Skip to main content

Idealtypus

  • Chapter
  • 230 Accesses

Part of the book series: DUV Sozialwissenschaft ((VG,volume 1))

Zusammenfassung

In diesem Kapitel sollen logische Eigenschaften des Idealtypus Max Webers verdeutlicht und seine Tragweite klar gemacht werden. Zwar sieht man im Idealtypus schon seit langem einen der wichtigsten Beiträge Webers auf dem Gebiet der Wissenschaftstheorie an, aber immer wieder betont man gleichzeitig seine Uneindeutigkeit und Uneinheitlichkeit, Unklarheit und mangelnde Strenge.2 Hingegen möchte ich hier versuchen zu zeigen, daß Weber umgekehrt den Idealtypus einheitlich und schlüssig konzipiert hat und seine potentielle Tragweite noch nicht erschöpft ist. Zu diesem Zweck muß man hier klar in den Blick bekommen, was Weber mit dem Idealtypus nicht gemeint hat. Zwar deuten uns unsere bisherigen Ausführungen die Antwort auf die Frage schon an, ja besonders die logische Aufbauoperation des Idealtypus im ‚Beziehen auf Werte‘ haben wir im letzten Kapitel kennengelernt. Hier möchte ich sie jedoch noch ergänzen und den Übergang von der Begriffstheorie zur Handlungs- und Erklärungstheorie vorbereiten.

„Verum idem factum“ (Vico).

„Es erfordert durchaus eine ‚generalisierende Begriffsbildung‘ oder, besser gesagt, einer universalen Überschau, die aus der Fülle der Einzelphaenomene ein ‚Urbildliches‘ und Typisches herausgelöst. Diese ‚idealtypische‘ Betrachtung, wie sie im Gebiet der Wirtschaftslehre und der Soziologie von Max Weber durchgeführt worden ist, ist so wenig nomothetisch, wie sie bloss idiographisch ist; sie stellt eine eigene und legitime Art der kulturwissenschaftlichen Begriffsbildung dar.“1

This is a preview of subscription content, log in via an institution.

Buying options

Chapter
USD   29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD   49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD   69.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Learn about institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Cassirer (1999), S. 162.

    Google Scholar 

  2. Schelting (1922), S. 701 ff.; ders. (1934), S. 73, S. 191 ff., S. 328 ff., S. 354. Siehe auch Henrich (1952), S. 96. Von der Seite der moderneren Wissenschaftstheorie z. B.: Lazarsfeld (1980), S. 39; Hempel (1980), S. 86; Schmid (1994), S. 415–444. — Watkins unterscheidet z. B. Idealtypen von Begriffen im traditionell-logischen Sinne nicht. Darüber hinaus scheint er sie damit gleichgesetzt zu haben (Watkins (1972), S. 333). Ein weiteres Mißverständnis zeigt sich in folgendem Zitat: „In diesem Werk Wirtschaft und Gesellschaft] vertrat er die Meinung, daß es die erste Aufgabe des Sozialwissenschaftlers sei, ein allgemein anwendbares theoretisches System zu entwickeln; und um dahin zu gelangen, schlug er vor, die Idealtypen in gleicher Weise wie Modelle in den deduktiven Wirtschaftswissenschaften zu verwenden“ (S. 333). In der vorliegenden Arbeit wird erwiesen, daß Weber genau das Gegenteil vertritt.

    Google Scholar 

  3. WL, 170.

    Google Scholar 

  4. Weiß (1992), S. 36 f.

    Google Scholar 

  5. Vgl. WL, 5.

    Google Scholar 

  6. Weber spricht immer wieder dem Idealtypus Schärfe und Eindeutigkeit zu. WL, 115, 146, Anm. 1., 190, 193, 196, 206 f., 210.

    Google Scholar 

  7. Cassirer (1910/1994), S. 5&#x20138.

    Google Scholar 

  8. Völlig zu Recht bemerkt Allerbeck: „Mehrfach wendet er [Weber] sich gegen Definitionen nach dem Schema ‚genus proximum, differentia specifica‘“ (Allerbeck (1982), S. 667).

    Google Scholar 

  9. Vgl. WL, 4.

    Google Scholar 

  10. WL, 193.

    Google Scholar 

  11. WL, 193 f.; Weiß (1992), S. 78 f.

    Google Scholar 

  12. WL, 202.

    Google Scholar 

  13. Neben der Deutung im Sinne der ‚Wertanalysis‘ finden sich noch zwei weitere Arten der Deutung bei Weber. Darauf werden wir im nächsten Kapitel zurückkommen.

    Google Scholar 

  14. WL, 201–205.

    Google Scholar 

  15. WL, 201.

    Google Scholar 

  16. WL, 201. Dagegen versteht Schelting unter dem Typus das Gattungsmäßige (Schelting (1934), S. 340). Aber Winckelmann zufolge soll unter dem Typus das Ideal-, das Ur- und das Vorbild in logischer Vollkommenheit verstanden werden. Er führt diese Verwendung des Typusbegriffs bei Weber auf die Logik Sigwarts zurück. Winckelmann (1952), S. 13, Anm. 50. Vgl. auch Sigwart (1911), S. 251, bes. S. 471.

    Google Scholar 

  17. WL, 4, 180, 193, 202.

    Google Scholar 

  18. WL, 202. WuG, 10.

    Google Scholar 

  19. „Idealtypus ist in dieser Funktion insbesondere der Versuch, historische Individuen oder deren Einzelbestandteile in genetische Begriffe zu fassen“. WL, 194. Auch WL, 190 f., 202, 204, 208, 224, 243, 258.

    Google Scholar 

  20. WL, 202. Was man hier im Auge behalten muß, ist, daß sich die Bestimmung ‚genetisch‘ bei Weber nicht nur auf die geschichtswissenschaftliche Erklärungsweise bezieht, sondern auch auf die idealtypische Begriffsbildung überhaupt. Es ist ja, wie Oh kürzlich anmerkte, bekannt und nicht falsch, daß Weber z. B. in Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus den historischen Prozeß der Entstehung des Kapitalismus genetisch darstellt. (Oh (1998), S. 182 ff.) Aber scheinbare Allgemeinbegriffe wie die ‚Grundbegriffe‘ sind ebenfalls genetische Begriffe und nur genetisch definierbar. Deshalb bleibt bei seiner Beobachtung eines der wichtigsten Momente des Idealtypus ‚genetisch‘ außer acht. Diese Vernachlässigung sehe ich als einen großen Fehler nicht nur von Oh, sondern von vielen bisherigen Interpretationen des Idealtypus, weil alle falschen und irreführenden Verwirrungen über das sogenannte Verhältnis von Generellbegriffen und Individualbegriffen bei Max Weber daraus herrühren. Vgl. z. B. Schelting. Weber verwendet auch den Terminus ‚typisch-genetisch‘ als Gegensatz von ‚empirisch-historisch‘ (WuG, 63). Auf diese gegensätzliche terminologische Verwendung ist, so viel ich weiß, zuerst von Kanai hingewiesen worden. Kanai (1991), S. 44 f.

    Google Scholar 

  21. WL, 194.

    Google Scholar 

  22. WL, 202.

    Google Scholar 

  23. WL. 333 f.

    Google Scholar 

  24. Wirkönnen auch WL, 197 als Beispiel nennen.

    Google Scholar 

  25. Diese Dogmatik des Sinnes ist nichts anderes als die Wertanalysis in seiner älteren Terminologie. Diese Dogmatik sieht Weber vor allem in der ökonomischen Theorie: „Die ökonomische Theorie endlich ist offensichtlich eine Dogmatik in einem logisch sehr anderen Sinn als etwa die Rechtsdogmatik“ (WL, 536).

    Google Scholar 

  26. Weber bezeichnet ihn nicht als Richtpunkt, sondern als Angriffspunkt. WL, 253. Vgl. auch Henrich (1952), S. 93.

    Google Scholar 

  27. Gabriel (1980), S. 440.; Brugger (1998), S. 57; Anonym (1997), S. 132. Ferner siehe auch: Cassirer (1910/1994), S. 15; ders. (1922/1994), S. 49, 87, 127 f., 191; ders. (1902), S. 113; ders. (1954/1994), S. 417 ff. Mir scheint in diesem Zusammenhang nicht Burger, sondern Henrich recht zu haben. Burger (1987), S. 126 f. Henrich (1952), S. 86 f. Siehe auch Lask (1902), S. 46.

    Google Scholar 

  28. WL, 184. Menger nennt sie ‚unsere Denkgesetze‘. Z. B. Menger (1969), S. 40, 42.

    Google Scholar 

  29. Menger, der auch die genetische Konstruktion bevorzugt, sagt: „Die exacten Theorien sollen uns die einfachsten, streng typisch gedachten (der exacten Auffassung zugänglichen) constitutiven Factoren der Erscheinungen und die Gesetze lehren, nach welchen sich complicierte Phänomene aus den ersten aufbauen“. Menger (1969), S. 116. Siehe auch S. 41 f., S. 45.

    Google Scholar 

  30. Waismann (1996), S. 64 ff.; Husserl (1992b), S. 601 ff.

    Google Scholar 

  31. Cassirer (1954/1494), S. 420.

    Google Scholar 

  32. Zur Rolle dieser Synthesis sagt Weber: „Er [= der Idealtypus] wird gewonnen durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluß einer Fülle von diffus und diskret, hier mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten figen, zu einem in sich einheitlichen Gedankenbilde. In seiner begrifflichen Reinheit ist dieses Gedankenbild nirgends in der Wirklichkeit empirisch vorfindbar, es ist eine Utopie“ (WL, 191). Vgl. auch WL, 232.

    Google Scholar 

  33. Kruse (1999), S. 181–192.

    Google Scholar 

  34. WL, 202.

    Google Scholar 

  35. Vgl. auch Weiß (1992), S. 68.

    Google Scholar 

  36. Die Eindeutigkeit von soziologischen Begriffen ist „durch ein möglichstes Optimum von Sinnadäquanz“ zu erreichen. (WuG, 10).

    Google Scholar 

  37. WL, 191.

    Google Scholar 

  38. WuG, 5.

    Google Scholar 

  39. Vgl. auch WL, 104. Zur Formungsfunktion des Wertes bzw. der Kategorie ‚Gelten‘ siehe WL, 104 f.

    Google Scholar 

  40. Der Begriff ‚Stadtwirtschaft‘ ist nicht ein Durchschnitt von beobachteten Stadtwirtschaften. WL, 191.

    Google Scholar 

  41. WuG, 2. Zu der anschaulichen Evidenz von mathematischen Lehrsätzen siehe WL, 109. Idealtypen haben das Maximum an Evidenz, sofern sie als sinnadäquat konstruiert sind. Siehe WL, 116 f. Vgl. auch WuG, 10. „Die Evidenz des verständlichen Gedeuteten enthält nach der logischen Seite lediglich die Denkmöglichkeit und nach der sachlichen lediglich die ‚objektive Möglichkeit‘ der ‚deutend‘ erfaßbaren Zusammenhänge als Voraussetzung in sich. Ihr kommt aber die Bedeutung eines ‚idealtypischen Gedankengebildes‘ zu, wenn es sich um die Bildung genereller Begriffe handelt“ (WL, 115). „Die ‚Deutung‘ bedeutet aber unter Kulturwertgesichtspunkten Formung des ‚historischen Individuums‘“ (WL, 122).

    Google Scholar 

  42. Zur idealisierenden Abstraktion im Unterschied zur Abstraktion im traditionellen Sinne siehe Husserl (1992b), S. 225 f., 690, und Cassirer (1942/1994).

    Google Scholar 

  43. Zum utopischen Charakter des Idealtypus weiter WL, 190–193, 534 f.

    Google Scholar 

  44. WL, 131 Siehe auch Cassirers Erläuterung zum Verhältnis zwischen dem Begriff und der empi-rischen Forschung anhand des Begriffs des ‚Renaissance-Menschen‘ Burckhardts. Cassirer (1942/1994), S. 72.

    Google Scholar 

  45. Wird die Grenznutzenlehre in dieser Weise verstanden, tritt zutage, daß der Begriff des ‚homo oeconomicus‘ nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich ist, besonders für die Einsicht in das Wesen der Grenznutzenlehre. Denn wenn man den Akteur, der in der Situation der Knappheit von Gütern rational handelt, als ‚homo oeconomicus‘ umschreibt, werden wir leicht dazu verleitet, die Situation der Knappheit von Gütern außer acht zu lassen und uns einzubilden, daß das Handeln des hominis oceconomici voraussetzungslos rational wäre. Das rationale Handeln bedeutet — zumindest bei Weber — nichts anderes als die Anpassung an eine gegebene, bestimmte Situation, und ohne die Situation gäbe es kein rationales Handeln. Ohne die ökonomische Situation, d. h. ohne die Knappheit von Gütern, würde das Handeln des hominis oeconomici als irrational erscheinen. — Vor über 40 Jahren schrieb Tenbruck Gottl das Verdienst zu, Weber zu jenem Verständnis der Grenznutzenlehre zu leiten: „Gottl hatte also den Lehrsätzen der Volkswirtschaftslehre eine neue Interpretation gegeben. Daß unter gewissen Umständen Menschen im Einklang mit diesen Lehrsätzen handelten, sei nicht die Folge von irgendwelchen sie blind beherrschenden Elementen der Wirklichkeit (Erwerbstrieb, Eigennutz usw.), sondern eine aus der Sachlogik der Situation geborene und deshalb verständliche Handlung und Entscheidung dieser Menschen selbst. Die theoretische Nationalökonomie ohne den homo oeconomicus — damit schien dem Naturalismus der stärkste Giftzahn ausgebrochen“ (Tenbruck (1959), S. 606).

    Google Scholar 

  46. Die reine ökonomische Theorie „macht bestimmte, in der Realität kaum jemals rein erfiillte, aber in verschieden starker Annäherung an sie anzutreffende Voraussetzungen und fragt: wie sich das soziale Handeln von Menschen, wenn es strikt rational verliefe, unter diesen Voraussetzungen gestalten würde. Sie unterstellt insbesondere das Walten rein ökonomischer Interessen und schaltet also den Einfluß machtpolitischer ebenso wie anderer außerökonomischer Orientierungen des Handelns aus“ (WL, 536).

    Google Scholar 

  47. Siehe z. B. WL, 227, Anm. 1.

    Google Scholar 

  48. Die Methode der Situationsanalyse im Sinne Poppers. Popper (1969), S. 120 f.

    Google Scholar 

  49. Weber sagt deutlich, daß ein Begriff ein Denkprodukt „von nur ‚funktioneller‘ Beziehung zum ‚Gegebenen‘“ ist. (WL, 110).

    Google Scholar 

  50. „Soziales“ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist“ (WuG, 1). „Von ‚Gemeinschaftshandeln‘ wollen wir da sprechen, wo menschliches Handeln subjektiv sinnhaft auf das Verhalten anderer Menschen bezogen wird“ (WL, 441). In der vorliegenden Arbeit wird nach der Terminologie in den Soziologischen Grundbegrifffen ‚soziales Handeln‘ als repräsentativ verwendet.

    Google Scholar 

  51. „Die Theoriedisposition der ‚doppelten Kontingenz‘ bei Weber zu vermissen, zeigt übrigens nur ein Nicht-Verstehen des Weberschen Begriffs des ,sozialen Handelns‘“ (Allerbeck (1982), S. 675).

    Google Scholar 

  52. WL, 427.

    Google Scholar 

  53. In diesem Sinne ist die Fragestellung der Wirklichkeitswissenschaft eine Umschreibung der klassischen philosophischen Frage, wie die Unendlichkeit erkannt werden soll.

    Google Scholar 

  54. Eine genauere Formulierung des methodologischen Individualismus befindet sich z. B. bei Watkins (1972), S. 338 ff.

    Google Scholar 

  55. Acham (1995), S. 71.

    Google Scholar 

  56. WL, 173 f., 188 f., 384–399, 432 ff.; WuG, 9.

    Google Scholar 

  57. „Für andre Erkenntniszwecke mag es nützlich oder nötig sein, das Einzelindividuum z. B. als eine Vergesellschaftung von ‚Zellen‘ oder einen Komplex biochemischer Reaktionen, oder sein ‚psychisches‘ Leben als durch (gleichviel wie qualifizierte) Einzelelemente konstituiert aufzufassen“ (WuG, 6).

    Google Scholar 

  58. „Handeln im Sinn sinnhaft verständlicher Orientierung des eignen Verhaltens gibt es für uns stets nur als Verhalten von einer oder mehreren einzelnen Personen“ (WuG, 6).

    Google Scholar 

  59. Z. B. ist der junge Gottl in diesen Fehlschluß geraten, das genetische Begriffsbildungsverfahren mit der empirischen Erklärung zu identifizieren. Dagegen sagt Weber: „Eine kausale ‚Erklärung‘ enthält der ‚Begriff‘ (denn ein solcher, und zwar ein abstrakter, liegt vor) nicht, soll sie auch wohl nicht enthalten“ (WL, 117 f., Anm. 2). Sein unempirischer, utopischer Charakter ermöglicht es, daß nicht nur wahre Begriffe, sondern verschiedene, mögliche Begriffe konzipiert werden. Man irrt sich, wenn man mit der Mannigfaltigkeit und Freiheit bei der Begriffsbildung sich vorstellt, daß der Forscher ad hoc einen Idealtypus bilden kann. Diese Mannigfaltigkeit und Freiheit der Begriffsbildung liegt nicht in der Willkür eines Forschers. Daß verschiedene Idealtypen möglich sind, bedeutet, daß sowohl die euklidische Geometrie als auch mehrere nichteuklidischen Geometrien bestehen können. Denn, da die menschliche Erkenntnis nur innerhalb eines von Werten erstreckten Horizonts möglich ist und nur dieser Horizont für eine Theorie ihre Einheit gewährleistet, ist es völlig ausgeschlossen, Begriffe des einen Horizonts mit Begriffen eines anderen zugleich zu verwenden. Wenn ein Horizont des Faches sich einmal erstreckt hat, muß der Fachforscher nur innerhalb dieses Horizonts arbeiten. „Alle kulturwissenschaftliche Arbeit in einer Zeit der Spezialisierung wird, nachdem sie durch bestimmte Problemstellungen einmal auf einen bestimmten Stoff hin ausgerichtet ist und sich ihre methodischen Prinzipien geschaffen hat, die Bearbeitung dieses Stoffes als Selbstzweck betrachten, ohne den Erkenntniswert der einzelnen Tatsachen stets bewußt an den letzten Wertideen zu kontrollieren, ja ohne sich ihrer Verankerung an diesen Wertideen überhaupt bewußt zu bleiben. Und es ist gut so. Aber irgendwann wechselt die Farbe: die Bedeutung der unreflektiert verwerteten Gesichtspunkte wird unsicher, der Weg verliert sich in der Dämmerung. Das Licht der großen Kulturprobleme ist weiter gezogen. Dann rüstet sich auch die Wissenschaft, ihren Standort und ihren Begriffsapparat zu wechseln und aus der Höhe des Gedankens auf den Strom des Geschehens zu blicken“ (WL, 214). Beispiele von nichteuklidischen Geometrien finden sich bei Weber in WL, 115 f., Anm. 3.

    Google Scholar 

  60. WL, 130 f.

    Google Scholar 

  61. Vom Vergleich der Idealtypen mit der Wirklichkeit wird z. B. an folgenden Stellen in WL gesprochen: WL, 198 f., 202 f., 205, 329 f., 535.

    Google Scholar 

  62. Menger (1969), S. 54. Siehe auch S. 59.

    Google Scholar 

  63. WL, 86, 228, 255, 341. Zur ‚teleologischen Dependenz‘ siehe auch Windelband (1914), S. 140 f. Rickert bezeichnet auch die Wertbeziehung als teleologisch. Rickert (1902), S. 307, 372; ders. (1913), S. 275, 339; ders. (1921), S. 212, 259; ders. (1929), S. 278, 343. Gephart erkennt auch den teleologischen Charakter der idealtypischen Begriffsbildung. Gephart (1998), S. 86.

    Google Scholar 

  64. WL. 85.

    Google Scholar 

  65. WL, 85.

    Google Scholar 

  66. WL, 85 f.

    Google Scholar 

  67. WL, 86. An einer anderen Stelle erklärt Weber die ‚teleologische Dependenz‘: „es handelt sich dabei nicht, wie er annimmt, um eine der Geschichte eigentümliche Art der Handhabung des Kausalitätsbegriffes, sondern darum, daß ‚historisch bedeutsam‘ eben nur diejenigen ‚Ursachen‘ sind, welche der von einem ‚gewerteten‘ Kulturbestandteil ausgehende Regressus als unentbehrliche Bestandteile seiner in sich aufnehmen muß“ (WL, 254 f.).

    Google Scholar 

  68. WL, 86. Ebd., Anm. 2.

    Google Scholar 

  69. Oh übersieht m. E. diesen teleologischen Charakter des Idealtypus. Dies wird schon durch sein Beispiel für die teleologische Begriffsbildung bewiesen: „die Nase ist für die Brille da“. Oh (1998), S. 93 f. auch S. 93, Anm. 2. Dagegen versteht Schelting unter der teleologischen Begriffsbildung die individualisierende Begriffsbildung. Schelting (1934), S. 224 f. — Da wir schon gesehen haben, daß Einzelerscheinungen und -merkmale erst in einer funktionellen Beziehung auf Sinn bzw. Wertideen, d. h. durch Aufnahme in einen Zusammenhang ihre eindeutigen Bedeutungen empfangen, gehen wir auf die ‚teleologische Dependenz‘ nicht mehr ein. Diese wird heutzutage üblicherweise als ‚funktionelle Beziehung‘ bezeichnet.

    Google Scholar 

  70. Mindestens diese Gleichförmigkeit bemerkt schon Rickert. Aber Gottl kommt der Verdienst zu, sie adäquat zu entfalten. Hierin besteht der Grund dafür, warum die Soziologie vom individuellen Handeln ausgehen soll. Weiß formuliert sie folgendermaßen: „Das Verhältnis des idealtypischen ‚Begriffs‘ zur Wirklichkeit läßt sich in dieser Hinsicht so formulieren: Der Idealtypus ist der ‚Begriff‘, auf den gesellschaftlich handelnde Menschen ihre Wirklichkeit zu bringen streben oder zumindest: können“ (Weiß (1992), S. 69). „Wertbeziehung im engeren Sinne ist das Verfahren, in dem derartige Annahmen über potentiell handlungsbestimmende Werte, Sinnorientierungen usw. die Begriffs- und Theoriebildung leiten“ (Weiß (1992), S. 36 f.). Henrich schreibt: „Alle sinnhaft konsequenten Idealtypen sind aber Entwürfe von möglichen Sinnorientierungen einer Persönlichkeit“ (Henrich (1952), S. 101). Siehe auch S. 101ff. Auf die Parallelität zwischen dem Handeln und der Begriffsbildung wird auch von Schelting hingewiesen: Schelting (1934), S. 206. Ferner findet man das Konzept der Erkenntnis als Handeln (Produktion) in bezug auf die Philosophie Kants und des Neukantianismus bei Wagner/Zipprian (1987).

    Google Scholar 

  71. Dazu Winckelmann (1967), S. 10; Girndt (1967), S. 29 f. Der Übergang von der Erkenntnis- auf die Handlungstheorien vermittelt durch die Intentionalität, findet sich bei Prauss (1993), S. 127 ff. Zum Wert als intentionalem Gehalt siehe z. B. WL, 123. Vgl. auch Henrich (1952), S. 47. Weber bezeichnet „Regeln der Logik und Methodik“ als die „allgemeinen Grundlagen unserer Orientierung in der Welt“ (MWG I/17, 93).

    Google Scholar 

  72. Dazu sagt Menger, der in dieser Hinsicht Weber beeinflußt, „streng determiniert“. Vgl. Menger (1969), S. 45, 264–6.

    Google Scholar 

  73. WL, 104 f., 123, 130.

    Google Scholar 

  74. WL, 129 f. ‚Rationalisierung‘ bedeutet hier, die irrationale Wirklichkeit in Begriffe zu bringen. Vgl. Rickert (1913), S. 223; ders. (1921), S. 172; ders. (1929), S. 226.

    Google Scholar 

  75. Der Begriff des ‚nomologischen Wissens‘ stammt bei Weber von Kries und sein Gegenbegriff heißt ‚ontologisches Wissen‘, nicht idiographisches Wissen. Kries (1886). Auch Husserl (1992a), S. 236. Zwar wird von Weber die Rolle des nomologischen Wissens bei der kausalen Zurechnung und der Begriffsbildung betont, aber man irrt sich, wenn man diesen Begriff mit von Windelband und Rickert herkommenden nomothetischen bzw. allgemeinen Begriffen, die idiographischen bzw. individuellen Begriffen gegenüberstehen, verwechseln und behaupten würde, daß Weber mit der Lehre des Idealtypus die unentbehrliche Bedeutung von allgemeiner Begrifflichkeit für sozialwissenschaftliche Erkenntnis unterstreicht.

    Google Scholar 

  76. WL, 73, 128, 340. Vgl. Weiß (1992), S. 42.

    Google Scholar 

  77. Dafür steht die Interpretation von Schelting: Schelting (1922) u. ders. (1934). Sie wird sowohl von Parsons (1937) (Soziologie) als auch Huges (1958) (Geistesgeschichte) angenommen. Die Gleichsetzung des Idealtypus mit der allgemeinen Begrifflichkeit und Gesetzlichkeit ruft aber die zwei folgenden Probleme hervor. Erstens vermag die Interpretation nicht zu erklären, warum Weber unter ‚Idealtypus‘ nicht nur das System der reinen Wirtschaftslehre und ‚allgemeine Begriffe‘ wie ‚Macht‘, ‚Herrschaft‘, ‚rationales Handeln‘ usf. versteht, sondern auch ‚Individualbegriffe‘ wie ‚mittelalterliche Stadtwirtschaft‘ und ‚Urchristentum‘ usw., und sie erledigt dieses ‚Warum‘ nur als Webers Verwirrung und Mangel an Klarheit und Einheit, statt Antwort zu geben. Zweitens: Wenn Weber von Kausalität und Kausalgesetz redet, klassifiziert er sie in Kausalität als ‚Kategorie‘, ‚Naturgesetz‘, ‚Erfahrungsgesetz bzw.-regeln‘, und mit dieser Klassifikation kritisiert er Stammler im Stammler-Aufsatz (z. B. WL, 317). Trotzdem verschwindet diese Klassifikation unter dem Name ‚Kausalgesetz‘ bei der hier berührten Interpretation.

    Google Scholar 

  78. D. h.: umfangreicher als das, was Albert darunter verstanden hat.

    Google Scholar 

  79. WL, 276 f.

    Google Scholar 

  80. WL, 277.

    Google Scholar 

  81. WL, 356. „Nun bemerkt Rickert gelegentlich, daß die gemeinsame Wirklichkeit des alltäglichen (praktischen) Lebens durch Wertbeziehung konstituiert sei“ (Weiß (1992), S. 42).

    Google Scholar 

  82. Bei Weber gilt auch die Kategorie der Möglichkeit als eine wichtige formende Kategorie. WL, 269 f., Anm. 3.

    Google Scholar 

  83. WL, 331.

    Google Scholar 

  84. WL, 323.

    Google Scholar 

  85. Hierzu sagt Weber eindeutig, daß es sich dabei stets „nicht um im engeren exakt naturwissen-schaftlichen Sinne ‚gesetzliche‘ [] Zusammenhänge“ handelt. WL, 179.

    Google Scholar 

  86. Vgl. auch WL, 327: „Wenn ich x tue, ist, nach Erfahrungsregeln, y die Folge“. Dies ist auch für soziales Handeln bzw. Gemeinschaftshandeln vorausgesetzt, weil Gemeinschaftshandeln als ein „Sichverhalten von einzelnen zum aktuellen oder zum vorgestellten potentiellen Sichverhalten anderer Einzelner“ definiert ist (WL, 442).

    Google Scholar 

  87. Vgl. WL, 104 f. Weiß (1992), S. 42.

    Google Scholar 

  88. Zur Bildung des Idealtypus: WL, 115, 117, Anm. 2, 125, Anm. 1, 130, 179, 194. Zur Verursachung: WL, 266–290.

    Google Scholar 

  89. WL, 194.

    Google Scholar 

  90. WL, 273.

    Google Scholar 

  91. WL, 273.

    Google Scholar 

  92. Bei der Konstruktion von Idealtypen operiert man damit genauso. WL, 192 ff.

    Google Scholar 

  93. WL, 276.

    Google Scholar 

  94. WL, 129.

    Google Scholar 

  95. WL, 128, 149–51, 510 f., 526 ff. WuG, 13. 96 ‚Objektiv‘ in dem gleichen Sinne befindet sich in ‚das objektive Bestehen der Chancen‘. WL, 441. Zur Rolle der Phantasie in Webers Wissenschaftslehre siehe Freund (1994).

    Google Scholar 

  96. WL, 279 f.

    Google Scholar 

  97. Weber nennt ihn ‚das feste Skelett‘. In bezug auf die philosophische Tradition können wir aber die formale und die reale Möglichkeit unterscheiden. Die erstere bedeutet einfach die Denkbarkeit. Die letztere kann als die Seinsmöglichkeit bezeichnet werden, die die Tatsachen meint, die noch nicht sind. Diese Seinsmöglichkeit ist die Voraussetzung für künftiges Sein. Bei Weber fließen diese beiden Bedeutungen ineins.

    Google Scholar 

  98. WL, 278 f.

    Google Scholar 

  99. Cassirer (1957/1994), S. 81 f.

    Google Scholar 

  100. Diese Unverwechselbarkeit, Unersetzbarkeit und Unwiederholbarkeit werden nur durch ihren Bezug auf den Wert als Referenzpunkt ermöglicht. Siehe Rickert (1921), S. 420; ders. (1929), S. 554.

    Google Scholar 

  101. Cassirer (1954/1994), S. 364.

    Google Scholar 

  102. WL, 6, Anm. 6.

    Google Scholar 

  103. Schelting (1922), S. 701 ff.; ders. (1934), S. 73. Im Gegensatz dazu vgl. z. B. Cassirer (1954/1994), S. 69 ff.

    Google Scholar 

  104. Zum Verhältnis zwischen der Intentionalität und der Semantik der möglichen Welten (possible worlds semantics) siehe z. B. Hintika (1975).

    Google Scholar 

Download references

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2001 Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden

About this chapter

Cite this chapter

Morikawa, T. (2001). Idealtypus. In: Handeln, Welt und Wissenschaft. DUV Sozialwissenschaft, vol 1. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-05967-7_8

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-05967-7_8

  • Publisher Name: Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8244-0611-1

  • Online ISBN: 978-3-663-05967-7

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics