholar 

  5. Negt/Kluge 1973, S.48f.

    Google Scholar 

  6. Nur in dem kurzen Kapitel “Die überforderte Frau” berührt Mitscherlich das Mutterproblem. “Auf dem Wege zur vaterlosen Gesellschaft”, S.76.

    Google Scholar 

  7. Diese Problematik hat der Schriftsteller Volker E. Pilgrim in seinem Werk “Muttersöhne”, in dem er auch Nietzsche als einen typischen “Muttersohn” charakterisiert, eindrucksvoll beschrieben.

    Google Scholar 

  8. Vgl. etwa Helen Caldicott, “Missile Envy” und Christa Wolf, “Kassandra”. Zum Problem “Feindbilder” vgl. auch J. Kjaer “Zur Diagnose der Kommunikationssituation der westeuropäischen Friedensbewegung(en) als Partner eines Ost-Westdialogs. Polemik oder politisch kultivierter Dialog?”

    Google Scholar 

  9. Vgl. z.B. Lars Lambrecht, “Intellektuelle Subjektivität und Gesellschaftsgeschichte”, Heinz Pepperle, “Revision des marxistischen Nietzschebildes?” Auch auf dem Nietzsche-Symposion der Marx-Engels-Stiftung im April 1988 bemühte man sich um eine zeitgemäße marxistische Auseinandersetzung mit der Philosophie Nietzsches. Die Beiträge der Teilnehmer sind unter dem Titel “Bruder Nietzsche?” von der Marx-Engels-Stiftung veröffentlicht worden. Der DDR-Philosoph Friedrich Tomberg hat zur marxistischen Nietzsche-Diskussion beigetragen mit einem wesentlichen, leider noch unpublizierten Artikel “Prolegomena zu einer zeitgemäßen Lektüre der ‘Unzeitgemäßen Betrachtungen’ von Friedrich Nietzsche.”

    Google Scholar 

  10. Vgl. dazu meine Analyse der Nietzsche-Biographien von Blunck, Janz und Ross in: “Orbis Litterarum” Nr. 39, Kopenhagen 1984. In der marxistischen Nietzsche-Rezeption ist Lars Lambrecht, der in seiner oben erwähnten Arbeit wesentliche Aspekte der Dialektik von Theorie, Begrifflichkeit, Empirie und Darstellung sehr prägnant formuliert hat, der einzige, der sich für die Sozialisation Nietzsches interessiert. Er verfolgt den intellektuellen Werdegang Nietzsches seit seinem Aufenthalt auf Schulpforta, da er sich aber eben öausschließlich für die intellektuelle Subjektivität Nietzsches interessiert, geht er nicht auf die Primärsozialisation in der Kindheit ein.

    Google Scholar 

  11. Besonders Alfred Lorenzer hat die Wichtigkeit der Interaktion zwischen Mutter und Kind für die Sozialisation des Kindes hervorgehoben.

    Google Scholar 

  12. H.-E. Richter, “Eltern, Kind und Neurose”, “Patient Familie”.

    Google Scholar 

  13. Christiane Olivier, “Jokastes Kinder”, Volker E. Pilgrim, “Muttersöhne”.

    Google Scholar 

  14. Elisabeth Badinter, “Die Mutterliebe”

    Google Scholar 

  15. Vgl. Erikson, Erik H., “Identity and the life cycle.”

    Google Scholar 

  16. Mahler, Margareth S. u.a. “Die psychische Geburt des Menschen”.

    Google Scholar 

  17. Ebd.

    Google Scholar 

  18. Richten H.-E., “Der Gotteskomplex”.

    Google Scholar 

  19. Holzkamp, Klaus, “Grundlegung der Psychologie”.

    Google Scholar 

  20. Odo Marquard hat in seinem gewichtigen Werk “Transzendentaler Idealismus. Romantische Naturphilosophie. Psychoanalyse” überzeugend nachgewiesen, daß psychoanalytische Grundkategorien Freuds wie “Unbewußtes, Verdrängung, Wiederkehr des Verdrängten, Ersatzbildung, Kompromißbildung, Sublimierung, Kompensation, Regression, Fixierung, Abwehr, Widerstand, Aufhebung der Amnesien usf. — ‘in gewisser Hinsicht philosophische Kategorien’ sind.” (Marquard, S.1) Fundamentale Elemente der psychoanalytischen Theorie seien schon Elemente der Philosophie, und zwar der transzendentalen Naturphilosophie gewesen. (Ebd., S.2) Freuds Theorie sei eine Antwort auf ein Problem, das selbst als Konsequenz der Transzendentalphilosophie und ihrer Wende zur Naturphilosophie entsteht, d.h. durch die ‘ Depotenzierung der Transzendentalphilosophie’ genetisch charakterisiert werden kann: wie leben mit der Natur, wo sie Macht hat über die Geschichte, wenn doch nicht mehr ‘ ästhetisch’ ?” (Ebd.)

    Google Scholar 

  21. Habermas, “Theorie und Praxis”, Frankfurt a.M. 1978, S.16.

    Google Scholar 

  22. Løgstrup, K.E., “Die ethische Forderung”.

    Google Scholar 

  23. Mit diesem Terminus, der im Deutschen ungebräuchlich ist, bezeichnet Løgstrup den bewußten, willkürlichen Vorbehalt bzw. die Zurückhaltung, mit denen ein Mensch sich vor der Gefahr der Selbstauslieferung oder des Mißbrauchs seiner Offenheit, seines Vertrauens oder anderer ‘spontaner Lebensäußerungen’ schützt.

    Google Scholar 

  24. Übersetzung Rosemarie Løgstrup.

    Google Scholar 

  25. Vgl. zudem Uffe Juul Jensen, “Moralsk ansvar og menneskesyn”, Kopenhagen 1984.

    Google Scholar 

  26. Vollständig neu ist dieser Autonomiebegriff allerdings nicht, insofern sich eine deutliche Verwandtschaft zwischen postfreudschen und vormarxschen Gedanken über die Autonomie des Menschen feststellen läßt. Es finden sich Elemente, die z.B. an Kant, Goethe, Schiller und Feuerbach erinnern.

    Google Scholar 

  27. Vgl. Miller 1979, S.25.

    Google Scholar 

  28. Vgl. Richters Erinnerungsbuch, “Die Chance des Gewissens”, das z.T. eine persönliche Auseinandersetzung Richters mit Nietzsches Denken ist.

    Google Scholar 

  29. Über das Phänomen Selbstmitleid schreibt Richter an anderer Stelle: “Solange wir unsere innere Repression aufrechterhalten, können wir nicht glaubwürdig auf einen Abbau der Repression und des Militarismus in der Gesellschaft hinarbeiten. Selbstmitleid gilt als verachtungswürdlig. Aber haben wir nicht zu lernen, Mitleid mit dem schwachen, elenden Teil unseres Selbst zu haben, um uns mit dem Elend der sozial Schwachen, der armen Völker in verpflichtender Solidarität verbunden zu fühlen, (...)”. (Richter 1986, S.252)

    Google Scholar 

  30. Zum Problem einseitiger Vernunftkritiken vgl. den wichtigen Artikel von Hans Jörg Sandkühler “Plädoyer für Rationalität. Zur geschichtlichen Aufgabe philosophischer Vernunftentwürfe”. In: “Bruder Nietzsche”, S.7.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1990 Springer Fachmedien Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Kjaer, J. (1990). Einleitung. In: Friedrich Nietzsche. Kulturwissenschaftliche Studien zur deutschen Literatur. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-06748-1_1

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-06748-1_1

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-12065-2

  • Online ISBN: 978-3-663-06748-1

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics