Zusammenfassung
Die Forschungsliteratur zu Peter Weiss gibt regelmäßig dem Erstaunen darüber Ausdruck, daß dieser sich nicht zum Problem der jüdischen Identität geäußert habe, obwohl er nur durch die Emigration dem sicheren Tod entgangen war. Abgesehen von der Tatsache, daß ich eine kurze Phase der Identifikation mit dem Judentum nachweisen werde, muß auf Eines nachdrücklich hingewiesen werden: Nach jüdischer Definition war Peter Weiss kein Jude, da nur sein Vater, nicht aber die Mutter jüdischer Herkunft war. Erst die Nürnberger Rassegesetzgebung definierte ihn dann als „Halbjuden“. Seine anfängliche Ignoranz gegenüber diesem Status muß daher als durchaus plausible Reaktion gelten. Im Fluchtpunkt heißt es:
Daß ich kein Deutscher, und väterlicherseits von jüdischer Herkunft war, erfuhr ich erst kurz vor der Auswanderung. [...] Die plötzliche Ernennung zum Ausländer und Halbjuden, das Verbot der Teilnahme am gemeinsamen Gruß, beeindruckte mich nicht, da mir die Fragen nach der Nationalität und der rassischen Zugehörigkeit gleichgültig waren.1
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen
Peter Weiss: Fluchtpunkt. Frankfurt/Main 1965 (es 125), S. 9 f.
Jochen Vogt: Nur das Opfer kann zum Täter werden. Über Zugehörigkeitsprobleme bei Peter Weiss. In: Ders.: Erinnerung ist unsere Aufgabe. Über Literatur, Moral und Politik 1945–1990. Opladen 1991, S. 56–70; hier S. 59. Vogt betont zwar die Differenz zwischen vergangenem Ereignis und dessen Verarbeitung, zieht daraus aber keine Konsequenzen.
Weiss: Die Besiegten. Frankfurt/Main 1985, S. 35.
Weiss: Abschied-von den Eltern. Frankfurt/Main 1966 (es 85), S. 73.
Möglicherweise handelt es sich hier um die Rückdatierung einer späteren Erkenntnis. Zur Differenz zwischen Lebensgeschichte und deren literarischer Verarbeitung vgl.: Beat Mazenauer: Konstruktion und Wirklichkeit. Anmerkungen zur autobiographischen Wahrhaftigkeit bei Peter Weiss. In: Peter-WeissJahrbuch 2. Opladen 1992, S. 41–50.
Weiss: Fluchtpunkt, S. 32.
Hermann Levin Goldschmidt: Freundschaft mit Peter Weiss. In: Peter Weiss: Briefe an Hermann Levin Goldschmidt und Robert Jungk 1938–1980. Hrsg. v. Beat Mazenauer. Leipzig 1992, S. 198–204; hier S. 200 f.
Ebd., S. 201.
Irene Heidelberger-Leonard: Jüdisches Bewußtsein im Werk von Peter Weiss. In: Michael Hofmann (Hrsg.): Literatur, Ästhetik, Geschichte. Neue Zugänge zu Peter Weiss. St. Ingbert 1992, S. 49–64; hier S. 52. Trotz dieser Beobachtung sieht Heidelberger-Leonard erst in der Ästhetik des Widerstands „einen ersten Höhepunkt“ jüdischen Bewußtseins bei Weiss (S. 58).
Christine Frisch hält „Marat/Sade“ in gewissem Sinne für eine Fortsetzung der beiden autobiographisch gefärbten Prosawerke. Vgl.: Christiane Frisch: „Geniestreich“, „Lehrstück“, „Revolutionsgestammel“. Zur Rezeption des Dramas „Marat/Sade“ [...]. Stockholm 1992, S. 21. Weiss’ entsprechende Äußerung findet sich in: Michael Roloff: Ein Interview mit Peter Weiss. (März 1964). In: Rainer Gerlach, Matthias Richter (Hrsg.): Peter Weiss im Gespräch. Frankfurt/Main 1986, S. 31–43; hier S. 39.
Weiss: Notizbücher 1960–1971. Frankfurt/Main 1982 (2 Bände), Band 1, S. 150. Datiert auf 26. Mai 1963.
Weiss: Abschied von den Eltern, S. 143.
Ebd., S. 119.
Weiss: Fluchtpunkt, S. 162.
Weiss: Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade. Frankfurt/Main 1965 (53.-72. Tsd., d.i. IV. Fassung; 1. Aufl. 1964), S. 38. Im folgenden als „Marat/Sade“ mit Angabe der Fassung (röm. Ziffer) und Seitenzahl (arabisch). Zu den Fassungen vgl.: Arnd Beise, Ingo Breuer: Vier, fünf oder zehn Fassungen? Entstehungsphasen des „Marat/Sade“ von Peter Weiss. In: Peter-Weiss-Jahrbuch 1 (1991), S. 86–115; zur hier verwendeten Nomenklatur siehe die dortige Übersicht auf S. 88 f.
Weiss: Fluchtpunkt, S. 137.
Ernest Belfort Bax: Jean-Paul Marat - The People’s Friend. London 1900, S. 16.
Ebd. - Vgl. dagegen eine andere Quelle von Weiss: Fritz Reck-Malleczewen: Charlotte Corday. Geschichte eines Attentats. Wiesentheid 1947 (10.-15. Tsd.), S. 29, Anm. 1: „Man hat Marats als Juden angesprochen. [...] Ein weiteres Moment, das für die jüdische Abkunft der Marats spräche, findet sich in den bislang bekanntgewordenen Urkunden nicht.“
Weiss: Marat/Sade, IV, S. 53.
Weiss: Marat/Sade, I. Fassung (Nr. 3), S. 24.
Ebd., S. 42. Erste jugendliche Erfahrungen als „Aufwiegler“ vermeldet auch „Abschied von den Eltern“ (S. 97): „[...] meine winzigen Aufruhrversuche waren im Keim erstickt worden. Ich konnte meine Lage nicht erkennen.“
Weiss: Notizbücher 1960–1971, Band II, S. 111. Ebenso im Original-Manuskript (Peter-Weiss-Nachlaß in dar Westberliner Akademie der Künste, Sign. 76/ 86/2), S. 55.
Peter Weiss: Marat/Sade, I. Fassung, S. 43 f. Offensichtliche Tippfehler des Manuskripts sind stillschweigend korrigiert.
Louis R. Gottschalk: Jean Paul Marat. A Study in Radicalism (1927). Chicago, London 1967, S. 6.
Weiss: Notizbücher 1960–1971, S. 48 ff. - Marats eigene Darstellung hat Weiss z.T. wörtlich übernommen: Weiss: Marat/Sade, IV, S. 110 f. Dazu auch: Bax: Marat, S. 31 f. und Gottschalk: Marat, S. 20.
Peter Weiss: Marat/Sade, IV, S. 27. Hervorhebung im Original gesperrt gedruckt.
Achim von Bornes (Hrsg.): Selbstzeugnisse des deutschen Judentums 18701945. Frankfurt/Main, Hamburg 1962, S. 178 f. Dort der Auszug aus Kap. II. 28b „Die sozialistische Bewegung“ aus: Arnold Zweig: Bilanz der deutschen Judenheit. Ein Versuch (1934). Köln 1961. Nach dieser Ausgabe wird im folgenden zitiert, in Klammern die Seitenzahl der davor genannten Ausgabe.
Ebd., S. 280.
Ebd., S. 281.
Ebd., S. 282 (S. 178).
Ebd., S. 283 (S. 178).
Hannah Arendt: The Jew as Paria: A Hidden Tradition (1944). Benutzt wurde die deutschsprachige Ausgabe: Die verborgene Tradition. In: Dies.: Sechs Essays. Heidelberg 1948, S. 81–111; hier S. 91 f. - Zuletzt in: Dies.: Die verborgene Tradition. Frankfurt/Main 1976, S. 46–73.
Ebd., S. 94.
Ebd., S. 93.
Ebd., S. 72.
Gert Mattenkdott: Ostjudentum und Exotismus. In: Thomas Koebner, Gerhardt Pickerodt (Hrsg.): Die andere Welt. Studien zum Exotismus. Frankfurt/Main 1987, S. 291–306; hier S. 299.
Vgl. hierzu: Arnd Beise: Ein Existentialist mit Namen Marat. Zur Entstehung des „Marat/Sade“ von Peter Weiss. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 111 (1992), Heft 2, S. 284–308; hier S. 303 ff.
Vgl. hierzu: Hans Mayer: Außenseiter. Frankfurt/Main 1975, S. 464.
Weiss: Brief an H.M. Enzensberger. In: Ders.: Rapporte II. Frankfurt/Main 1971, S. 35–44; hier S. 37.
Ebd., S. 38.
Ebd., S. 39.
Weiss: Notizbücher 1960–1971, Bd. I, S. 308.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 1994 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Breuer, I. (1994). Der Jude Marat. Identifikationsprobleme bei Peter Weiss. In: Heidelberger-Leonard, I. (eds) Peter Weiss. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-05721-5_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-05721-5_5
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-12533-6
Online ISBN: 978-3-663-05721-5
eBook Packages: Springer Book Archive