Die Kraft der Stämme

Zusammenfassung

Nicht immer waren und sind wir — der Präsident des Deutschhen Bundestages D. Dr. Eugen Gerstenmaier und ich, gegenwärtig einer seiner Stellvertreter — eines Sinnes. Aber manches verbindet uns: In einem weiten Bogen schwingt die Schwäbische Alb von seinem Geburtsort Kirchheim unter Teck bis zu dem Abfall der Fränkischen Alb ins Maintal bei meinem Heimatstädtchen Lichtenfels; er ist ein unbedingter und unverwechselbarer Schwabe, wie ich Franke zu sein wünsche. Davon und damit von dem Werte der deutschen Stämme für die Zukunft unseres Volkes sei die Rede. Es sind zwanzig Jahre her, daß nach der schlimmen rechtlosen Zeit zum ersten Male wieder eine Art Parlament, der bayerische Landesausschuß — nicht gewählt, sondern berufen — in München zusammentrat. Der amtierende Ministerpräsident erklärte: »Bayern ist wieder ein Staat geworden. Es will Staat bleiben, wie es dies mehr als 1400 Jahre gewesen ist. Das bayerische Volk wird über die zu schaffende Verfassung entscheiden.« Bekümmert hörte ich Feststellung und Forderung: das »bayerische Volk?« — der »1400jährige bayerische Staat«? — »Bayern wieder ein Staat geworden«? Es regte sich mein fränkischer und mein deutscher Protest.

Aus »Freiheit und Recht«, Eugen Gerstenmaier zum 60. Geburtstag am 25. August 1966 (Evangelisches Verlagswerk, Stuttgart 1966), S. 63 ff.