Zusammenfassung
Das Phänomen des kapitalistischen Entwicklungsprozesses hat seit den Klassikern, insbesondere seit Marx immer wieder die ökonomische Wissenschaft gebannt; sei es, um analog zu den Naturwissenschaften Gesetze der Entwicklung zu finden oder um die Faktoren zu bestimmen, die einen Prozeß in seiner Einmaligkeit bewirkten. Trotz der Vielzahl von Erörterungen blieb seltsamerweise ein Problemkreis im Hintergrund, nämlich die Frage, welchen Einfluß die Staatswirtschaft auf den Kapitalismus ausübe. Ein Querschnitt durch die wichtigsten Untersuchungen muß geradezu den Anschein erwecken, als ob der gewaltige Wirtschaftsprozeß der Neuzeit allein ein Produkt privater Wirtschaftsinitiative sei und höchstens in Nebenpunkten durch das Tätigwerden der öffentlichen Hand geringfügige Korrekturen erfahren habe. Da aber im gesamten Kapitalismus — nicht nur in seinen frühen und späten Perioden — stets ein, wenn auch nicht immer gleich umfangreicher staatswirtschaftlicher Sektor aufzufinden ist, muß bewußt oder unbewußt eine der folgenden Prämissen in diesen Untersuchungen verwandt worden sein: 1. Die Staatswirtschaft wirke nicht; oder 2. sie wirke allein negativ auf die Aufwärtsentwicklung des Gesamtsystems ein; oder es schien 3. aus methodischen Erwägungen — die allerdings teilweise auch schon ein Vorurteil enthalten — zweckmäßig, eine Begrenzung auf die Faktoren des privaten Sektors vorzunehmen, d. h. es blieb offen, ob und welche Beziehungen zwischen staatlicher Aktivität und wirtschaftlicher Entwicklung bestehen.
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Literatur
Vgl. hierzu Wilhelm Gerloff, Steuerwirtschaftslehre, Handbuch der Finanzwissenschaft, 2. Aufl. Bd. 2, S. 323.
Vgl. z. B. Waldemar Holz, Sind internationale Vergleiche steuerlicher Belastung möglich? Leipzig 1924.
J. Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, a. a. O., S. 98.
Vgl. Schumpeter, ebenda.
Die analoge Frage hinsichtlich der Abgrenzung von ordentlichen und außerordentlichen Staatsausgaben auf Grund des Periodizitäts-Kriteriums zeigt, daß es sich nur um ein Scheinproblem handelt.
z. B. kann ein saisonaler Spitzenausschlag als diskontinuierlicher Vorgang angesehen werden, wenn die Betrachtungsperiode nur einen Monat umfaßt, der gleiche Tatbestand erhält aber allgemein die Bezeichnung kontinuierlich, wenn eine Periode von mehreren Jahren unterlegt wird.
J. Schumpeter, Theorie der wirtsch. Entwicklung, a. a. O., S. 95.
Vgl. u. a. E. Reigrotzki, Exakte Wirtschaftstheorie und Wirklichkeit, Göttingen 1948, S. 70; K. Brand, Struktur der Wirtschaftsdynamik, Frankfurt, 1952, S. 48 f.
E. D. Domar, Capital Expansion, Rate of Growth, and Employment, Econometrica. Vol. 14, 1946, S. 137 ff.; derselbe, The Problem of Capital Accumulation, American Economic Review, Vol. 38, 1948, S. 777 ff.;
R. F. Harrod, Dynamische Wirtschaft, Wien und Stuttgart 1949, sowie W. Hoffmann, Vollbeschäftigung als Problem der wachsenden Wirtschaft, Schriften des Vereins für Sozialpolitik, N. F. Bd. 3, 1951.
Zusammenfassend J. R. Baumol, Economic Dynamics, New York 1951 und G. Bombach, Zur Theorie des wirtschaftlichen Wachstums, Weltwirtschaftliches Archiv, 70, 1953, S. 110 ff.
Vgl. J. Schumpeter, History of Economic Analysis a. a. O., S. 964.
Der Vorschlag, an Stelle des Terminus »Finanzwirtschaft« den Ausdruck »Staatswirtschaft« zu setzen, stammt von F. K. Mann, Die Staatswirtschaftslehre unserer Zeit, Finanzarchiv, N. F. Bd. 15, 1954. Der ausgezeichnete Artikel hat im übrigen wesentliche Anregungen für diese Arbeit vermittelt.
Vgl. F. K. Mann, Die intermediären Finanzgewalten und ihr Einfluß auf Deutschlands finanzielle Belastung, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 74, 1928, S. 219 ff.
Diese weitere Fassung des Objektes der Finanzwissenschaft ist an sich heute nicht mehr außergewöhnlich, wenngleich nur selten darauf hingewiesen wird. Die Abkehr von der Public Finance und der Übergang zur Functional Finance hat längst die engen Grenzen traditioneller Finanzwissenschaft gesprengt und dies nicht nur hinsichtlich der verwandten Methode, sondern insbesondere auch hinsichtlich des Gegenstandes der Fachwissenschaft.
In einer evolutorischen Wirtschaft würde also gleichbleibende staatliche Aktivität stets eine absolute Steigerung der öffentlichen Ausgaben beinhalten, jedoch keine Verschiebung der Anteile Marktwirtschaft/Staatswirtschaft im Gesamtsystem.
Vgl. etwa Bombach, a. a. O., S. 129 ff., wo Gleichgewicht zunächst absolut im analytischen Verstande diskutiert wird. Später heißt es aber dann, »daß das dynamische Gleich’S Vgl. J. Schumpeter, Der Marsch in den Sozialismus, Jahrbuch für Sozialwissenschaft, Bd. 1, 1950, S. 112; W. Sombart, Die Störungen im deutschen Wirtschaftsleben während der Jahre 1900 ff., Schr. d. Vereins f. Soz.-Pol., 113, Leipzig, 1904, S. 121 ff.
Vgl. Bombach a. a. 0., S. 160: »Es sei… darauf hingewiesen, daß die Wachstumsmodelle an eine bestimmte Wirtschaftsordnung nicht gebunden sind«.
Vgl. auch J. Ackerman, Das Problem der sozialökonomischen Synthese, Lund, 1938, S. 128.
Empirische Fakten werden entsprechend in den folgenden Kapiteln nur zur Sicherung der theoretischen Prämissen, aber nicht zur Beschreibung von Abläufen herangezogen.
Vgl. auch Kap. IV, 1.
Vgl. Ad. Wagner, a. a. O., S. 76 ff., J. Jessen, a. a. O., S. 155 ff., K. H. Hansmeyer, Der Weg zum Wohlfahrtsstaat, Frankurt, 1957, S. 18 f.
Vgl. Josef A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Bern 1946, S. 212.
Vgl. hierzu vom Verfasser: Zur Problematik konjunkturgestaltender Zielsetzungen der Steuerpolitik, Finanzarchiv, N. F., Bd. 14, 1952/53, S. 544 ff.
Divergenzen zwischen theoretischer Aussage und statistischen »Tatsachen« lassen jedoch auch noch kein endgültiges Urteil über das »Richtig oder Falsch.« einer Theorie zu, da — abgesehen von Unzuverlässigkeiten des statistischen Materials — die abweichenden empirischen Vorgänge so von anderen Momenten überdeckt sein können, daß der Befund zwar scheinbar nicht, gleichwohl de facto mit der Theorie übereinstimmt.
Vgl. J. Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, a. a. O., S. XV. 83 Vgl. S. Fabricant, a. a. O., passim.
Vgl. z. B. W. Hoffmann, Vollbeschäftigung als Problem der wachsenden Wirtschaft, YSehr. d. V. f. Soz.-Pol. N. F. 3, Berlin 1951, S. 34.
Vgl. beispielsweise die Konventionen und Empfehlungen der OEEC: A Standardised System of National Accounts, Paris 1952.
Vgl. Erich Schneider, a. a. O., Bd. III, S. 181 ff. (Schneider subtrahiert weiterhin von dem Nettosozialprodukt zu Faktorkosten auch die unverteilten Unternehmergewinne, um zu dem privatverfügbaren Einkommen zu gelangen. Diese Frage ist hier aber belanglos).
Das folgende Problem ist der Finanzwissenschaft natürlich nicht unbekannt geblieben. Vgl. vor allem die schon früh erfolgte Auseinandersetzung zwischen G. Colm, a. a. O., S. 76 ff. und O. Pfleiderer, Die Staatswirtschaft und das Sozialprodukt, Jena 1930, S. 93 ff.
Vgl. hierzu auch die fundierte Kritik von G. Bombach (Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen — eine Weltanschauung?) zu der Schrift von Werner Hofmann in: Weltwirtschaftl. Archiv, Bd. 75, 1955, S. 20 ff.
Während der Drucklegung erscheint gerade ein neuer Aufsatz von G. Bombach, Staatshaushalt und volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Finanzarchiv, N. F., Bd. 17, 1957, S. 344 ff.
Vgl. hierzu G. Türmer, Die Entwicklung von Kapital und Einkommen im gesamtwirtschaftlichen Wachstumsprozeß, Diss. (Masch.) Münster 1954, S. 51 ff. und S. 101 ff.
Vgl. J. Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, a. a. O., S. XIV. ff.
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Littmann, K. (1957). Methodische Vorbereitungen. In: Zunehmende Staatstätigkeit und Wirtschaftliche Entwicklung. Wirtschafts- und Finanzwissenschaftliche Forschungen, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-05442-9_3
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