Zusammenfassung
Eine oft wiedererzählte Dostojevskij-Legende hat das Bild eines Autors geschaffen, der durch widrige äußere Umstände an jeder methodischen, vorausschauenden Arbeit und an der Distanznahme zum eigenen Werk gehindert blieb. Es ist da die Rede von den „Stockschlägen der Verschuldung“, die ihn „zwangen, mit unnatürlicher Schnelligkeit zu arbeiten“ 1, von der physischen Bresthaftigkeit (Thomas Mann spricht sogar von „bleicher Bresthaftigkeit“ 2) und schließlich von der „heiligen Krankheit“, d. h. der Fallsucht, die aus Dostojevskij „ein zuckendes, alle Augenblicke in Krämpfe verfallendes Nervenbündel“ 3 machte.
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Literatur
Vgl. Georgij Culkov: Kak rabotai Dostoevskij, Moskau 1939, S. 129.
P. M. Bicilli: Poclemu Dostoevskij ne napisal ,Zitija velikogo grelnika`? (= O Dostoevskom, sbornik statej, I, ed. A. L. Bem, Prag 1933, S. 25–30).
Sehr nachdrücklich wird das z. B. von Michail Bachtin in seinem Buch „Problemy poétiki Dostoevskogo“, Moskau 21963, S. 11 f. unterstrichen.
Vgl. etwa P. M. Bicilli, op. cit. (Anm. 8), S. 26; L. P. Grossman: Put’ Dostoevskogo, Moskau 21928, S. 12.
P. M. Bicilli, op. cit. (Anm. 8), S. 26; M. M. Bachtin, op. cit. (Anm. 9), S. 11.
Dmitrij Ciäevskij: Dostoevskij — psicholog (= O Dostoevskom, sbornik statej, II, ed. A. L. Bem, Prag 1933, S. 51–72), S. 55.
M. M. Bachtin: Problemy poétiki Dostoevskogo, Moskau 21963, S. 341.
Vgl. Vjaceslav Ivanov: Dostoevskij i roman-tragedija (= Borozdy i mezi, Opyty ésteti&skie i kritiZeskie, Moskau 1916); L. P. Grossman: Put’ Dostoevskogo, Moskau 21928, S. 7 f. Vgl. a. P. M. Bicilli: K voprosu o vnutrennej forme romana Dostoevskogo (1945/46, jetzt am besten zugänglich in dem Nachdruck „0 Dostoevskom“, Brown University Slavic Reprint, IV, Providence, R. I., 1966, S. 3–71).
Diese Bezeichnung findet sich im allerersten Stadium der Arbeit an den „Brat’ja Karamazovy“ („Brüder Karamazov”), vgl.: F. M. Dostoevskij, Materialy i issledovanija, ed. A. S. Dolinin, Leningrad 1935, S. 81.
F. M. Dostoevskij v rabote nad romanom ,Podrostok`, Tvorcteskie rukopisi, ed. A. S. Dolinin (= Literaturnoe Nasledstvo, 77, M. 1965), S. 59.
Zapisnye tetradi F. M. Dostoevskogo (vgl. Anm. 7), S. 98.
Iz archiva F. M. Dostoevskogo, Centrarchiv, Prestuplenie i nakazanie, Neizdannye materialy, ed. I. I. Glivenko, Moskau-Leningrad 1931, S. 70.
F. M. Dostoevskij, Pis’ma, ed. A. S. Dolinin, II, Moskau-Leningrad 1930, S. 59.
Iz archiva F. M. Dostoevskogo, Centrarchiv, Idiot, Neizdannye materialy, ed. P. N. Sakulin u. N. F. Bel’Zikov, Moskau-Leningrad 1931, S. 131 f.
Literaturnoe Nasledstvo (vgl. Anm 16), 77, S. 74: „Basnju, basnju nado! Plan zanima-tel’nyj: `
O. cit., S. 92: „Lae, esli OTEC rodnoj.“ („Besser, wenn er der leibliche Vater ist”). 24 op. cit., S. 95.
Vgl. Wolf Schmid: Zur Erzähltechnik und Bewußtseinsdarstellung in Dostoevskijs „Vecsnyj muh“, in: Die Welt der Sklaven, XIII, 1968 (im Druck).
In deutscher Cbersetzung auch als „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ und unter dem Titel „Aus dem Dunkel der Großstadt” bekannt.
F. M. Dostoevskij, Sobranie sainenij v desjati tomach, Moskau 1956–1958, IV, S. 161 f. (Diese Ausgabe ist weiterhin bezeichnet als „Dostoevskij 1956–1958“). Dostoevskij 1956–1958, IV, S. 243.
Dostoevskij 1956–1958, IV, S. 161.
Prestuplenie i nakazanie, Neizdannye materialy (vgl. Anm. 19), S. 167.
Viktor $klovskij: Za i protiv, Zametki o Dostoevskom, Moskau 1957.
Dostojevskij hat in seiner Überschrift die lateinischen Wörter übernommen: „Pro i contra.”
F. M. Dostoevskij, Dnevnik pisatelja za 1876 god, Berlin 1922 (Ladyznikov), S. 480.
Das Wort „perestupit“` („smogu li ja perestupit’?”), das Dostojevskij hier verwendet, gehört etymologisch und sinngemäß zu dem Wort „prestuplenie“ („Verbrechen”, eig. wörtlich „Übertretung“), das im Romantitel erscheint: Prestuplenie i nakazanie (Verbrechen und Strafe).
Auf diese Tatsache hat schon P. M. Bicilli in seiner Abhandlung „K voprosu o vnutrennej forme romana Dostoevskogo” (vgl. Anm. 14) hingewiesen: „Daß das Experiment die Grundlage für die Fabel in seinen Werken ist, das gibt Dostojevskij an verschiedenen Stellen zu verstehen.“ (S. 28)
F. M. Dostojevskij, Dnevnik pisatelja za 1876 god, S. 445.
M. A. Petrovskij: Kompozicija ,Vecnogo muia’, in: Dostoevskij, Trudy Gosudarstvennoj akademii chudoiestvennych nauk, lit. sekcija, vyp. III, Moskau 1928, S. 115–161.
Dmitrij Tschilewskij (D. Ciievskij) unterscheidet in seiner Studie „Dostoevskij — psicholog“ (vgl. Anm. 12) ausdrücklich zwischen dem „Unterbewußtsein” und dem „Überbewußtsein“ im Unbewußten. Das Unterbewußte wird als das „Feindliche” und das „Fremde” betrachtet (S. 57), als „niedere Natur“ (S. 58) im Menschen, wenn auch als etwas, das nie ganz mit der Natur zusammenfällt. Das Uberbewußte verfügt dagegen über „prophetische” und „hellseherische“ Kräfte, da es vor allem der ekstatischen Offenbarung nahesteht (S. 59).
Die merkwürdigen Parallelen mit E. A. Poe, von dessen Werk Dostojevskij eine leidlich gute Kenntnis besaß, sind bisher noch nicht systematisch betrachtet worden. Hinweise auf solche Parallelen finden sich neuerdings in dem Buch von Horst-Jürgen Gerigk: Versuch über Dostoevskijs ,Jüngling`, ein Beitrag zur Theorie des Romans (= Forum Slavicum, 4, München 1965), S. 113 f., S. 144.
Dostojevskijs Vorliebe für den Begriff der „Analyse“ geht auch aus einer Eintragung in die Notizbücher zu den „Besy” („Dämonen“) hervor: „nepremenno glava ,analiz”` („unbedingt ein Kapitel ,Analyse“`). Vgl. Zapisnye tetradi F. M. Dostoevskogo (s. Anm. 7), S. 317.
Vgl. etwa den Begriff „Forderung” („Herausforderung“, russ. „vyzov”), der gerade im Hinblick auf den Charakter der „Sanften“ ein auffallendes Moment darstellt: F. M. Dostoevskij, Dnevnik pisatelja za 1876 god, S. 495.
Außer dem Begriff „Polyphonie” (s. weiter unten) hat man auch den Terminus „Kontrapunkt“ für Dostojevskijs Romankomposition in Anspruch genommen. (Vgl. L. P. Grossmann: Dostoevskij — chudoânik, in: Tvorcestvo F. M. Dostoevskogo, Moskau 1959. S. 330–416, bes. S. 341 f.). Robert L. Belknap sieht in seinem Buch „The Structure of the Brothers Karamazov” (= Slavistic Printings and Reprintings, LXXII, Den Haag 1967) die inneren Bezüge der einzelnen Bauelemente des Romans in einer von der Fabel und von der Erzählstruktur deutlich unterschiedenen Weise geordnet und nennt diese Ordnung: „The Structure of Inherent Relationships“ (Kap. II).
Besonders: L. P. Grossmann, Poétika Dostoevskogo, Moskau 1925.
M. M. Bachtin: Problemy poétiki Dostoevskogo, Moskau 21963.
Zapisnye tetradi F. M. Dostoevskogo (vgl. Anm. 7), S. 103.
Etwas zu erheblich erscheint das Gewicht, das H.-J. Gerigk der Beziehung zwischen dem „Podrostok“ und dem europäischen Schelmenroman beilegt. Der Charakterisierung des „Podrostok” in seinem „Versuch über Dostoevskijs ,Jüngling“` (vgl. Anm. 50) kann man in dieser Richtung nicht vorbehaltlos zustimmen. Der einseitigen Bestimmung des „Podrostok” als eines „pikaresken Romans“ (Gerigk, op. cit., S. 31 ff.) möchte man eher durch die Bezeichnung „Entwicklungsroman” zuvorkommen.
F. M. Dostoevskij, Dnevnik pisatelja za 1877 god, Berlin 1922, (Ladyznikov), S. 390. Hier schreibt Dostojevskij: „Was man heute im Literaturunterricht lehrt, das weiß ich nicht, aber die Beschäftigung mit diesem großartigsten und betrübtesten Buch, das der Genius der Menschheit geschaffen hat, würde ohne Zweifel die Seele des jungen Menschen durch seinen großen Gedanken erheben, in seinem Herzen große Fragen hinterlassen und dazu beitragen, seinen Geist von der Anbetung des ewigen und dummen Idols der Mittelmäßigkeit, des allzufriedenen Eigendünkels und der schalen Lebensweisheit abzuziehen.“ (Sentjabr’, Kap. II).
F. M. Dostoevskij, Pis’ma, ed. A. S. Dolinin, II, Moskau-Leningrad 1930, S. 71.
Dostoevskij — dmdoznik (1959,) vgl. Anm. 53.
M. M. Bachtin: Problemy tvore’estva Dostoevskogo, Leningrad 1929. Die neue Ausgabe (Moskau 21 963) trägt den Titel: Problemy poétiki Dostoevskogo.
Problemy poétiki Dostoevskogo, Moskau 21963, S. 7.
op. cit., S. 39. Abgesehen vom Doppelgänger-Problem, das die Dostojevskij-Forschung stark beschäftigt hat (vgl. D. c iievskij: K probleme dvojnika, in: O Dostoevskom, sbornik statej, I, ed. A. L. Bem, Prag 1929), sind hier auch die „Zerrspiegel“-Verhältnisse zu beachten, die zwischen bestimmten Figuren erkannt worden sind. Georgij Cuikov hat z. B. zu „Prestuplenie i nakazanie” angemerkt: „Im Grunde ist Svidrigajlov in der Komposition des Romans als Zerrspiegel für Raskol’nikov selbst vonnöten, und Svidrigajlovs eigene Ideen sind die Karikaturen seiner Ideen.“ (Kak rabotai Dostoevskij, Moskau 1939, S. 142 f.).
M. M. Bachtin: Problemy poétiki Dostoevskogo, Moskau 21963, S. 338 ff. („Dialog u Dostoevskogo“).
Ralph E. Matlaw: The Brothers Karamazov, Novelistic Technique (= Musagetes Den Haag 1957), S. 19, S. 24 ff.
J. M. Meijer: Situation Rhyme in a Novel of Dostoevsky, in: Dutch Contributions to the IV“ International Congress of Slavicists, Den Haag 1958, S. 115–129.
So könnte man das Ergebnis der bisherigen Interpretationen, die in diesem Punkt erstaunlich einheitlich sind, zusammenfassen. In den Entwürfen zum Roman führt Dostojevskij als Grund für diese innere Verödung die Losgelöstheit Stavrogins von der Muttererde und von der Nation an: „Der Fürst hat allerdings keine besonderen Ideen. Er zeigt nur seine Abneigung gegenüber seinen Zeitgenossen, mit denen er zu brechen beschlossen hat. Nur die unmittelbare Abneigung, weil er schon seine Losgelöstheit von der Muttererde („otorvannost’ of pavy“) begriffen hat. Aber Ideen hat er keine.” (Zapisnye tetradi F. M. Dostoevskogo, vgl. Anm. 7, S. 91). „Er glaubt nicht an Gott, weil er nicht an seine Muttererde und an seine Nationalität glaubt.” (op. cit., S. 92).
Vyacheslav Ivanov (Vjaceslav Ivanov): Freedom and the Tragic Life, A Study in Dostoevsky, London 1952, S. 62.
Dostoevskij 1956–1958, VII, S. 294. Diese Szene ist natürlich in der Dostojevskij-Literatur schon häufiger behandelt worden.
Eine Beziehung der Romanfiguren zur Fausttragödie hat wiederum Vja6eslav Ivanov hergestellt. Für ihn ist Petr Verchovenskij der Träger der Mephisto-Rolle (op. cit., vgl. Anm. 78, S. 61), während Stavrogin Faust symbolisiert. Die oben erwähnte Szene mit Mar’ja Timofeevna setzt V. Ivanov in Beziehung zur Kerkerszene (Faust—Margarete) am Ende des 1. Teils der Tragödie von Goethe (a.a.O.).
Das russische Wort „smuta“, das hier im Text steht, klingt an die berüchtigte „Wirre Zeit” (Smutnoe vremja) zu Beginn des 17. Jh. an und ist so wiederum ein Echo auf den Usurpator Grilka Otrep’jev, d. h. auf die vorher behandelte Szene.
Dostoevskij 1956–1958, VII, S. 441. Das Wort „raskacka” (Schaukelei) dürfte in Anlehnung an Jesaja 24, 20 gebraucht sein: „Die Erde wird taumeln (russ. „ lataetsja“) wie ein Trunkener und wird hin und her geworfen (russ. „kacaetsja”) wie ein Hängebett ...“ Von hier aus fällt auch weiteres Licht auf den Namen .atov, der im Roman von einer der Hauptfiguren getragen wird. Etymologisch gehört er zu „satat’sja” („taumeln“). 67 Brief an N. N. Strachov vom 5. April 1870 (n. St.), F. M. Dostoevskij, Pis’ma, ed. A. S. Dolinin, II, S. 257. 68 Vgl. K. Mocul’skij: Dostoevskij, 2izn’ i tvorcestvo, Paris 1947, S. 355.
Prestuplenie i nakazanie, Neizdannye materialy (vgl. Anm. 19), S. 161.
Abgedruckt in: Prestuplenie i nakazanie, Neizdannye materialy (vgl. Anm. 19).
Prestuplenie i nakazanie, Neizdannye materialy, S. 60.
Viktor Sklovskij: Za i protiv, Zametki o Dostoevskom, Moskau 1957, S. 222. es Dostoevskij 1956–1958, V, S. 436.
Dostoevskij 1956–1958, V, 437. Dostojevskijs lebhaftes Interesse für das prozessuale Verfahren erhellt u. a. aus einer Stelle in „Podrostok“ („Jüngling”). Hier interessiert sich Versilov für die Tätigkeit einer aus Juristen zusammengesetzten englischen Parlamentskommission, die im 18. Jh. den ursprünglichen Prozeß Christi (vor dem Hohenpriester und Pilatus) durch eine erneute Verurteilung nachvollzogen haben soll (Dostoevskij 1956 bis 1958, VIII, S. 301).
Leonid Grossman schreibt in seiner Abhandlung „Dostoevskij — chudoznik“ (1959, vgl. Anm. 53) zum Problem des Untersuchungsrichters: „Raskol’nikovs Mord an den beiden Frauen, der die ganze Situation in der Wurzel verändert, trägt die Handlung auf die neue Ebene des komplizierten inneren Kampfes des Helden mit seinem Plan, mit seiner Theorie, mit seinem Gewissen und — äußerlich — mit der Staatsmacht in Gestalt seines stärksten Gegners Porfirij Petrovic.Die aufsteigende Linie des ,idealen` Untersuchungsrichters eröffnet die Ebene eines besonderen juristischen Schaffens, das den Rechtsbrecher in den Kreis seines Dramas einbezieht und ihn mit feinen künstlerischen Mitteln zum Eingeständnis seiner Schuld bringt.” (S. 343).
Dostoevskij — chudo%nik (1959, vgl. Anm. 53).
F. M. Dostoevskij, Dnevnik pisatelja za 1876 god, Berlin 1922 (Ladyznikov). S. 471. Der Erzähler der „Krotkaja” verwendet ebenfalls den Ausdruck „Da, ja imel pravo ...” (im Original kursiv gedruckt: „Ja, ich hatte das Recht ...“, op. cit., S. 488). 100 Dostoevskij 1956–1958, VIII, S. 495–497.
F. M. Dostoevskij, Dnevnik pisatelja za 1876 god, Berlin 1922 (Ladyznikov), S. 442.
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Holthusen, J. (1969). Prinzipien der Komposition und des Erzählens bei Dostojevskij. In: Prinzipien der Komposition und des Erzählens bei Dostojevskij. Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, vol 154. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02847-5_1
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