Zusammenfassung
Es ist nicht wunder zu nehmen, wenn man sich angesichts eines solchen Schmarotzeridylls die Frage vorlegt, auf welche Weise ist wohl das unglückliche Tier zu dem Wirt so vieler ungeladener Gäste geworden? Zu den Zeiten der Alten und auch noch am Ende des 17. Jahrhunderts hätte man sich mit der Annahme begnügt, daß die Schmarotzer, da wo sie gefunden wurden, auch entstanden sind, die Darmschmarotzer aus den Absonderungen des Darmkanales, die Blutschmarotzer aus den Säften des Körpers. Diese Vorstellung entsprach der damals herrschenden Ansicht, daß zahlreiche niedere Tiere ihren Ursprung einer Urzeugung,einer Entstehung aus unbelebter Substanz zu verdanken hätten. Strittig war nur der Punkt, ob als Produkt einer solchen Urzeugung erst das Ei oder gleich das fertige Tier anzusehen war, und welcher das Werden bedingende Prozeß den Anstoß zu solcher Umbildung gegeben haben mochte. Man stritt sich, ob die Entstehung der Eingeweidewürmer, die schon ihrer Größe wegen im Vordergrund der Beobachtung standen, auf Gärungs- oder Fäulnisprozesse zurückzuführen seien, also auf zwei ihrem Wesen nach zur damaligen Zeit gleich unbekannte Vorgänge, durch die Rätselhaftes mit Vorliebe seine Erklärung fand. Durch Urzeugung sollten auch die Würmer im Fleisch, die sich aus den Eiern der Schmeißfliege entwickeln, entstehen, aus Sägespänen und Harn sollten sich Flöhe bilden, auch die Erreger der sogenannten Läusesucht sollten im menschlichen Körper ihre Entstehung nehmen, besonders bei Bösewichtern, die, wie z. B. Herodes, die Strafe des Himmels zu gewärtigen hatten. Heute lächeln wir über diese Erzeugnisse einer kindlichen Phantasie, die mit gewaltigem Sprung zu der letzten Erklärungsmöglichkeit greift und sich damit der Mühe entzieht, durch genaue Beobachtung die Erscheinungen zu erforschen und zu ergründen, die auf den ersten Blick aus dem Rahmen des Bekannten herauszutreten scheinen; aber wir müssen in Rechnung ziehen, daß es der damaligen Zeit an den notwendigen Hilfsmitteln fehlte, um dem wahren Sachverhalt auf die Spur zu kommen.
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von Linden, G. (1915). Die Entstehung der Parasiten. In: Parasitismus im Tierreich. Die Wissenschaft, vol 58. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02983-0_2
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-663-02983-0_2
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