Typologie der Offenbarung in der Religionsgeschichte

Zusammenfassung

Zu den zentralen Phänomenen der Religionsgeschichte gehört das Auftreten der „Offenbarung“. Religionen sprechen von der in ihnen sich ereignenden Offenbarung der Gottheit. Diese Rede von der Offenbarung aber geschieht in so verschiedenem Sinne, daß man geradezu von „Offenbarungsreligionen“ im Unterschiede von anderen Religionen, die dann also keine Offenbarung kennen sollen, glaubt sprechen zu können. Es liegt, wenn man näher zusieht, hier ein wichtiges Strukturproblem vor, das der Klärung dringend bedarf; denn die bisherige Anwendung des Begriffs der Offenbarung geschah unter der stillschweigenden Voraussetzung, daß Offenbarung eine ganz eindeutige Größe sei. Das ist, wie gleich zu zeigen sein wird, keineswegs der Fall. Um so notwendiger ist es klarzustellen, was Offenbarung eigentlich ist, unter welchen Strukturvoraussetzungen im Erscheinungsbilde der Religionen sie auftritt und welche typischen Formen der Offenbarung notwendigerweise zu unterscheiden sind. Erst wenn diese Arbeit geleistet ist, hat es einen wissenschaftlich eindeutigen Sinn, den Begriff der Offenbarung anzuwenden. Eine solche Untersuchung ist nun keineswegs nur eine willkürliche Begriffsdefinition, die man auch anders formulieren könnte, sondern sie setzt eine genaue Analyse der religionsgeschichtlich gegebenen Phänomene voraus und eröffnet daher von dieser Seite her Einblicke in die Wesensstruktur der Religion selbst. In der zeitgenössischen Literatur wird nicht selten die Rede von einer Offenbarung als Kennzeichen einer bestimmten rassisch oder völkisch abgegrenzten Gruppe von Religionen betrachtet. Es wird zu prüfen sein, ob diese Annahme sich an den Tatsachen bewährt oder nicht.