Zusammenfassung
Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der sektiererischen Lehren kann nicht allein aus den auf uns überkommenen Schriften abgeleitet werden. Wesentlich ist die Wirkung der Predigten und Bücher vor allem auch im Rahmen der gesellschaftlichen Verhältnisse und der spezifischen Zeitsituation; denn zwischen den Propheten und ihren Anhängerschaften bestand immer ein korrespondierendes Verhältnis.
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Literatur
H. Plessner, Grenzen der Gemeinschaft. Eine Kritik des sozialen Radikalismus. Bonn 1924. S. 14.
E. J. Hobsbawm, Sozialrebellen. Archaische Sozialbewegungen im 19. und 20. Jahrhundert. Neuwied 1962. S. 83 ff. (Soziologische Texte. 14).
W. E. Mühlmann, a.a.O. S. 256 ff.
Die Unterscheidung von Propheten und Pseudo-Propheten ist in diesem Zusammenhang unbedeutend, da es hier nicht auf den Wahrheitsgehalt der Lehren ankommen kann.
Vgl. zum Folgenden: P. Althaus, Die letzten Dinge. Lehrbuch der Eschatologie. 5. Aufl. Gütersloh 1949; N. Cohn, a.a.O. S. 7–38; H. Corodi, Kritische Geschichte des Chiliasmus. Frankfurt und Leipzig 1781/83. Drei Teile; H. Freyer, Die politische Insel. Eine Geschichte der Utopien von Platon bis zur Gegenwart. Leipzig 1936. S. 80 ff. (Meyers kleine Handbücher. 2);
E. Hirsch, Die Reich-Gottes-Begriffe des neuen europäischen Denkens. Ein Versuch zur Geschichte der Staats-und Gesellschaftsphilosophie. Göttingen 1921; R. A. Knox, Christliches Schwärmertum. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte. Köln 1957; K. Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Die theologische Voraussetzung der Geschichtsphilosophie. 4. Aufl. Stuttgart 1961 (Urban-Bücher. 2 ); W. E. Mühlmann, a.a.O.; W. Nigg, Das ewige Reich. Geschichte einer Sehnsucht und einer Enttäuschung. Erlenbach und Zürich 1944;
F. L. Polak, The Image of the Future. Enlightening the Past, Orientating the Present, Forecasting the Future. Leyden und New York 1961. 2 Bde.; G. Scholem, Judaica. Frankfurt 1963 (Bibliothek Suhrkamp. 106); J. Taubes, a.a.O.; P. Volz, Eschatologie der jüdischen Gemeinde. Tübingen 1934; P. Volz, Der eschatologische Glauben im alten Testament. Stuttgart 1935.
Es führte über die Aufgabe dieser Arbeit hinaus, wollte man die sozialpsychologischen Bedingungen für die Entstehung und die Entwicklung des Apokalypsegedankens hier behandeln. Vgl. J. Taubes, a.a.O. und W. E. Mühlmann, a.a.O.
Vgl. zum Folgenden: L. Arbusow jn., Die Einführung der Reformation in Liv-, Est-und Kurland. Aalen 1964. S. 238 ff., 269 ff., 600 ff., 693 ff. (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte. 3); C. A. Cornelius, a.a.O. S. 87 ff., 218 ff., 282 ff.; H. Fast, a.a.O. S. 189 ff., 298 ff.; P. Kawerau, Melchior Hoffman als religiöser Denker. Haarlem 1954.; A. F. Mellink a.a.O. S. 345 ff.; W. Nigg, a.a.O. S. 242 ff.
Trijpmaker war Hoffmans Nachfolger in Emden gewesen, konnte aber den Zerfall der dortigen Gemeinde nach Hoffmans Abreise nicht verhindern. Erst daraufhin ging er nach Holland.
Bekenntnisse von Obbe Philips [vor 1565 ]. In: H. Fast ( Hrsg.), a.a.O. S. 327.
Obbe Philips schreibt (a.a.O. S. 323): „Auch empfingen wir alle Tage seine Schreiben, wie all die Dinge, Gesichte und Offenbarungen bei ihm passierten und von Tag zu Tag mehr und mehr zunahmen.“
M. Hoffman, Widmungsschreiben an König Friedrich I. von Dänemark [ 1530 ]. In: H. Fast, a.a.O. S. 310 ff.
Wichtig hierfür ist die Unterscheidung, die Hoffman zu den protestantischen Gemeinden sieht: „Es gibt zweierlei wissen, zweierlei sehen, zweierlei hören, zweierlei glauben, das im Buchstaben und das in der Klarheit. Den Buchstabischen (sc. den Protestanten) fehlt der Eifer, die Andacht, das herzliche Gebet, die Gelassenheit und die geistliche Armut, die Sehnsucht nach Christo und seiner Erscheinung. Sie sind hoffärtig und reich…“ Zitiert nach C. A. Cornelius, a.a.O. S. 93.
Hoffmansagt selbst: »Und ich bekenne, daß ich nicht würdig bin, daß ich die geringste Silbe dieses Schatzes und des hohen göttlichen Willens, Rates und des Wohlgefallens von Gott offenbart bekommen habe.“ (a.a.O. S. 313).
Hoffman unterscheidet in seiner eigenen Gruppe nicht zwischen falschen und echten Gesichten. So kam es, daß er die Gesichte und Offenbarungen der „Gottesliebhaberin“ Ursula — sie stecken voller sexueller Verdrängungen — anerkannte und mit einem Schlußwort versah. Zwar unterscheidet er, indem er schreibt: „So ist ganz offensichtlich, daß die erwähnte Liebhaberin eine hohe Gabe des göttlichen Geistes hat…, nicht jedoch eine verständliche Auslegung derselben…” Aber auch diese Aufgabe schiebt er von sich fort, indem er fortfährt: »Das wird einem anderen geschenkt werden.“ In: H. Fast, a.a.O. S. 306.
Zitiert nach H. Fast, a.a.O. S. 307. Der Vernichtung der Gottlosen, also aller Nichtgetauften, bei Anbruch des Tausendjährigen Reiches ist in Hoffmans Schriften ein breiter Raum eingeräumt. In den Gesichten seiner Jünger steigert sich das in den Jahren 1532/33 sogar noch. Aber es ist bereits eine Veränderung feststellbar: Während in Hoffmans Schriften die Gottlosen nicht von den Täufern getötet werden, so tritt diese Ansicht bei seinen Jüngern bereits auf. Obbe Philips (a.a.O. S. 327) berichtet von einer Prophezeiung über den Beginn des Tausendjährigen Reiches, daß »Feuer aus ihrem (sc. der Täufer) Mund gehen und die Feinde verschlingen“ werde.
Zitiert nach H. Fast, a.a.O. S. 307.
Zum Folgenden: C. A. Cornelius, a.a.O. Bd. 2, S. 232 ff., K.-H. Kirchhoff, a.a.O.; A. F. Mellink, a.a.O. S. 350 ff.; Obbe Philips, a.a.O. S. 328 ff.
Vgl. C. A. Cornelius, Die niederländischen Wiedertäufer während der Belagerung von Münster 1534/35. In: Abhandlungen der Histor. Classe d. k. bayr. Akad. d. Wissenschaften. 11. 2. Abt. i. d. Reihe d. Denkschriften der XLI. Bd. München 1869. S. 59 ff.
Jacob von Ossenbrug sagt in seinem Bekenntnis, daß die Apostel nichts anderes untersagt hätten, pdan sund und das giene, so boes ist, und das man auch nit wochern sol.“ In: C. A. Cornelius, Berichte der Augenzeugen über das münsterische Wiedertäuferreidi. A.a.O. S. 222.
Bekenntnis Johanns von Leiden vom 25. Juli 1535. In: C. A. Cornelius, a.a.O. S. 371.
In den niederländischen Städten der Tuchindustrie, in den Handels-und Hafenstädten ist überall der Anabaptismus nachweisbar. In Monikendam sollen zwei Drittel der Einwohnerschaft Täufer gewesen sein. Vgl. C. A. Cornelius, Die niederländischen Wiedertäufer während der Belagerung von Münster 1534/35. A.a.O. S. 52.
Zitiert nach A. F. Mellink, a.a.O. S. 359.
K.-H. Kirchhof (a.a.O. S. 19) errechnete den 23. 2. 1534 als Ankunftstag.
Vgl. H. a Kerssenbroch, a.a.0. Bd. 2 S. 467 ff.; H. Gresbeck, a.a.0. S. 4 ff.; Beichtbuch der Wiedertäufer in Münster (1534). Hrsg. von H. Bitter. Wulfen 1963; Dietterich von Hamburgk, Von der Milnsterischenn Auffrúr/verstockung vnyamer Glaublich anzeyg/Dietterichs von Hamburgk. Dabey wie und durch wen solidh ribel anfenglich erregt vn entsprungen/ein war haffke Histori. O.O. 1535; H. Dorpius, Warhafftige historie/wie das Euangelium zu Minister angefangen/und darnach durch die Widderteuffer verst6ret/widder aufgeh6rt hat. Darzu die gantze handelung der selbigen buben/vom anfang bis zum ende/beides jnn geistlichen und weltlichen stricken/vleissig beschrieben. O. O. M.D.XXXVI; B. Rothmann, a.a. 0.
Rothmann predigte noch Ende Januar öffentlich in der Kirche.
H. a Kerssenbroch (a.a.O. S. 487) schreibt: „Hoc novo insaniendi astu plurimi cives territi primum in dubitationem suae religionis sunt adducti ambiguaeque fidei esse coeperunt, quos Rothmannus sua blandiloquentia aggreditur et iam nutantes facile prostravit inque suam sententiam pertraxit atque ita suorum numerum auxit, ut iam non clanculam, sed palam excussis et effractis omnium magistratuum frenis repagulisque ad imperum urbis contenderent.“
Dies ist einem Brief zu entnehmen, den die Räte des Herzogs zu Cleve am 4. März 1534 an den Bischof zu Münster schrieben: »Und ist under inen einer genant Jacop van Osenbrug, der bekent, das er in sinner furstlichen g. landen geschickt, dem gemeinen einfoldigen man die zeichen und wonder, so zu Munster beschehen sin sollen, anzuzeigen; dabeneven zu erkennen zu gheven, wie die welt zwischen dit und passchen grusam gestraft werden und der zehende minsch nit im leven bliven, ouch nirgent dan binnen Munster frid und sicherheit sin sul, so Munster die stat des Heren und nuwe Hierusalem wer, da der Her die sine erhalden, und ieder genoich haven sol; item das allen Christen, so ankhomen, binnen Munster huiser und bedden bestalt, und inen van den anderen essen und drinken mitgedeilt werd.“ Abgedruckt in: C. A. Cornelius, a.a.O. S. 225 f.
Abgedruckt in: C. A. Cornelius, a.a.O. S. 217.
Vgl. K.-H. Kirchhoff, Die Belagerung und die Eroberung Münsters 1534/35. Militärische Maßnahmen und politische Verhandlungen des Fürstbischofs Franz von Waldeck. In: Westfälische Zeitschrift. 112. Münster 1962. S. 78 f.
H. Dorpius (a.a.O. S. 32) schreibt über die Austreibung: »Und wiewol dis ausiagen ein Tag zuvor geschehen ist/ehe der Bischoff auffs new die Stad belegert hat/sind doch dieser armen veriagten leute/etliche dem Bischoff jnn die hende komen/von jm gefenglich angenomen/und zum teil jemerlich umbracht worden.“
C. A. Cornelius, Geschichte des münsterischen Aufruhrs. A.a.O. Bd. 2. S. 236.
Max Weber schreibt in Der Beruf zur Politik: „In der Welt der Realitäten machen wir freilich stets erneut die Erfahrung, daß der Gesinnungsethiker plötzlich umschlägt in den chiliastischen Propheten, daß z. B. diejenigen, die soeben,Liebe gegen Gewalt` gepredigt haben, im nächsten Augenblick zur Gewalt aufrufen — zur letzten Gewalt, die dann den Zustand der Vernichtung aller Gewaltsamkeit bringen würde…“ In M. Weber, Soziologie — Weltgeschichtliche Analyse — Politik. Hrsg. von J. Winckelmann. Stuttgart 1956. S. 177 (Kröners Taschenbuchausgabe. 299).
Vgl. S. Freud, Massenpsychologie und Ich-Analyse. In: Das Unbewußte. Schriften zur Psychoanalyse. Hrsg. von A. Mitscherlich. Frankfurt. 1960. S. 268 ff.
Bekenntnis des Joh. Klopriß. In: J. Niesert, Münsterische Urkundensammlung. Bd. 1: Urkunden zur Geschichte der Münsterischen Wiedertäufer. Coesfeld 1826. S. 110.
Gresbeck und Kerssenbroch sehen die häufig vermerkten fanatischen Aufläufe als Form des Täufertums an. Beide Autoren berichten aber von solchen Ereignissen schon für Ende 1533. Auch wenn der Fanatismus nicht als Beweis des Täufertums gewertet werden kann, so vermag er aber eine Erklärung für das schnelle Anwachsen der Täuferschaft zu geben, denn der Fanatismus kann als Symptom sozialer Veränderungen gewertet werden. Die neurotischen Störungen sind wahrscheinlich bedingt gewesen durch das durch die sozialen Umstände zur Passivität gezwungene Verhalten breiter Schichten, die keine Aktivitätspotenzen in Funktion setzen konnten. Das führte zu Angstneurosen als Folge der Existenzbedrohung. Der Chiliasmus des Täufertums konnte von den neurotischen Gruppen als Ideologie aufgenommen werden, da die Angst in der chiliastischen Lehre enthalten war. Zwar bezog sich die Angst nun auf das nahe Ende, das durch Gott vorherbestimmt war, aber nicht mehr auf das nahe Ende, das aus Gründen der Existenzbedrohung durch die nicht reflektierten ökonomischen und politischen Umstände befürchtet wurde. Die Angst wurde bei den Täufern subjektiv von ihrer Ursache gelöst, sie wurde verdinglicht, manipulierbar gemacht. Die Angst unterlag somit einer Motivverfälschung.
Vgl. H. a Kerssenbroch, a.a.O. S. 476; H. Gresbeck, a.a.O. S. 12; Bekenntnis des Joh. Klopriß, a.a.O. S. 123.
Bei dem Taufakt scheint es anfangs keinen Zeremonialismus gegeben zu haben. Vgl. hierzu: Bekenntnis des Dion. Vinne. In: C. A. Cornelius, Berichte der Augenzeugen über das münsterische Wiedertäuferreich. A.a.O. S. 273.
Ebenda, S. 27; vgl. auch Bekenntnis des Joh. Klopriß, a.a.O. S. 111, 124.
H. a Kerssenbroch, a.a.O. S. 561 ff.; H. Gresbeck, a.a.O. S. 48.
H. a Kerssenbroch, a.a.O. S. 557 f.
Vgl. C. v. Krodeow, Soziologie des Friedens. Drei Abhandlungen zur Problematik des Ost-West-Konfliktes. Gütersloh 1962. ( Krieg und Frieden. Beiträge zu Grundproblemen der internationalen Politik. )
Abgedruckt in: J. Niesert, Beiträge zu einem Münsterischen Urkundenbuche. Bd. I. A.a.O. S. 246.
Vgl. H. a Kerssenbroch, a.a.O. S. 523, 548; H. Gresbeck, a.a.O. S. 17 f., 46 f.; H. Dorpius, a.a.O. S. 34; Chronik des Schwesternhauses Marienthal, genannt Niesinck, in Münster. A.a.O. S. 430.
H. a Kerssenbroch, a.a.O. S. 568.
T. W. Adorno, Aberglaube aus zweiter Hand. In: M. Horkheimer, T. W. Adorno, Sociologica II. Reden und Vorträge. Frankfurt 1962. S. 167 (Frankfurter Beiträge zur Soziologie. 10).
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Rammstedt, O. (1966). Die Teleologisierung der Krise. In: Sekte und soziale Bewegung. Dortmunder Schriften zur Sozialforschung, vol 34. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-05436-8_5
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