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Zusammenfassung

Jede Analyse politischen Lebens, die neben Interessen auch die Werte und Überzeugungen betont, ist natürlich auch darauf verwiesen, sich mit der Bedeutung von Überlieferung und Tradition zu befassen. Denn alle Werte und Überzeugungen müssen überliefert werden. Jede nur temporäre Überzeugung kann nur von sehr begrenztem Einfluß sein, abgesehen von revolutionären Epochen1. Wir haben wiederholt in früheren Kapiteln auf Tradition Bezug genommen, insbesondere bei der Diskussion von Autorität und Legitimität (Kapitel 4 und 5) und bei der Betrachtung über die Begründung und Verteidigung politischer Ordnung (Kap. 14 und 15). In der Vergangenheit haben sich Schwierigkeiten daraus ergeben, daß man in der politischen Theorie die Tradition unter- oder überschätzt hat, insbesondere im Gefolge revolutionärer Epochen. In Wirklichkeit ist Tradition, wie gesagt, ein immer wirksamer Faktor in aller Politik, allerdings ein Faktor, der die politische Gemeinschaft nicht nur unterstützt, sondern sie auch behindert und geschädigt hat. Zuviel Tradition verknöchert das politische Leben, wogegen zuwenig davon es auflöst. Anomie nannten das letztere die Griechen und wollten damit sagen, daß es an nomos, an gültigem Brauch und daher an Grundgesetzen fehle und somit die Menschen keine Richtlinien für ihr Handeln besäßen. Das genaue Gegenteil wird in revolutionären Situationen behauptet. Man könnte den letzteren Zustand vielleicht als Nomokratie bezeichnen, ein Zustand, in dem alles nach überlieferten Werten und Überzeugungen beurteilt wird, wo also der nomos das Gemeinschaftsleben tyrannisiert und allen Fortschritt verhindert. Das ist in neuerer Zeit oft in den Kolonialgebieten im Bereich der Politik der Fall gewesen. Dadurch, daß die Kolonialmächte zugleich den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt forderten, führten sie eine revolutionäre Lage herbei. Große Staatskunst ist erforderlich, wenn diese „Entwicklungsländer“ in eine ausgewogene politische Ordnung geführt werden und nicht der Anomie anheimfallen sollen.

Was du ererbt von deinen Vätern hast, Erwirb es, um es zu besitzen!

Goethe

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Literatur

  1. Für eine Herausarbeitung der Unterscheidung zwischen Tradition und Traditionalismus siehe den in Fn 1 genannten Beitrag von Radin. Sehr wertvoll auch die Diskussion der a Tradition in Lloyd I. und Suzanne Hoeber Rudolph, 1967.

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  2. Siehe den interessanten Versuch, Nationalismus als eine Ideologie zu behandeln, in Bowie et. al., 1959, bes. S. 8 ff. und 51 ff.

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  3. Hoselitz, in Braibanti und Spengler, 1961, S. 84. Die bekannten Alternativen der Webersehen Typologie von Autorität und Legitimität (siehe oben, Kapitel 4 und 5) illustriert die weitverbreitete Neigung, Tradition negativ zu sehen und sie dichotomisch einem rationalen Verhalten gegenüberzustellen. Dies kritisiert mit Recht Hoselitz, toc. cit. und ebenso Polanyi, 1958, S. 53–54,374 —379, und passim. Vgl. auch Popper, 1957.

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  4. Hannah Arendt, 1957, S. 9 ff., vertritt die Ansicht, daß eine Tradition politischen Denkens von Platon bis Marx reicht.

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  5. Das letztere stellte Hoselitz, 1961, S. 100 ff., fest.

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  6. Burke, 1839, Bd. III, S. 452. Ibid., S. 179, heißt es: „If prescription he once shaken, no species of property is secureChrw(133)“ Hier und auch anderweitig bei Burke ist die Verbindung zwischen der Stabilität einer politischen Ordnung und der Sicherheit des Eigentums klar erkenntlich.

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  7. Radin, Encyclopaedia of the Social Sciences, S. 63. Seine Erörterung stützt sich auf Adolf Harnack, 1885, 1894, z. Bd., S. 83 ff. und passim.

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  8. Adolf Harnack, 1894, z. Bd., S. 83.

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  9. K. N. Llewellyn, 1960; siehe oben, Kap. 7.

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  10. Friedrich und Brzezinski, 1965, Kap. 3–5; siehe auch Friedrich, 1967 I, Kap. 5.

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  11. Cremin, 1961, und unten. Jaeger, 1939–1944, passim. Der Titel benutzt mit Recht den griechischen Ausdruck, obwohl das deutsche Wort „Bildung“ dem grieischen paideia viel eher entspricht als etwa education. Jaeger sagt dazu selber: „The ancients were persuaded that education and culture are not a formal art or an abstract theory, distinct from the objective historical structure of a nation’s spiritual life. They held than to be embodied in literatureChrw(133)”

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  12. Bd. II, S. VI.

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  13. Fairbank, 1957, bes. Teil I.

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  14. Max Weber, 1922–1923, Bd. I, S. 395 ff.

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  15. Ibid., Bd. III. Orlinsky, 1954, Kap. 7. Die Stämme, auf die diese Ausführungen zutreffen, sind: Yahgan, Hausa, Rif, Amhara, Ifaluk, Fanti, Nupe, Tiv, Bemba, Mende, Ganda, Kikuyu, Nuer, Tikopia, Samoa, Alor, Ojibwa, Irokesen. Vgl. insbesondere Evans-Pritchard, 1951, S. 137; Firth, 1936, S. 148; Dubois, 1944, S. 62; Noon, 1949, S. 33; 1959, S. 99,111;M. Mead, 1928; Messing, 1957, S. 438; Gusinde, 1937, S. 864; Richards, 1956, S. 128; Little, 1951, S. 121; Kenyatta, 1938, S. 109–110; W. G. Smith, 1955, S. 99–100; Coon, 1931, S. 316–317; Nadel, 1942

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  16. S. 401; Mair, 1934, S. 66; Hilger, 1939, S. 100. Siehe E. A. Weber, 1929, für eine umfängliche Behandlung der bei einer Aufnahme in einen

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  17. Stamm geübten Praktiken. Almond, in Almond und Coleman, 1959, S. 27.

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  18. Zur Frage der „socialization“ siehe Hyman, 1959. Almond und Coleman, 1959, S. 26 ff. wollen diesen Ausdruck auf die politische Sphäre anwenden. Ihre Absicht ist zu loben, aber

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  19. socialization“ ist kein für diese Zwecke geeigneter Ausdruck.

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  20. Merriam, 1931, bes. Kap. IV und V. Merriam, 1931, S. 5–7.

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  21. Siehe Friedrich, 1959 II, Kap. IX. 25 Kimble, 1960, Kap. 16, S. 93.

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  22. Kimble, 1960, S. 94.

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  23. Außer Friedrich, 1959 II, siehe auch Cremin, 1961.

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  24. Cremin, 1961, S. VIII—IX; und S. 85 ff. und 179 ff.

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  25. Gegen diese Auffassung hat Peter Viereck, 1956, schärfsten Protest eingelegt und statt dessen den „unadjusted man“ als neuen amerikanischen Helden gefeiert. Aber das ist der Amerikaner ja schon immer gewesen. Siehe dazu auch Riesman, 1950, und Whyte, 1956,passim.

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  26. U. S. Congress, Final Report on Foreign Aid of the House Select Committee on Foreign Aid 1. Mai 1948, S. 136.

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  27. Clay, 1950, S. 298–302; das Zitat auf S. 302. Siehe auch die kritische Einschätzung bei ss Zink, 1947, Kap. 12, und W. Friedmann, 1947, Kap. 11.

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  28. Hocking, 1954, passim. Auf S. 18 schreibt er, daß „it was also essential to give full credit to the thinking—through and overcoming which the German people themselves were doing; for, after all, this had to be their act and not ours“. Siehe auch Montgomery, 1957, und

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  29. Gimbel, 1961. Vgl. hierzu die interessanten Studien, die von den Human Relations Area Files publiziert worden sind, insbesondere Harris, 1958; Lipsky, 1959; Lebar und Suddard, 1960; Steinberg, 1959. Diese Bücher enthalten alle ein Kapitel über die Erziehung und Unterlagen für die Weitergabe (transmission) der Kultur. Man vgl. hierzu auch Kimble, 1960.

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  30. Siehe den wichtigen Bericht The Educational System of Puerto Rico, 1959, dessen Verfasser C. Caselman, L. Borghi und M. Bredsdorff sind. Siehe auch Friedrich, 1959 I, und Padilla, 1958. Man vgl. außerdem die sehr sorgfältige Beurteilung des Erziehungswesens in Puerto Rico bei Tumin und Feldman, 1961, Kap. 2–7, aber insbesondere Kap. 5, wo

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  31. Erziehung zur politischen Macht in Beziehung gesetzt wird.

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  32. Friedrich, 1959 I, S. 62–63. Über die Beziehung zwischen Ideologie und Nationalismus siehe Bowie et al., 1959, bes. Kap. 1, und Friedrich, 1967 I, Kap. 5.

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  33. Alle in Fn 18 genannten Werke und viele andere enthalten Material zu diesem Thema. 40 Siehe Friedrich und Brzezinski, 1965, Kap. 12 für weitere Einzelheiten und Hinweise.

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  34. Stalin, 1940, S. 451; für Vergleiche und statistische Angaben siehe auch Kap. 5 in Friedrich und Brzezinski, 1965.

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  35. Sidney und Beatrice Webb, die selber für diese Art von Erziehung sehr eingenommen waren, haben diese frühen Versuche in der Sowjetunion beschrieben; 1936, Bd. II, Kap. X (1)

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  36. S. 887 ff. de Witt, 1955; für das Zitat siehe Inkeles und Bauer, 1959, Kap. 6, S. 129. Für die Fragen der Schuldisziplin vgl. man die in Friedrich und Brzezinski, 1965, S. 152–153, angeführten

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  37. Instruktionen. Pedagogika, 1948, S. 15, zitiert nach Inkeles und Bauer, 1959, S. 131.

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  38. Vgl. dazu die interessanten Angaben in Inkeles und Bauer, 1959, 5.135–145.

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  39. Ibid., S. 157. Jaeger, 1939 (englisch), Bd. II, 1943, bes. S. 83, führt die Gründung der Akademie auf Platons Leidenschaft für die Politik zurück: „That means that he did not think of politics as the occupation of a few periods in his carreer;... he thought of it as the framework of his entire spiritual life, the principal and comprehensive object of his whole thought.“ Die ent.

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  40. gegengesetzte Auffassung vertritt Arendt, A, 1958.

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  41. Kantorowicz, 1927, S. 124 ff. Siehe auch Dempf, 1929, S. 319 f., und Hampe, A, 1923. Friedensburg, 1917; Schöffler, 1936.

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  42. Jaspers, 1961, S. 33–35, behauptet, daß eine „Universität“ in einer totalitären Diktatur nicht möglich sei, da „nur ein Staat, der selber Freiheit und daher Wahrheit will und auf sie ss sich gründet, auch die Universität wollen” kann. Voegelin, 1938, und viele andere haben solche Auffassungen vorgetragen.

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  43. Davison, 1958, S. 61–62; eine eingehendere Behandlung gibt Kotowski, A, 1958.

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  44. Für eine ausführlichere Analyse von Universität und Wissenschaften im Totalitarismus siehe Friedrich und Brzezinski, 1965, Kap. 24. Siehe auch Friedrich (Hrsg.) 1956, Kap. 1, j, S. 98 ff.

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  45. B. Moore, Jr., 1954, S. 112. Dies, so meint Moore, „shows that they do not, and perhaps cannot, fully realize the instrumental nature of scientific knowledge“. Uns scheint es richtiger, zu sagen, daß die Totalitären die Unvollständigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis nicht voll anerkennen, denn selbst diese Tatsache macht Wissenschaft nicht rein instru.

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  46. mental. Aus der Zeitschrift Kommunist, Mai 1955, S. 117–128. Der ganze Artikel ist ein gutes Beispiel für die Ambivalenz, die das Sowjetregime auch seither in seinen Beziehungen zur Wissenschaft und zu den Universitäten geplagt hat.

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Friedrich, C.J. (1970). Die Rolle von Tradition und Erziehung. In: Politik als Prozeß der Gemeinschaftsbildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-02720-1_26

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