Zusammenfassung
Die Bezeichnung der religiösen Struktur lateinamerikanischer Länder als „pluralistisch“ mag starkes Befremden hervorrufen. Falls die Anwendung dieses Begriffes überhaupt zu rechtfertigen ist, so deutet er auf radikalen Wandel hin, denn die religiöse Struktur Lateinamerikas, die hier als Kulturbestandteil im Sinne der Anthropologie verstanden wird, war nicht pluralistisch, sondern monolithisch. Zumindest war die religiöse Einheit das kulturelle Wunschbild, das den iberischen Eroberern vorschwebte, an das sie und ihre kreolischen Erben mit bemerkenswerter Zähigkeit glaubten und das eine der umfangreichsten und schwierigsten Konversionsbewegungen der abendländischen Geschichte ins Leben rief. In der Tat wurde der iberische Katholizismus, der seinen Anklang und seine Lebenskraft zum großen Teil aus dem Festhalten an mittelalterlichen Formen der Religiosität schöpfte, zu einem der wirksamsten allgemeinen Nenner in einer Welt kultureller Verschiedenheit, und nirgendwo in Lateinamerika, mit Ausnahme von einigen isolierten, zahlenmäßig unwichtigen Stammesgesellschaften, vermochte die Integrierung von oft zahlreichen Elementen autochthoner Religionen das Gleichgewicht des übernatürlichen Weltbildes zugunsten von nichtkatholischen Aspekten zu verschieben. Selbst die afrikanischen Gottheiten, die in einigen Teilen Lateinamerikas bis heute fortleben, erwarben die Identität katholischer Heiliger, und diese Doppelrolle erweiterte ihren Funktionsbereich und sicherte die kulturelle Kontinuierlichkeit mit der katholischen Welt.
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Referenzen
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zitiert nach Angelo Rossi, Directório Protestante no Brasil, Campinas 1938 (Tipografia Paulista), S. 23.
Ebda., S. 24.
Ebda., S. 173.
Hugh C. Tucker, The Bible in Brazil, New York 1902, S. 203 f.
Vgl. Emilio Willems, Protestantismus und Kulturwandel in Brasilien und Chile, in Max Weber zum Gedächtnis, Sonderheft 7 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Köln-Opladen 1964, S. 311 f.
Sogar im Bundesstaat Brasilien bestehen starke Zentralisierungstendenzen, die namentlich in politischen Krisenperioden in einer fast absoluten Vormachtstellung der Bundesregierung zum Ausdruck kommen.
Joseph A. Kahl, Soziale Begleiterscheinungen der Industrialisierung und Urbanisierung, in Peter Heintz (Hg.), Soziologie der Entwicklungsländer, Berlin und Köln 1962, S. 388.
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Vgl. Maria Isaura Pereira de Queiróz, La guerre sainte au Brésil: Le mouvement messianique du Contestado. Universidade de São Paulo, Faculdade de Filosofia, Ciências e Letras, Boletim No. 187, São Paulo 1957.
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Quelle: Prudencio Damboriena, El Protestantismo en América Latina, Vol. II, Fribourg und Bogota 1963, Oficina Internacional de Investigaciones Sociales de FERES, S. 16.
Ebda., S. 63.
Diese Übersicht wurde aus verschiedenen Quellen zusammengestellt. Die ersten drei Ziffern wurden den allgemeinen Volkszählungen entnommen. Die Angabe für 1958 entstammt einer Erhebung des Evangelischen Bundes für Brasilien, und die für 1961 angegebene Ziffer wurde Damborienas Werk (a. a. O.) entnnmmen
Vgl. Brasil Evangélico, Orgão Informativo da Confederação Evangélica do Brasil 1959, S. 6 f.
Vgl. Erasmo Braga und Kenneth G. Grubb, The Republic of Brazil: A Survey of the Religious Situation, London, New York, Toronto 1932, S. 71.
Vgl. Cândido Procópio Ferreira de Camargo, Kardecismo e Umbanda, Sao Paulo 1961, S. 176.
Vgl. Buenaventura Kloppenburg, Introdución Histórica, in Camargo (Hg.), Aspectos Sociológicos del Espiritismo en São Paulo, Fribourg und Bogota 1961, Oficina Internacional de Investigaciones Sociales de FERES, S. 16.
Vgl. Camargo, Kardecismo e Umbanda, a. a. O., S. 137.
Vgl. Roger Bastide, Les religions africaines au Brésil, Paris 1960, S. 443.
Bastide, ebda., S. 438.
Vgl. Camargo, Kardecismo e Umbanda, a. a. O., S. 53.
„Der festliche Charakter der Umbanda bedeutet Verbrüderung. In ihrer Mitte gibt es weder Klassen noch Kasten.“ Emanuel Zespo, Codificacão da lei de Umbanda, Rio de Janeiro 1960, S. 147.
Vgl. Walter R. Goldschmidt, Class Denominationalism in Rural California Churches, in American Journal of Sociology, 1944, S. 354.
Camargo, Kardecismo e Umbanda, a. a. O., S. 125.
Bastide, Les religions africaines, a. a. O., S. 432.
Camargo, Kardecismo e Umbanda, a. a. O., S. 125.
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Vgl. Antônio N. Mesquita, História dos Batistas do Brasil, Rio deJaneiro 1940, S. 56, 100, 133, 137, 217, 270, 287
Jûlio Andrade Ferreira, Historia da Igreja Presbiteriana do Brasil, Vol. 1, São Paulo 1959, S. 157
Paul E. Buyers, Historia do Metodismo, São Paulo 1945, S. 416.
Ähnliche regionale und lokale Verschiedenheiten herrschen in Kolumbien, das von allen lateinamerikanischen Ländern den protestantischen Missionsbemühungen den schärfsten Widerstand entgegensetzt. Einer der führenden Presbyterianer, ein amerikanischer Missionar, der in einer Mittelstadt des Magdalenentals als Pfarrer und Schuldirektor stationiert ist, teilte uns mit, daß in der von ihm und seinen Helfern besuchten unmittelbaren Umgebung es viele Gemeinden gäbe, in denen sie auf keinerlei Widerstände stießen, wohingegen in manchen Nachbarorten die Intoleranz jedwelche Missionstätigkeit unmöglich mache. Auch ist es bekannt, daß die Hochlandbezirke im weiteren Umkreis von Bogota sich der katholischen Kirche aufs engste verbunden fühlen, wohingegen in den Küstengebieten eine ausgesprochene religiöse Gleichgültigkeit vorherrscht.
Vgl. Willems, Protestantismus und Kulturwandel, a. a. O., S. 330 ff.
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Willems, E. (1965). Religiöser Pluralismus und Klassenstruktur in Brasilien und Chile. In: Matthes, J. (eds) Religiöser Pluralismus und Gesellschaftsstruktur / Religious Pluralism and Social Structure. Internationales Jahrbuch für Religionssoziologie / International Yearbook for the Sociology of Religion, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02893-2_7
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