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Zusammenfassung

Gäbe es jene erdverliebten, wißbegierigen Marsianer wirklich, der als Gesellschaftskundler verkleidete Soziologe hätte die größte Mühe, dem exterrestrischen Besuch zu erklären, was eine Katastrophe ist. Je nachdem, ob das kleine grüne Wesen schon vor der Worterkundung die Morgenzeitung gelesen, einen Taxifahrer oder einen Versicherungsvertreter gesprochen oder Abhandlungen zur deutschen Geschichte gelesen hätte, es könnte ein Eisenbahnunglück, einen Flugzeugabsturz oder ein Erdbeben, die Börsenentwicklung, den Fahrstil auf deutschen Autobahnen, die nach Regreßansprüchen bezifferten Personen- und Sachschäden, den Weg in den Faschismus, Stalingrad oder das Ende des III. Reiches gleichermaßen für eine Katastrophe halten.l

„Mangel an Tatsachen, Vorurteil, Hoffnung und Furcht verdunkeln das Verstehen.“

Adolph Lowe

Die Eule wird unruhig; das Selbstverständliche versteht sich nicht mehr. Und die Dämmerung? Dereinst lockt sie wieder.

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Literatur

  1. Einige Beispiele für die Varianz der Begriffsbedeutung finden sich in Heinz Köppers illustriertem Lexikon ( 1983, Bd. 4:1443), in der Tagespresse (z.B. Weser Kurier Nr. 303 vom 31.12.1987:6 “Dollarkurs für Airbus eine Katastrophe”; Die Zeit Nr. 1 vom 1.1.1988:15 “Katastrophenangst hat Konjunktur”), in Politikerreden (F.J. Strauß: das “rot-grüne Katastrophenkartell”; 11.1.1987, Hof/Bayern, Freiheitshalle), im Feuilleton (Aiblinger 1985:10:. die Schuhschachteln waren eine echte Katastrophe“), in wissenschaftlichen Erörterungen (Schülein 1983:266: ”... die Nachkriegsgeneration“ war ”durch die unverarbeiteten Katastrophen zu desorientiert..“), sowie im Großen Brockhaus (1957, Bd.12:438), der den Ostfeldzug ”bis zur Katastrophe von Stalingrad“ darstellt.

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  2. Grundsätzlicher und in seinen Schlußfolgerungen radikaler ist Ted Dreier (1981:126f.), der den Eurozentrismus ale den zu “bewußter Einzigartigkeit” verallgemeinerten, überhöhten wiseenecha£tlichtechnischen Dünkel des Abendlandes ansieht. In dem Ausmaß aber, “in dem man die Andersartigkeit von älteren oder fremden Kulturen erkannt hat, hat man auch deren grundsätzliche Identität mit der abendländischen angenommen... Das Besondere der anderen Kulturen erschien dann nicht als Merkmal eines ernst zu nehmenden Unterschiede, sondern ale Beweis der Zurückgebliebenheit... Denn in der Auffassung, daß die anderen doch nicht wirklich anders sind, sondern im wesentlichen Kern dasselbe anstreben wie wir, spricht sich eine Grundhaltung des Abendlandes aus, die sich auf die anderen buchstäblich vernichtend auswirkt”.

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  3. Zu den Arten der Begriffsformen siehe Wolfgang Stegmüllers “Theorie der Begriffsformen” (1970), in der er darauf verweist, daß im Alltag Begriffe eher auf “intuitiv-komparative”, “operationale” Weise verwendet werden (S.3) und damit, wie Hans Wagner (1973:194) darlegt, Vorstellungen und Urteile über Wirkliches oder für wirklich Gehaltenes ausdrücken. Dies geht über rein formallogieche Erwigungen hinaus, da es, wie Georg Klaue und Manfred Buhr (1976:206–208) ausführen, Umfang und Inhalt von Begriffen umschließt.

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  4. Sind Allgemeinheit und Abstraktheit formale Merkmale des Begriffs“, schreibt Hans Wagner (1973:193f.), ”so ist das, was den Begriff überhaupt allein zu rechtfertigen vermag, ja ihnunerlgßlich macht, seine Funktion, den Gegenstand zu begreifen.... Daß der Begriff und nur der Begriff seinen Gegenstand begreift“, verweist auf ”die Möglichkeit des Begriffs als allgemeiner Vorstellung und den Erkenntniswert des Begriffs mit Bezug auf seinen Gegenstand“.

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  5. Nach Adorno (1973–134 und 154) liegt an dieser Stelle “die entscheidende Differenz einer positivistischen von einer einer dialektischen Lehre von der Gesellschaft”. Nach seiner Überzeugung rekurriert die “dialektische Lehre auf diese in der Sache liegende Objektivitat des Begriffs”, wahrend die “positivistische Lehre” ihren Gegenstand momentanisiere und ihn dadurch “verdinglicht”, so daß diese “aufs Momentane gerichtete Soziologie,... eben dadurch, daß sie prinzipiell die Zeitdimension dieses Gewordenseins vernachlassigt, erfahrungslos ist.”

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  6. Kontingenz wird im Sinne Luhmanns (1984:148–190; 1980: 235–240) verstanden. Der Begriff soll darauf verweisen, daß die Welt voller Möglichkeiten ist und Möglichkeiten immer auch andere ausfallen können, als erwartet wurde, - mithin auch immer andere Lösungen fUr Probleme denkbar sind, als die, die aktuell zur Anwendung kommen.

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  7. Den engen Zusammenhang von Greifen und Begreifen haben in jungerer Zeit vor allem Dieter Claessens (1980) und André Leroi-Gourhan (1980) deutlich gemacht. Die tiefe Problematik von Begreifen und Benennen wird vor allem dort deutlich, wo versucht wird, unbegreiflich Großes durch Benennungsverbote im begreifbar Unbegreifbaren zu halten, wie z.B. im Un-Namen “Jahwe” der altjtdischen Religion (vgl. Scholem 1972 ).

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  8. Man erinnere sich an vergangene Begriffe wie “Oheim” oder “Amme”, die beide zentrale soziale Beziehungen der Familie benannten, und die beide, unabhängig von den je konkreten Verkörperungen, sehr spezifische Gefuhlsmomente transportierten. Aber auch gegenwärtige Gegriffe zeigen die Problematik: “Elektronengehirn” thematisierte die verborgene Angst der so Sprechenden vor dem Verlust der Fähigkeiten, die sie - vermeintlich oder tatsächlich - zu einzigartigen Wesen machen. Xhnliche Prozesse spielen sich beim Begriff “Atomkraft” ab; er wird nie die traumatische Erfahrung der Atombombe abschütteln können.

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  9. Am eindrucksvollsten sind hier die Anpassungsversuche des Gottesbegriffs an die Verlinderungen der philosophischen und naturwissenschaftlichen Anschauungen. Auch wenn man dabei zu Recht an die dramatischen Auseinandersetzungen denken mag, wie sie sich mit den Namen Ptolemaios, Giordano Bruno, Galilei oder Kopernikuè verbinden, darf nicht Übersehen werden, daß die Versuche, den Begriff anzupassen, ohne dabei seinen Gegenstand zu verlieren, bis heute unvermindert andauern (vgl. Drewermann 1987 ).

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  10. Das geozentrische Weltbild erlaubte zwangslaufig keine korrekte ozeanische Navigation (soParry 1973:112ff., der “pilotage” und “navigation” unterscheidet); das Lyssenko’sche Dogma weder

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  11. Dieter Claessens (1970), Hans Kelsen (1982) und Ernst Topitsch (1972) weisen mit umfangreichen ethnologischen, psychologischen und kulturanthropologischen Befunden nach, daß die Affektgeladenheit und der Aufwand an welterklgrenden Phantasien und technomorphen wie soziomorphen Analogien zumeist der tatsächlichen Einsicht in die eigenen Lebensverhgltnisse umgekehrt proportional war.

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  12. Den modischen haut go t des Survivalismus mag man mit der Abenteuersehnsucht gelangweilter Städter begründen. Dennoch ist unübersehbar, daß in dieser Verkleidung praktische Kenntnisse und Fertigkeiten zurückliegender Entwicklungsstandards konserviert werden. Gute Überblicke geben “Stay Alive” (Dunlevy 1981) und das “US-Army Survival Handbuch” (Boswell 1981 ).

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  13. Das Schlangenbeispiel ist insofern mit Bedacht gewählt, als die Schlange über die Jahrhunderte ihre dämonische Vielgestaltigkeit beibehalten hat. War sie im antiken Griechenland als Totenseelen-tier heilig (vgl. Küster 1913) und als Phallussymbol verehrt, so galt und gilt sie im Christentum als Inkarnation des Bösen und der Versuchung. Die Unterschiede der Anschauungen führten zu entsprechenden Verhaltensunterschieden: respektvolle Hege dort, Abscheu, Ekel und blindwütige Ausrottungswünsche hier. (Die von der Schlangensymbolik ebenfalls repräsentierten Xngste und Aggressionen beim Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat können hier nicht erörtert werden. Vgl. dazu Devereux 1985:487–516.)

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  14. Arthur E. Imhoff (1983:220) berichtet von einem finnischen Bauern, der (immerhin noch Anfang des 18. Jahrhunderte) jede Medizin mit dem Satz verweigerte “Bin ich auf der Totenbahre und hat der Herr die Stunde bestimmt, kann mir niemand mehr helfen”. Und 1983 schreibt das religiös eifernde Blatt THE PLAIN TRUTH (July/August 1983:40): “Prolonged drought is the result of physical and spiritual sin - which is the transgression of God’s law”.

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  15. Es gehört zur Vollstandigkeit, auf die Gegenlgufigkeit von Ungleichzeitigkeiten zu verweisen. Martin Doerry (1986) beschreibt in seinem Werk “Übergangsmenschen” die Mentalit8t des Wilhelminischen Zeitalters, deren naiver Optimismus, TechnikglRubigkeit und Weltmachttrlume Katastrophen weitgehend für unmöglich halten ließ. Wesentliche Anregungen verdanke ich hierzu Lars Clausen und der von ihm initiierten Forschung über die “Luftfahrtbegeisterung”, die die Völker Europas mit der Erfindung des Luftschiffs und des Aeroplane endemisch befiel.

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  16. Die Flugschrift von 1605 findet eich in Michael Caspar Londorps “Acta Publica” (1629, II:833). Manch’ andere Quelle religiöser Katastrophensicht ist bei bei Cornelius Nordstern (DIGITUS DEI, 1682) zu inspizieren, wghrend Hubertus Fischer (1988) der Grammatik der Sterne, dem Ende der Welt und den darüber berichtenden Schriften mit modernem Blick, aber nicht ohne Poesie nachspürt.

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  17. Jean Delumeau ( 1985: 140–144) hat die verschiedenen Berechnungen Ober Auftreten, Ausbreitung, Dauer und Schwere der Epidemien harmonisiert. Für die Pest stellt er fest, daß sie “in Europa und im Mittelmeerraum zwischen dem 6. und B. Jahrhundert periodisch auftrat und alle neun bic zwölf Jahre einen Höhepunkt erreichte” (140). 1346–51 habe sie von Portugal bic Konstantinopel gewütet und von da an “fast jedes Jahr an irgendeinem Ort in Westeuropa” (140). Für die 189 Jahre zwischen 1347 und 1536 wurden allein für Frankreich 24 Pestepidemien gezahlt; von 1536 bis 1670 wiederum 12. Gravierende Unterschiede zu anderen Landern gab es nicht; die Bevölkerungen von Sevilla, Paris, London, Marseille oder Köln wurden gleichermaßen dahingerafft.

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  18. Übersichtliche Einblicke in die Zusammenhange vermitteln Stephen Toulmin und June Goodfield (1970), die den Übergang vom zyklischen, allegorischen zum linearen, naturwissenschaftlich- evolutionaren Weltbild darstellen Bowie bei Maurice Ashley (1975), der die oben erwahnten Ereignisse in ihren inneren Zusammenhang stellt. Neben allen aufgezahlten Einflüssen darf nicht die Bedeutung der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung außer Acht gelassen werden (vgl. Biraben 1979 ): Bevölkerungswachstum und beginnende stadtische Agglomeration haben sowohl den Austausch von Meinungen beschleunigt als auch neue hygienische und soziale Probleme aufgeworfen (vgl. Sjoberg 1960; Mumford 1961 ).

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  19. Besonders hinzuweisen ist hier auf den zum 100. Geburtstag von Ernst Bloch von Richard W. Gassen und Bernhard Holeczek herausgegebenen Band “Apokalypse. Ein Prinzip Hoffnung?” (1985), der ein umfassendes Bild der Apokalypserezeption und -auffassungen zeichnet.

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  20. Dieter Richter (1984) ist der Geschichte der popullren Phantasie vom Schlaraffenland, der terra incognita, wo einem die gebratenen Tauben in den Mund fliegen, nachgegangen. Dem Wortstamm nach wurzelt das öffentliche, also auch far Arme und Hungernde offene Schlemmer-Paradies in Bezeichnungen far Kuchen, Küche und Völlerei einerseits und für Faulenzer, Nichtstuer, Müßigggnger andererseits, doch schwingt auch ein Moment drastischer Entregelung mit: Der ngrrische Schlaraff ist ein gewglttgtiger, ungeschlachter, lüsterner Geselle der es fortwahrend “mit dem Fressen und Saufen, mit dem Dreck und mit der Liebe” (15) hat. Also mit jenen Ausdrucksformen einer ungebarden Vitalitlit, die Kirche (vgl. Gassen 1985; Murken 1985) und Arbeitsethos zu bandigen suchen (vgl. Kofler 1967; Krovoza 1976; Nitzschke 1974 ).

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  21. Am bekanntesten sind die Oberammergauer Passionsspiele und die von “Meistersinger” Hans Sache geschriebene “Tragedia mit 34 personen, des jüngsten gerichtes” von 1558 geblieben. Bekundet sind grope öffentliche religiöse Schauspiele in Manchen 1518, Luzern 1549 und Freiburg 1599 (zit. nach Korn 1957:64). Vermutlich ale erster druckte Antoine Varard um 1500 in Parie in einem Brevier der Lebenskunst, “Art de bien vivre et de bien mourir” (zit. nach Delumeau 1985:328), einen Bilderbogen über das bevorstehende Weltende ab.

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  22. Der Prediger Georg Witzel griff Luther deswegen 1536 massiv an: “Um die Welt zu erschrecken und dann zu seiner neuen Lehre zu ziehen, hat Luther erdichtet, der letzte Tag stehe bevor, und es seien Zeichen da, daß der Antichrist gekommen.. es soll die baldige Ankunft Christi bedeuten, daß rauhe Winde wehen und Seestürme sich ereignen. Doch werden diese Thorheiten von vielen nicht nur gelesen, sondern mit gltubiger Verehrung, wie die Orakelsprüche eines himmlischen Hierarchen angenommen” (zit. nach Janssen 1888:471). Luthers generelle Einstellung zur Astrologie beschreiben Aby Warburg (1920) und Klaus Lammel (1984).

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  23. Jean Delumeau ( 1985: 340) weist zu Recht darauf hin, daß der viel zu positiv besetzte Renaissance-Begriff allzuoft eine “düstere Wirklichkeit verdeckt”: Auch Michelangelo malte das Jüngste Gericht, ein Motiv, das zu jener Zeit zur künstlerischen Grundausstattung der meisten Kirchen Frankreichs, Spaniens, Rußlands und selbst Mexikos avancierte.

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  24. Eine “Umwertung der Werte” wird nach Walter L. Bühl (1982:322f) “illusorisch”, wenn sich die “Urheber” der katastrophalen Verhältnisse “der sozialen Kontrolle” entziehen können. Radikalität in der Vergeltung, oder Projektion “ins Kosmische und Überweltliche (oder Unterweltliche)” lauten die Alternativen. Daß auch Mischformen möglich sind, haben die unterschiedlichen Entwicklungen der europäischen Länder historisch gezeigt; Lars Clausen (1983) entwickelt sie anhand eines Stadienmodells soziologisch.

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  25. Die verschiedenen Implikationen solcher Kanalisierung und Angstentladung, vor allem auf Kosten der Frau, zeigt Claudia Honegger (1978), die auch den Zusammenhang von Marienkult und Hexenwahn beleuchtet (59–89). Zu erinnern ist an zwei lange vergessene, inzwischen aber wieder aufgelegte Standardwerke zum Problem der Angstverschiebung: Gustav Roskoff’ “Geschichte des Teufels” (1987) und Oskar Pfister: “Das Christentum und die Angst” (1985).

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  26. Meines Erachtens muß strikt zwischen zwei Traumatisierungen unterschieden werden: der Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat schlug andere Wunden (vgl. Devereux 1985), als die Verwandlung der Frau in eine Agentin Satans und die damit begründete Vernichtung, Verstümmelung und Verachtung des weiblichen Wesens und seines Geschlechts (vgl. Delumeau 1985:456ff.; Devereux 1967; Thompson 1987). Stellt die erste Traumatisierung den Umsturz (auch dies: ‘katastréphein’) eines Dominanzverhaltnisees dar, das den Kampf um die Herrschaft prinzipiell offenhalt, so stellt die zweite Traumatisierung eine Damonisierung, eine systematische Entmenschung der Frau und - ungewollt und ungeplant - in der Rückwirkung die Entmenschung des Menschen beiderlei Geschlechts dar.

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  27. Die Frage nach der Möglichkeit von Erkenntnis stellt sich hier gleichsam im Vorübergehen. Das Dilemma, ohne Kenntnis des Ganzen in den Teilen keinen Sinn zu finden, ohne alle Teile aber auch kein Ganzes zusammenpuzzeln zu können, verweist auf die Bedeutung der Phantasie für die Konstruktion von Ganzheitstheorien (Kosmologien) und die Bedeutung von “Ordnungen mittlerer Reichweite” für die Bewgltigung des tiglichen Überlebens. Insofern konfligieren Ordnung und Phantasie, bis ein “OrdnungsGott” beide Momente zu harmonisieren vermag. Lewis Mumford (1977:65–119) hat diese Zusammenhinge kulturhistorisch verfolgt; Hans Peter Duerr (1985) erkenntnistheoretisch.

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  28. Luther stand mit vielen Reformatoren in Kontakt; zahlreiche seiner Schriften wurden übersetzt und bewirkten Reaktionen: So löste z.B. die englische Übersetzung seiner Kampfechrift von der “Babylonischen Gefangenschaft der Kirche” (1520) eine erbitterte Kontroverse mit Thomas Morus aus (“Responsio ad Lutherum”), w8hrend die zentralen Positionen (z.B. zum Antichrist und zu den Türken) seines ins Französische übersetzten Kommentare zum Propheten Daniel (Genf 1555) von Hutten, Melanchthon, Oeiander, Amedorf, Zwingli, Calvin und Viret geteilt wurden. Diskussionen im auropaiechen Maßstab, insbesondere aber zwischen den deutschen, englischen und französischen Reformatoren fanden demnach statt (vgl. Dubois 1977110; 34) und dürften, vor allem angesichts der sprachlichen Interessen des Übersetzers Luther, auch begriffliche Probleme berührt haben. Daß Luther die subtilen Differenzen zwischen “déeaster” und “catastrophe” tatsachlich kannte, ist damit natürlich nicht bewiesen, liegt aber nahe.

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  29. Die biblische Sintflut geht auf den babylonischen Gilgamesch-Epos zurück (der wiederum sumerischen Ursprungs zu sein scheint): Utnapischtim (“der das Leben fand”), mit Beinamen Atrachasis (“der Sehr-Fromme, Sehr- Gescheite”) fand auf Grund seiner Frömmigkeit Gnade. Der Gott Ea läßt ihn und Lebewesen aller Arten in einer Arche das Strafgericht der Grossen Flut überleben. Der Gott Bel, der die Flut verhängte, ist zuerst erzürnt, läßt sich dann aber von den anderen Göttern überzeugen, daß ein einmaliger, allgemeiner Untergang eine schlechte Strafe sei. Stattdessen solle er in Zukunft Hungersnot, Pest und wilde Tiere zu den Frevlern schicken. Analoge Vorstellungen finden sich auch in der griechischen Mythologie: Deukalion, Sohn des Prometheus, entkommt mit Pyrrha, seiner Frau, der Großen Flut, die Zeus geschickt hatte, um die Untaten der Sterblichen, den Frevel des Phaeton, zu sühnen.

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  30. Von Bedeutung ist die Konstruktion des Göttlichen: Der alttestamentarische Gott ist Rachegott (“mein ist die Rache”) und er fundiert sie allein in seiner Machtvollkommenheit (wodurch er gespalten sein muß, um seine Ungerechtigkeit nicht in sich röchen zu müssen), wahrend die olympischen Götter die Erinnyen zur Seite haben, die Rachegöttinnen, die die Einhaltung des als Rechtsgesetz konzipierten Naturgesetzes der kosmischen guten Ordnung durchsetzen (so auch die Nemesis), aber auch Eris und Ate, die den Menschen zum Bösen verführen können. Auch die Erinnyen selbst waren gegenpolig angelegt: im Guten waren sie die Eumeniden (vgl. Kelsen 1982:178f.; 184; 222 und 252).

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  31. Le Grand Robert de la Langue Francaise (Robert 1986, II:401) verweist, 8hnlich den deutschen Wörterbechern, vornehmlich auf den asthetischen Rezeptionsstrang. In diesem Sinne scheint der Begriff zuerst von Rabelais (Pantagruel, 1552) benutzt worden zu sein. Untergangs-und Strafbedeutungen fehlen völlig, doch belegt Robert die Verbindung zu “cataclysme” und “chaos”, aber auch zu “révolution”, als Form der Unordnung und des Umsturzes, und zu“agitation” als “action de troubler profondément” (115).

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  32. Der Begriff ‘deus ex machina’ ist ebenfalls dem griechischen Theater entlehnt und bezeichnet eine aus der Götterhöhe eintreffende (und zunehmend als zu einfach empfundene) Konfliktlösung.

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  33. Wolf Lepenies (1987:21) formulierte diesen Zusammenhang allgemein: “Die Bilder beispielsweise, deren sich die Alltagserfahrung bedient, um ihren vor-wissenschaftlichen Einsichten Ausdruck zu verleihen, Bind ebenso ein Hindernis auf dem Weg des wissenschaftlichen Fortschritts wie ein unverzichtbarer Bestandteil all jener Mythen und Vorstellungen, aus denen sich die Dichtung speist. Die Quellen des wissenschaftlichen Irrtums sind die schöpferischen Krgfte der Kunst.” Hans Kelsen (vg1.1982:227235) zeigte im Besonderen, welche Kunsttraditionen durch welche Herrschaftsverhaltnisse gefördert oder unterdrtckt bzw. getilgt wurden.

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  34. Nach homerischer Auffassung vermögen allein die Götter zu erreichen, was sie vorhaben; sie sind unsterblich und können Begonnenes vollenden. Menschliches Handeln hat dagegen keinen wirklichen, eigenstandigen Anfang, jedoch ein Ende, das dem Planen entrat. Deshalb sind Menschen nicht Herren ihres Schicksale, ist alles, was geplant und getan wird, Plan und Tat der Götter. Sie allein Überblicken die menschlichen Zeitlaufte, sie allein stiften Sinn und Ordnung, wenngleich auch.sie nicht gegen das alle und alles oberwölbende Naturgesetz (aisa) im Sinne einer natürlichen Rechtsordnung verstoßen dürfen (vgl. Relsen 1982: 252 ).

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  35. Der Sage nach entlieh sich Phaeton von seinem Vater Helios den Sonnenwagen und verunglückte. Zur Strafe for den dadurch verursachten Weltbrand tötete Zeus Phaeton mit einem Blitz.

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  36. Joachim Schumacher (1978) hat genau diese Seite des Katastrophalen in der bürgerlichen Gesellschaft als “Angst vor dem Chaos” beschrieben. Den ordnungspolitischen Aspekt von Katastrophe im Griechischen belegt Reinhard Koselleck (1982).

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  37. Die Problematik einer Sprachhalse wie “kapitalistisch-naturwissenschaftlich” ist mir bewußt, wohl aber auch, dap ihre Vermeidung eine erhebliche “Anstrengung des Begriffs” und damit umfgngliche Darstellungen erforderte. Zum Ausdruck gebracht werden soll eigentlich nur die Tatsache, dap sich, höchst ungleichzeitig und formenreich, dort eine neue Form “gesellschaftlicher Synthesis” (Sohn-Rethel 1972) herausbildete, wo (Handels-)Kapital und Ingenieure- Handwerk zusammenfanden. Bei meiner Begriffsverwendung beziehe ich mich auf Darlegungen, wie sie z.B. Dieter Claeseens (1973), Alfred Sohn-Rethel (1972), Karl A. Wittfogel (1924) und Edgar Zilsel (1976) entwickelten, doch bin ich mir bewußt, daß andere, erganzende und kontroverse Vorstellungen vorliegen.

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  38. Siehe dazu vor allem Sir Thomas Downing Kendrick: The Lisbon Earthquake (1956), wo die wichtigsten zeitgenössischen Quellen verarbeitet und die Grundzüge der geistigen Auseinandersetzung zwischen religiösem Dogma und Au£klgrung skizziert werden.

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  39. Siehe J.W.v. Goethe: Aus meinem Leben, Dichtung und Wahrheit, 1. Teil, 1. Buch (Insel Ausgabe Bd. 5) S. 24 und I. Kant: “Über die Ursachen der Erderschütterung bei Gelegenheit des Unglücke von 1755”, 1756, sowie “Geschichte und Naturbeschreibung der merkwürdigsten Vorfllle des Erdbebens von 1755”, 1756

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  40. Es wire fahrlässig, eich Fortune in der zur Glücks- (oder schlimmer: Lotto-)Göttin heruntergekommenen Form vorzustellen. Das Wort “fortune”, das bei Adam Smith vor allem als Ausdruck für Mut und Geschick im Umgang mit Geld interpretiert wird, hatte bei Machiavelli noch eine wesentlich umfassendere Bedeutung (vgl. Pocock 1975:405), die am ehesten mit dem (gerechten) Glück des Tüchtigen umschrieben werden kann.

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  41. Es gehört offenbar zum Rausch der Vernichtung“, schreibt Niels Gutschow (1988:14) in seiner kritischen Auseinandersetzung mit der Architektur wahrend und unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg, ”sie eich als Chance der Erneuerung auszumalen und anzueignen“. Und er zitiert den Architekten Konetanty Gutschow aus Speere ”Arbeitsstab Wiederaufbauplanung zerstörter Stadte“, der im Harz 1944 sagte: ”Dieses Werk der Zerstörung wird Segen wirken. Das Wort des Fahrers, daß die zerstörten Stadte schöner ale vorher wiedererstehen werden, gilt doppelt far Hamburg. Dem allergrößten Teil der baulichen Zerstörung weinen wir keine Trine nach“.

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  42. Im Zusammenhang mit den Manipulationen mit Bog. Atommüll durch die Firma “Traneatom” sprach Bundesumweltminister Klaue Töpfer zwar beschwichtigend von einem “kriminellen Einzelfall” (Der Spiegel Nr. 2, 1988:21), raunte aber ein, dap angesichts der undurchschaubaren Verflechtung der Atomindustrie und zahlreicher staatlicher Stellen (auch Aufsichtsbehörden) eine Entflechtung und Neuordnung dringend geboten sei (vgl. Der Spiegel Nr. 3, 1988:18–30, Nr. 4, 1988:24–30 und Nr. 7, 1988: 51–66 ).

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  43. Daher “darf” dem Außenstehenden der Tod eines Menschen weit katastrophaler erscheinen als eine FUnf in der Mathematikarbeit. Aber gerade deswegen “darf” dem Schiller und Rind im situativen Erlebenshorizont von “Schule-Elternhaus” seine “FUnf” ebenso katastrophal sein wie einem anderen der Verlust eines Menschen. Im Affekt sind alle gleich, nicht in der Art der Affektauslösung. Das Problem von Ursache und Wirkung stellt sich hier als Verknupfungsproblem zwischen Objektivem und Subjektivem, Affektivem und Rationalem (vgl. Abschnitt 7).

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  44. Klaus C. Engelen lieferte ein eindrucksvolles Beispiel für diesen Mechanismus (und seine “Neu-Sprech”- Eigendynamik): “Atompilz über dem Bondmarkt”, Pleite- Schock und Finanzdebakel durch “Atomruinen”; Handelsblatt Nr. 127 vom 7.7. 1983: 2 )

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  45. Die dadurch aufgeworfenen anthropologischen Implikationen lassen sich durchaus in Kauf nehmen. Nicht nur Psychologen oder Enthnopsychoanalytiker haben hier Belege erarbeitet, sondern auch Soziologen. T. Burns (1958), W.B. Simon (1963) und H. Bober (1965) zeigen übereinstimmend die Bedeutung des Affektiv-Emotionalen und des Bedürfnisses nach subjektiver Gewißheit und Sicherheit im Prozeß der Erkenntnis und im Umgang mit anderen.

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  46. Die Vielfalt der Kombinationsmöglichkeiten sei nur angedeutet: Damit man sich vor Freunden brüstet, wird die durchzechte Nacht geltend gemacht; um sich nicht für dumm halten zu müssen, wird man Faulheit zugeben etc.; ganz gleich aber, was aus welchen Gründen benannt wird, es ist in jedem Falle ein Ausgangspunkt zur Ursachendiskussion.

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  47. Nach Edmund Husserl (1962) ließe sich hier zwischen der perzipierten und der allgemeinen Welt, der “Lebenswelt”, unterscheiden. Die Lebenswelt ist jedem Denken vorausgesetzt und fungiert beständig als dessen “Untergrund” (127), doch bleibt sie in ihrer Gesamtheit unbegriffen, da die in ihr agierenden Menschen nur perzipieren, was für ihre Belange notwendig ist. Gottfried Niedhart (1983:11) machte diesen Ansatz in der politologischen Perzeptionsforschung empirisch fruchtbar; was er zur Entstehung des Sowjetunion-Bildes darlegte, gilt auch für die Entstehung des Katastrophenbildes: “Da jeder Beobachter nur eine begrenzte Informationsmenge verarbeitet, ist die perzipierte Umwelt nicht identisch mit der realen Umwelt, wobei Perzeption und Realitat in unterschiedlichem Maße auseinanderklaffen können. Auch bei Reduzierung der Fehlerquote auf ein Minimum gilt, daß ”objektive“ Erkenntnis im Bereich gesellschaftlicher und politischer Bewegungen nicht möglich ist und daß Wahrnehmungsfahigkeit und Urteilsbildung von Faktoren wie Interessenlage, gesellschaftliches und kulturelles Umfeld, Wervorstellungen, Nachrichtenselektion, Erwartungshaltung oder psychische Disposition abhangen.”

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  48. Man muß bei der Problematik der “Selbstbegegnung” nicht gleich die Entstehung von Schizophrenie im Blick haben. “Allerdings”, so Norbert Elias (1987:67), “ist es noch immer ein offenes Problem, wieweit Menschen imstande sind, sich selbst ins Auge zu sehen, sich wahrzunehmen, wie sie sind, ohne den schimmernden Panzer von Phantasien, der sie vor vergangenem, gegenwertigem und zukünftigem Leiden schützt. Man kann mit einiger Gewißheit sagen, daß das Vermögen zu unverhüllter Selbstwahrnehmung steigt und feilt mit dem Grad an Sicherheit, den Menschen jeweils erreicht haben. Aber wahrscheinlich hat dieses Vermögen seine Grenzen.”

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  49. Wie sonst könnten Worte wie “Wer” oder “Hintersasee” erst Irritationen und dann, beim Verweis auf historische Berufs-und Sozialbeziehungen, Erleichterung auslösen?

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  50. Eine kulturelle Phasenverschiebung findet statt, wenn von zwei miteinander in Beziehung stehenden Kulturelementen das eine sich eher oder in größerem Maße verandert als das andere, so daß der Grad der Anpassung zwischen beiden Elementen geringer wird als zuvor“ (Ogburn 1969:134).

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  51. Zu erinnern ist hier an die sehr frühe Darstellung von Katastrophen in der Volkskunst, wie sie die Votivbilder der Wallfahrte-statten zeigen (vgl. Andree 1904 ). Verdienstvoll ist auch die Materialfülle, die Frank Böckelmann und Dietrich Leube (1985:6) in ihrem “Katastrophenalbum” zur paradoxen Ästhetik des Katastrophalen zusammengestellt haben. An die elkularisierte Magie des Bildes erinnert Hans-Jürgen Heinrichs (1984:106): “Das Ritual, als elementare Verlaufsform des magischen Wunsches und der ihm zugehörigen Beschwörung, hat keinen Bezug mehr zur Erfahrung des Einzelnen. Damit verliert das Ritual seine Funktion... Die pseudo-magischen Rituale vermitteln nur noch Bilder davon, wie etwas sein könnte - Bilder gewünschter oder gewesener Realitgt”.

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  52. Möglicherweise stellt die Nichtwahrnehmung der entwicklungebestimmenden Dimension des Katastrophalen selbst eine Katastrophe dar in dem Sinne, daß kollektiv traumatisierende Erfahrungen die, wie Hans-Jürgen Krahl (1971:289) einmal im Bezug zum Faschismus sagte, “kritische Subjektivität” der Menschen selbst beschädigt.

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  53. Gemeint sind Giovanni Boccaccios “Decamerone” (1348–53), Albert Camus “La peste” (1947), Daniel Defoee “A Journal of the Plague Year” (1722) und Alessandro Manzonis “I promessi sposi” (1827). Matthäus Merlan schuf um 1630 eine Reihe von Bibelillustrationen, die neben der Sintflut auch die Peetplage zeigen. Jacob Scheuchzer schrieb 1731 die “Physica sacra” und illustrierte sie mit Kupferstichen der schlimmsten Plagen und Heimsuchungen. Generell wurde dabei an die Symbolik dee Totentanzes angeknüpft, der wahrscheinlich im 14. Jahrhundert in Frankreich als Folge der Pest zum beliebten Sinnbild geworden war. Alfred Rethels Holzschnitt “Der Tod auf den Barrikaden” von 1848 verknüpft die Totentanzsymbolik mit der Niederlage der Revolution. Neueste Versuche, an die Pestbilder anzuknüpfen, finden sich z.B. bei Karl Markus Michel (1987) und bei dem polnischen Theater-Ensemble “Theatr Oemega Dnia” mit seiner szenischen Bearbeitung der Pest “Break Trough The Glass In Order To Leave” (aufgeführt in Bremen 17. 9. 1987)

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  54. Reminiszenz an Emile Durkheimu sein “Verbrechen ist normal” beruht, horrible dictu, auf nichts anderem als diesem Mechanismus.

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  55. Auf der Folie der kunsthistorischen Boschforechung ist die hier vertretene Interpretation mit Sicherheit zu eindimensional und anfechtbar obendrein. Allerdings geht es mir weder darum, den Einflüssen der Alchemie (z.B. die Liebenden im Glasgefgß Zeugung und Chemie des gesamten Lebens), der Astrologie oder gewisser geheimer Sekten (Bosch soll “Adamit” gewesen sein) nachzugehen, noch darum, besonders ausgefallenen Deutungen nachzuspüren (z.B. der von W. Fraenger, der die Haupttafel als Kult zur Rückkehr ins Paradies und den linken Flügel als Vereinigung Adams und Evas deutet). Vielmehr soll nur gezeigt werden, daß sich Bosch (in welcher Absicht auch immer) an biblische Vorlagen gehalten hat (er zitiert auf den geschlossenen Flügeln den 33. Psalm Vers 9) und sehr wohl beanspruchte, die göttliche Schöpfung, den Sündenfall, die Vergeltung und die Welt nach der Sintflut zu zeigen (vgl. Rowlands 1975: 8–10 ).

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  56. Damit sei nicht gesagt, daß alle Literatur und Kunst eine derartige Balance bergen. Fra Francesco verkündete z.B. 1513 in Santa Croce das Weltende in furchtbarster Einseitigkeit: “Überall wird Blut sein. Blut auf den Straßen, Blut im Fluß; die Leutewerden auf Strömen von Blut fahren, auf Seen von Blut, Flüssen von Blut.... Zwei Millionen Damonen werden am Himmel losgelassen..., denn in den letzten 18 Jahren ist mehr Übel angerichtet worden als in den 5000 Jahren davor” (zit. nach Delumeau 1985:335). Auch Bosch, beispielsweise im “Jüngsten Gericht”, vermochte völlig “einseitig” die Qualen der Hölle darzustellen. Jurgis Baltrusaitis (1955) wies jedoch nach, daß die dämonische Bilderwelt des 14. bis 16. Jahrhunderts vor allem auf orientalische Gestaltungselemente zurückgriff, was einerseits das Grauen verstarkte (Einfall des Fremden), andererseits aber auch Distanz schuf (nicht bei uns), um doch hinsehen zu lassen.

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  57. Diese Formulierung rekurriert nicht nur auf das berühmte Institut des Ablaßhandele (Luther versus Tetzel), sondern auch auf die Ökonomie der Hexenverbrennung (vgl. Le Goff 1984).

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  58. Die X-Beliebigkeit der Katastrophenart demonstriert am eindrucke-vollsten der Vergleich der Grundideen der verschiedenen Katastrophenfilme. Ronald M. Hahn und Volker Jansen (1987) haben in ihrem “Lexikon des Science Fiction Film” faszinierende Beispiele zusammengetragen.

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  59. Ironisierend hat Hans-Dieter Bahr ( 1976: 112) die so sehnsüchtig gesuchte, darum aber so mißgestaltende Widerspruchsfreiheit bürgerlicher Existenz vorzuführen versucht: “Der Barger dagegen, da er sich wehrlos im Schlaf, wild in seinen bestialischen Traumen, müde in seinen ehelichen Pflichten fühlt, macht aus dem Schlafzimmer das Gegenteil eines Empfangsraums; es ist die Ecke absoluter Privatheit, düsterer Intimitat, und nur in seltensten Fallen darf der Gast, der die unheimliche Wohnung grausend erfahrt, diesen Ort der blaubartlichen Sehnsüchte seines herrschenden Gastgebers besichtigen. Denn hier endet die Herrschaft des ganzen Spuks. Wo der Bourgeois seiner ewigen Fortpflanzung am nachsten ist, fürchtet er zu Recht am meisten den Tod und den traumwandelnden unrühmlichen Abgang von den Bühnen seiner gespenstischen Diktatur.”

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  60. So ware denn dye Ohr “veretandiger” ale das Auge, doch müßte die Verwirrung groß sein, wenn das Auge liest und das Ohr kein Wort, sondern Wagner hört. Und welchen Wagner hört das Ohr, wenn das Auge Nietzsches Abrechnung mit Wagner gelesen hat? Man kann Spaß haben mit seinen Sinnen...

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  61. So z.B. in den Offenbarungen des “New Age”; da wallen Gänsehäute körperlangs. Eine parodierende Näherung lieferte das “ZEITmagazin” Nr. 2 vom B. Januar 1988: “Im Zeichen des Wassermann stricken zukünftsgläubige Optimisten am neuen Weltbild”. Ganz ernsthaft versteht sich Liz Collins (1986): “Bewußter leben im Hier und Jetzt. Neue Spiritualität im Wassermann-Zeitalter”: “Im Grunde unseres Wesens sind wir alle eine; wir sind Es” (167); darum heißt Lieben sich im anderen lieben und um seiner selbst willen lieben... Die Zeiten wandeln sich halt; früher war man ganz selbst nur dort, wo man ganz deutsch war. “Deutsch-Sein” aber hieß: “eine Sache um ihrer selbst willen tun”.

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  62. Analoges gilt für alle weiteren tragenden Charaktere: Edelmütige und Niedertrgchtige, Selbstlose und Ichsüchtige, Huren und Heilige, Tapfere und Feige, Beherrschte und Unbeherrschte. George Fox (1974) hat die Stilisierung von “Katastrophen-Persönlichkeiten” am Beispiel des Films “Earthquake” trefflich demonstriert. Höhepunkte dualer Persönlichkeitsklischees finden sich in “Flammendes Inferno” und “Untergang der Poseidon”. In beiden Filmen geben Zeitpunkt und Art des Zutodekommens der Handelnden Aufschluß über die Hierarchie und die Gründe ihres “Unwerts” bei der Restituierung der guten Ordnung.

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  63. Die filmische Bearbeitung des “suspense” hat ein ganzes Genre gezeugt. Hingewiesen sei besonders auf Georg Seeßlene (1980), “Kino der Angst”, dem das theoretische Konzept Balinte unterlegt iet.

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  64. Gerade die im Laufe des Zivilisationsprozesses zunehmend gelingende Affektkontrolle bewirkte auch einen gegenlaufigen Effekts Wo alles unter Kontrolle zu sein schien, machte sich Langeweile und eine entsprechende Sehnsucht nach Abenteuer, Überschwang, tiefer Emotionalitat und erregenden Stimuli bemerkbar (vgl. Alfred Schmidt 1979 ).

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  65. Die dissonante Erfahrung der Angst vor dem Absturz, die dennoch wildes EntzUcken weckt, formulierte Edgar Allan Poe in “The Imp of the Perverse” (1845), wo er das “Urtriebhafte”, das im “agréable terreur” zum Ausdruck komme, mit der Situation am Abgrund verglich: “Und weil uns unsre Vernunft mit aller Kraft von der Kante zurückreifen will, darum grad zieht es uns nur umso ungestümer zu ihr hin” (zit. nach Poe 1979, IV:833f.). Hinzuweisen ist auch auf “Ein Sturz in den Malstrom”, wo Poe (1979, IV:522–548) den Topos des Malstromes literarisch bearbeitet. Karl-Heinz Bohrer (1978) halt diesen Aspekt der Ästhetik des Grauens für epochal; Norbert Elias (1987173ff.) nimmt ihn in soziologischer Absicht auf.

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  66. Zu den verschieden Aspekten der Schiffbruch-und Untergangsmetapher siehe Hans Blumenberge “Schiffbruch mit Zuschauer. Paradigma einer Daseinsmetapher” (1979).

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  67. Daß Dich St. Veit ankomme“, war eine gebrauchliche Verwünschungsformel, die bis ins 12. Jahrhundert zurückgeht (vgl. Nohl 1924.338). Trotz struktureller Xhnlichkeiten in Bezug auf die Integration dualer Gefühle, darf die epidemische Tanzwut nicht mit der Tradition des Totentanzes verwechselt werden. Der Totentanz, der als ”danse macabre“ eine tiefwurzelnde ”Lust an der Unterhöhlung der eigenen Existenz“ (Stadelmann 1928:18) ausdrücken soll, stilisierte die einfache Traurigkeit angesichts des normalen, ”zur Zeit“, d.h. zur sozial akzeptierbaren Zeit kommenden Todes, hin zu einer Form der Todeeverhöhnung gegenüber dem unzeitigen, ungerechten Tod.

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  68. Wem dies übertrieben scheint, der studiere die Erkenntnisse über Brandstiftung. Die Faszination des Feuers, auch dies eine duale Einheit von Segen und Fluch, verführt nicht nur pyromane Menschen zur Brandstiftung, sondern auch Feuerwehrleute. Die anarchische Lust, etwas in Flammen aufgehen zu lassen, kennt jeder Pfadfinder und Osterfeuer-Feiernde; die Frage ist nur, wie die Lust kanalisiert werden kann. Als Löschender steht man zumindest nicht im Verdacht, pyromane Lüste zu empfinden (vgl. Bachelard 1938; White 1977 )

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  69. Carsten Zelle (1987:81) belegt, daß noch bis ins 18. Jahrhundert hinein Wälder, Ruinen, Einöden und Wüsten als “loci terribiles” galten, als Orte der Qual, der Verlassenheit und der Sünde. Bereits ein Jahrhundert spgter empfand man sie als “erhaben”. Mit Akribie belegt Zelle, daß die “erhabene Natur” zum Spiegel der Gottheit“ umgedeutet wird (82), zum ”Pittoresken“, das selbst noch im Häßlichen und Mißgestalteten das Ursprüngliche, ”noch nicht durch künstliches Menschenwerk“ Verkehrte und Verdorbene erspüren will (101). Darin komme zugleich auch ein Moment des Widerstandes gegen die asthetische Formgebung des absolutistischen Naturzuschnitts zum Ausdruck, sowie die sich anbahnende Verherrlichung von Wildnis im Gegensatz zu Zivilisation (dazu Clausen/Clausen 1985 und Clausen 1978). In ahnliche Richtung, ironisch wie amüsant vom Topos des ”Deutschen Waldes“ ausgehend, waist Helmut Reinickes (1987) Abgesang auf ”Merchenwlder“ (s.a. das Plagiat von Bartholomaus Grill, 1987).

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  70. Bereits in der AufklArung wurde das Phanomen des “angenehmen Grauens”, des “delightful horror”, des “terreur agréable”, diskutiert und literaturhistorisch bearbeitet (vgl. Zelle 1987). Soziologisch relevant ist dabei die Tatsache, daß sich bis ins Barock hinein die Frage nach dem Vergnügen am Schrecklichen und am Schrecken nicht stellte. Bret mit der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert wurde das seltsame Vergnügen, an Schmerz, Leiden, Grauen und Untergang Freude zu empfinden, zu einem zentralen Topos der Ästhetik.

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  71. Eine ironische Demonstration konjunktiver Äquivalenz gelingt Norbert Elias (1987:188). Wahrend wir “Modernen” über Anfangsmythen I la “Ur-Ei” aufgeklart lächeln, bestaunen wir den, wie Elias es nennt, “physikalischen Mythos” vom Urknall (“Big Bang Theory”). Daran sähe man, “wie groß das Verlangen der Menschen nach einem Halt an der Vorstellung eines absoluten Anfangs bleibt und wie schwer es ihnen noch fällt, dem Gedanken an anfangslose Prozesse Raum zu geben”. So schreibt z.B. Breech (1983:26f.) in einem Beitrag zur Evolutionstheorie: “Der Urknall vor etwa 20 Milliarden Jahren ist der gemeinsame Ursprung aller Dinge”; und auf Evolution bezogen: “Die Eigenschaften des Universums sind also von Anfang an so beschaffen, daß Evolution stattfinden kann - oder gar muß”. Bruno Snell (1980:202f.) vertritt demgegenüber die Auffassung, daß “der Gegensatz mythisch-logisch... schon deswegen schief (ist), weil der Mythos den Inhalt des Denkens angeht, das Logische aber die Form”.

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  72. Comte (1907:2) postulierte die Abfolge dreier Stadien: “das theologische oder fiktive”, das “metaphysische oder abstrakte” und das “wissenschaftliche oder positive Stadium”. Kelsen (1982:8) skizzierte zwei Typen des Welterkennens; das des modernen Denkmenschen, der objektive Erkenntnis sucht und das des primitiven Sinnenmenschen, der “Erkenntnis als solche nicht kennt, sondern ”Welt“ en passent aus Analogien bildet, die. den Erfahrungen seines unmittelbaren Lebens nachgebaut sind”. Seit der “Dialektik der Aufklärung” (Horkheimer/Adorno 1947) und Edmund Husserls Werk über “Die Krisis der Europäischen Wiesenschaften” (1962) dürfte das Modell des kontinuierlichen Erkenntnisfortschritts ohnehin passé sein. Die inzwischen “unvertraute Moderne” (Schafer 1985) scheint nur noch in postmodernem Manierismus erträglich.

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  73. Stanley Diamond (1976) stellte diesen Zusammenhang in den Mittelpunkt seiner Analyse. Für ihn sind Fortschritt und Krise (wie Zivilisation und Unterdrückung) nicht zu trennen, auch wenn beide Momente nicht gleichzeitig und nicht gleichgewichtig auftreten müssen. Bedeutsam aber sei, daß gerade im europäischen Denken alle Formen des Scheiterns und des Mißerfolge systematisch ausgeblendet würden. Trotz aller Krisen und Katastrophen gehöre “The Triumph of Science and Reason” - so der programmatische Titel des Werkes von Frederick L. Nussbaum (1962), zu den meist gewünschten und erhofften Lebensgefühlen der “Technological Society” ( Ellul 1964 ). Eine soziologische Theorie der Katastrophe wird der Zusammengehörigkeit beider Momente, dem Scheitern und dem Obsiegen, nicht ausweichen dürfen.

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  74. Nicht zuf*llig bedeutet ‘experimentum’ Drangsal, Leiden, Qual. In diesem Sinne versteht und kritisiert Goethe die auf Sezieren, Zerlegen und Auflösen (Analyse) bedachte experimentelle Wiesenschaft: “Die Natur verstummt auf der Folter; ihre treue Antwort auf redliche Frage ist: Jai jal Neinl nein! Alles Übrige ist von Übel” ( Maximen und Reflexionen, Nr. 115 ).

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  75. So z.B. Ardrey 1979; Claeeeene 1970; Comte 1907:5; Devereux 1967:25f.; Elias 1987:18; Langer 1965:160; Mumford 1974:65ff.

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  76. Unbestreitbar haben Katastrophen die Entwicklung des Menschen begleitet, doch ist fraglich, ob dabei die Katastrophen die Wahrnehmung oder die Wahrnehmung die Katastrophen determinierten. Glaubt man Immanuel Velikovski (1985), so prägten reale Kataklysmen die Vorstellung vam Katastrophalen bis hinein in die kosmologischen Entwürfe -(selbst das altägyptieche Inzestverbot zwischen Himmel und Erde (vgl. Rachewiltz 1965:33) gewinnt dann Plausibilität) - während beim Übergang zur “Moderne” das Katastrophale eine völlig neue, im wahren Wortsinn “menschgemachte” Qualität erhält: die Vernichtungen, Blutbäder, Ausrottungen und Zerstörungen fügt der Mensch dem Menschen zu, ohne dap er sich noch im Joch der Moira wähnen darf. Dem bedeutsamen Unterschied zwischen Schicksal und Geschick spürte Agnes Heller (1982:414–422) nach. Sie zeigte, wie der abendländische Mensch seine Geschicke selbst in die Hand nahm,und, über seinen technischen Erfolgen, für sich Überlegenheit reklamierte. Erst auf Grund dieses Fortschrittsglaubens vermochte er als Eroberer und Entdecker um den Globus zu jagen (vgl. v. Paczensky 1979; Ribeiro 1972) und alle Welt unter das neue Joch der Erwerbsarbeit zu zwingen (vgl. Bosse 1979; Krovoza 1974). Die Bedeutung der Religion kann dabei gar nicht hoch genug eingeschätzt werden (vgl. Ronner 1971; Pfister 1985; Seyfarth/Sprondel 1973); sie und die realen Traumatisierungen der europäischen “Kolonisierungen” - des Kolonialismus, der Kriege und der Industrialisierung -erklären erst den typischen “dunklen Ton” der abendländischen Katastrophenwahrnehmung.

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  77. Hans Kelsens Werk “Vergeltung und Kausalitgt erschien 1941. Ernst Topitech zeigte in seiner Einleitung zur Auflage von 1980, daß Kelsen den Auffassungen des Schotten D. Hume sehr nahe stand, und daß seine Vorstellungen von Arbeitsmoral und Ehrgefühl durchaus ale protestantische Ethik interpretiert werden können.

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  78. Überzeugende Untersuchungen über den friedlichen Weg finden sich nur in sehr begrenztem Maße. Immerhin deuten die Untersuchungen zum Prinzip der Kooperation (vgl. Axelrod 1988; Güth 1984) das Potential der Befreundungen mit der Welt und ihren Lebewesen an (dazu auch Claessens 1970,190). Die unfriedliche Entwicklungsdynamik seit der Ur-und Frühgeschichte ist weit besser erforscht. Beispiele finden sich bei Fernand Braudel (1967), Salvioli (1912) und Klaue Eder (1973).

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  79. Aufschlußreich indiesem Zusammenhang ist die Genese und Entwicklung der jüdischen Gesetzesreligion. Die Thora, die den Nachgeborenen die Lebensregeln der Alten vorsetzt (“Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist...”), ist das Gesetzte, das Gebotene, das zu mißachten gleichgewichtige Strafe und Vergeltungbewirkt (“Auge umd Auge, Zahn um Zahn”), das ansonsten aber kollektiv und sozialintegrativ durch die drei überlieferten, institutionell verfestigten Rituale von Spenden, Beten und Fasten regelmaßig bestatigtwird. Erst die Bergpredigt hat, wie Dietrich von Oppens (1960:18ff.) religionssoziologische Analyse zeigt, diese kollektiven Rituale gegen personale Beziehungen zu Gott und den Nachsten aufgelöst und somit Distanzierungs-und Individualisierungspotentiale eröffnet.

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  80. Walter L. Bühl (1982:350) vertritt die Auffassung, daß der Mythos in aller Regel “von der dunklen - in Technik, Wissenschaft und Organisation gerade unzuganglichen - Seite des Lebens aus(geht): von Krankheit, Katastrophe und Tod”.

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  81. Nach Katastrophen finden ähnliche “nomosbildende” Dialoge statt, wie sie Peter L. Berger und Hansfried Kellner (1965) für ganz andere Zusammenhänge analysiert haben.

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  82. Umgekehrt läßt eine solche Sicht auch die Passung zur Entstehung und Rückprojektion religiöser Deutung erkennen: Mythen sind dann der “Ausdruck für die Einsicht, daß der Mensch nicht Herr der Welt und seines Lebens ist, daß die Welt in der er lebt, voller Rätsel und Geheimnisse steckt. Die Mythologie ist der Ausdruck eines bestimmten Verständnisses der menschlichen Existenz. Sie glaubt, daß die Welt und das Leben ihren Grund und ihre Grenze in einer Macht haben, die außerhalb all dessen ist, was wir berechnen und kontrollieren können”, schreibt R. Bultmann (1980:17) und hat den Bogen zu Gott dem Allmächtigen geschlagen.

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  83. Bruno Snell (1980:202) wies darauf hin “daß die mythische Kausalitgt in einem Gebiet herrscht, auf dem man spgter, nach Entdeckung der Seele, psychische Motive annimmt.

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  84. Da werden“, schreibt der Spiegel (Nr. 2 vom il. Jan. 1988:22) in seinem Titelbericht über Atommüll und Entsorgung, ”Augen zugedrückt, Privatgeschafte gemauschelt und verbindliche Vorschriften verletzt, ale ob es nur darum ginge, auf einem mittelalterlichen Viehmarkt lahme Gaule und kranke Schweine an tumbe Kunden zu verhökern.“ In der Kernkraftbranche dagegen, so der Spiegel weiter, habe dieses ”Nach mir die Sintflut’- Denken katastrophale Konsequenzen“, denn nirgends sonst werde mit derart gefährlichen Materialien hantiert. Die Argumentation ist so verkehrt wie aufschlußreich: Die mittelalterliche Tauscherei hatte, ganz anders ale die bewußte und geplante White-collarKriminalitat heute, Hand und Auge gekostet (vgl. Hensel 1979; Wrede o.J.). Im antiken Griechenland wurde Baumeistern, deren Bauwerke einstürzten und Menschen schädigten, die Hand abgehackt. Zwar konnten (und wurden) Risiken in Form minderwertiger Waren oder sonstiger Mangels auf Dritte Uberwalzt, doch kamen die Abwälzenden nie aus ihrer unmittelbaren Verantwortung. Dort erst beginnen sich Risikoabwalzungen ja wirklich zu lohnen, wo sie nicht mehr persönlich verantwortet zu werden brauchen (vgl. Stöcklein 1969).

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Dombrowsky, W.R. (1989). Katastrophe. In: Katastrophe und Katastrophenschutz. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-05411-5_1

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